Simulationsspiele mögen jetzt nicht jedermanns Sache sein – doch Titel wie SnowRunner haben sich längst eine treue Fangemeinde aufgebaut, die die detailverliebte Arbeit von Saber Interactive zu schätzen weiß. Umso erfreulicher ist es, dass die Entwickler mit RoadCraft nicht einfach nur „mehr vom Gleichen“ liefern wollen, sondern gezielt bestehende Mechaniken weiterentwickeln und durch neue Elemente wie umfassenden Straßenbau sinnvoll erweitern.
Ich habe zuvor noch nie einen Teil der Runner-Reihe gespielt – und auch Simulationsspiele im Allgemeinen haben mich bislang eher kaltgelassen. Klar, in den einen oder anderen Landwirtschafts-Simulator habe ich mal neugierig reingeschaut, aber wirklich lange bei der Stange halten konnten mich solche Titel nie. Umso neugieriger war ich, ob RoadCraft daran etwas ändern könnte. Und tatsächlich: Der neueste Teil der Reihe hat mich positiv überrascht. Auch wenn ich im echten Leben handwerklich eher untalentiert bin, konnte ich nach einer gewissen Eingewöhnung schon bald fleißig kaputte Brücken reparieren und zerstörte Straßenabschnitte instand setzen – auch wenn das nicht ganz ohne Frustmomente ablief.
Baggern, Reparieren und Zuschütten
Doch was genau ist RoadCraft eigentlich? Im Kern ist das Prinzip simpel: In acht unterschiedlichen Welten – jede etwa vier Quadratkilometer groß – gilt es, zerstörte Landstriche, Wege und Bauflächen wieder instand zu setzen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn selbst so etwas scheinbar Banales wie das Entfernen eines umgestürzten Baums kann zu Beginn ganz schön herausfordernd sein. Immerhin wütenden mehrere Katastrophen in den Spielgebieten, und wir müssen diese nun vollständig aufräumen.
Bevor wir jedoch zur eigentlichen Arbeit schreiten, steht erst einmal die Unternehmensgründung an: Ein Name muss her, ein Logo ebenfalls – alles soll natürlich gesetzeskonform ablaufen, auch in der Simulation. Erst danach verschaffen wir uns einen Überblick über das Chaos vor Ort – und dann geht’s los.
Für unsere Einsätze steht uns eine Vielzahl an schweren Maschinen zur Verfügung: Kräne, Bagger, Walzen und mehr – die wir entweder alleine oder im Koop mit bis zu drei weiteren Freunden bedienen können. Dank Crossplay ist das sogar plattformübergreifend möglich. Mit dem Bagger verteilen wir beispielsweise Sand, um Straßen zu ebnen, mit dem Kran bergen wir verunfallte Fahrzeuge aus Flüssen oder Gräben. Jedes Fahrzeug hat seine ganz eigenen Stärken und will sinnvoll eingesetzt werden.
Ist ein Gebiet endlich geräumt, mit Straßen versehen und ordentlich ausgestattet, geht es weiter ins nächste Einsatzgebiet. Doch bis man mit einem Abschnitt auch nur halbwegs zufrieden ist, können gut und gerne zehn Stunden vergehen. An Spielzeit mangelt es RoadCraft also definitiv nicht.
Schwerkraftfahrer gesucht?
Das Herzstück von RoadCraft ist und bleibt das Fahren – und zwar mit ganz schön schweren Geräten. Egal ob allein oder im Koop: Wir kutschieren riesige Maschinen durch matschige Wälder, über zerklüftete Hügel und an reißenden Flüssen vorbei. Das Spiel punktet hier vor allem mit seiner realistischen Physik – und den abwechslungsreichen, grafisch wirklich hübschen Umgebungen. Das klingt entspannend, ist aber oft eine ziemliche Millimeterarbeit. Einfach mal drauflosbaggern? Funktioniert nur selten. Stattdessen braucht man Geduld, ein gutes Auge und vor allem: Fingerspitzengefühl. Wer mit Freunden spielt, kann sich absprechen und die Aufgaben clever aufteilen – allein hat man dafür mehr zu tun, aber auch die volle Kontrolle.
Etwas schade ist jedoch, dass die Fahrzeuge zwar optisch überzeugen, fahrerisch aber nicht ganz mit dem Rest des Spiels mithalten können. So schön die Maschinen auch modelliert sind: Das eigentliche Fahrgefühl wirkt träge und automatisiert. Gangschaltung? Läuft automatisch. Lichter, Hupen, Werkzeuge? Kaum selbst steuerbar. Für Spieler die einfach nur die Level abschließen wollen, mag das nicht weiter stören – doch gerade weil sich RoadCraft als Simulation versteht, wäre hier etwas mehr Tiefe wünschenswert gewesen. Wenn man den Großteil des Spiels damit verbringt, mit Fahrzeugen durch die Gegend zu fahren, fällt so ein Mangel leider umso stärker ins Gewicht – besonders für Fans echter Fahrzeug-Simulationen.
Auch die KI hinterlässt gemischte Eindrücke. Zwar hat sich seit dem Release einiges getan, doch wirklich clever agieren die computergesteuerten Konvois nach wie vor nicht. Sie sollen Materialien transportieren, Missionen abschließen – und nutzen dabei die Straßen, die wir zuvor selbst gebaut haben. Soweit die Theorie. In der Praxis aber fahren sie stoisch die exakte Route ab, die wir markiert haben – und ignorieren dabei komplett, dass die Straße vielleicht eigentlich viel breiter wäre. Rücksicht auf Gegenverkehr? Fehlanzeige. Statt sich einfach etwas auszuweichen, bleiben sie stehen – und wir bekommen eine Fehlermeldung. Gerade weil man sich beim Straßenbau Mühe gibt, sind solche Patzer frustrierend. Ein bisschen mehr Flexibilität hätte der KI definitiv gutgetan. Das kann man allerdings nachbessern und das wäre auch wünschenswert.
Nachträglicher Content
Im Kern ist RoadCraft also eine Simulation mit leichter Kost: nicht allzu verkopft, aber dennoch komplex genug, um auch erfahrene Genre-Fans teils bei Laune zu halten. Vor allem im Koop-Modus kann das Ganze richtig Spaß machen – trotz der bereits genannten Schwächen. Und immerhin: Die Entwickler arbeiten mit Hochdruck daran, das Spielerlebnis weiter zu verbessern. Abgesehen von der teils sturen KI läuft RoadCraft technisch schon jetzt erstaunlich rund. Klar, hier und da sorgen mal ein festgefahrener Baum oder andere Kleinigkeiten für Frust, aber genau diese physikalische Präzision ist ja Teil des Konzepts.
Weniger überzeugend ist der Soundtrack. Der plätschert eher uninspiriert vor sich hin und bietet wenig Abwechslung – Schade. Immerhin: Die Motoren der Fahrzeuge klingen wuchtig und satt, was dem Spielerlebnis zumindest akustisch eine gewisse Wucht verleiht.
Positiv stimmt auch der geplante Nachschub: Bereits im September sollen neue Level, Missionen und Fahrzeuge erscheinen. Ein solider Content-Support ist also gesichert – zumindest für das laufende Jahr. Das weckt die Hoffnung, dass nicht nur neue Inhalte nachgereicht, sondern auch einige der aktuellen Schwächen ausgebügelt werden. Wer also dranbleibt, könnte im besten Fall ein deutlich runderes Spiel erleben als zum Start.
Zusammenfassung
FAZIT
RoadCraft ist letztlich also ein charmantes Simulationsspiel, das vieles richtig machen will – und dabei manchmal etwas über seine eigenen Ambitionen stolpert. Die Idee, Straßen sowie Brücken zu bauen und mit physikbasiertem Fahrzeug-Gameplay zu kombinieren, funktioniert überraschend gut, vor allem im Koop. Die Level sind schön gestaltet, das Terrain reagiert glaubwürdig, und wer Freude an matschigen Wegen, schrägen Winkeln und cleverer Planung hat, wird hier definitiv fündig.
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten: Das Fahrgefühl bleibt leider hinter dem restlichen Anspruch zurück. Die Fahrzeuge sehen super aus, fühlen sich aber nicht wirklich so an – zu automatisiert, zu glatt. Für eine Simulation wünscht man sich da schlicht mehr Kontrolle. Auch die KI sorgt immer wieder für Stirnrunzeln, besonders wenn der Verkehr mal wieder an einem simplen Gegenwagen scheitert. Und ja – der Soundtrack? Eher zum Vergessen.
Trotzdem: RoadCraft hat Potenzial. Die Schmiede von Saber Interactive ist offenbar noch längst nicht erloschen – mit angekündigtem Content-Nachschub, laufenden Patches und einer motivierten Community könnte sich das Spiel in den kommenden Monaten noch spürbar weiterentwickeln. Wer jetzt schon einsteigen will, sollte ein bisschen Geduld und Experimentierfreude mitbringen – und idealerweise ein paar Freunde zum Mitziehen. Denn dann wird aus RoadCraft vielleicht kein Meilenstein, aber ein durchaus spaßiger und ehrlicher Dreckfahrer für zwischendurch.