Wolltet ihr immer schon einen depressiven Typen, der in einer sich ewig wiederholenden Zeitschleife festhängt, spielen? Da könnte man doch Dinge tun, die man normalerweise nie machen würde… ihr könnt das jetzt in Rue Valley ausprobieren, das gerade für PC und Konsolen erschienen ist.
Von Owlcat Games, dem Publisher der großartigen Rollenspiele Warhammer 40,000: Rogue Trader und Pathfinder: Wrath of the Righteous, kommt nun ein weiteres Rollenspiel – Rue Valley. Allerdings – ist das vom serbischen Studio Emotion Spark entwickelte Game tatsächlich ein Rollenspiel? Es ist jedenfalls ganz sicher kein Fantasy- oder Sci-Fi-Epos voller Kämpfe gegen Drachen oder Mutanten, sondern ein textlastiges Abenteuer vergleichbar mit Spielen wie dem grenzgenialen Disco Elysium. Kämpfe stehen also definitiv nicht im Fokus des Spieles, dafür ist die Qualität der Texte umso wichtiger. Schauen wir, ob Rue Valley diesbezüglich überzeugen kann.
47 Minuten für die Ewigkeit
Wir spielen Eugene Harrow. Eugene ist gefangen – nicht in einem Gefängnis, sondern in einer Zeitschleife. Das Spiel startet um 8 Uhr abends bei unserer ersten Session mit dem Psychiater, und nach 47 Minuten ist es wieder 8 Uhr – und wir sitzen wieder beim Psychiater. Das erinnert mich natürlich an den Film Und täglich grüßt das Murmeltier, nur das hier nicht der ganze Tag sondern nur 47 Minuten dauernd wiederholt werden. Im Spielbereich fallen mir Three Minutes To Eight oder Orten Was The Case mit einer ähnlichen Mechanik ein. Zuerst erstellen wir unseren Eugene Harrow. Dazu müssen Punkte auf die drei Bereiche Entscheidungsfähigkeit, Soziale Kompetenz und Emotionale Stabilität verteilt werden. Diese Charaktererstellung hat massiven Einfluss auf das Spiel – von der ersten Sekunde an müsst ihr nämlich Entscheidungen treffen. Sollten die Werte eures Charakters nicht zu einer Entscheidung passen, dann könnt ihr sie im Spiel auch nicht auswählen – ihr steht also beispielsweise vor einer Frau, könnt sie aber nicht ansprechen, weil ihr vollkommen unmotiviert seid, irgendetwas zu tun. Der von euch auf diesem ersten Bildschirm erstellte Charakter wird also eure Interaktionsmöglichkeiten im Spiel vorgeben.
Die Sitzung beim Psychiater geht schnell zu Ende, und wir können uns die Umgebung anschauen. Viel gibt es nicht zu sehen, wir sind in einem abgelegenen Motel, wo ein Zimmer für uns gebucht wurde. Am Parkplatz tritt eine aufgebrachte Frau auf den Kaffeeautomaten ein, aber wir gehen lieber auf unser Zimmer und verkriechen uns auf dem Bett. Es scheint, dass wir schwer depressiv sind und daher die Therapie beim Psychiater notwendig ist… zu der wir uns aber nicht ganz freiwillig eingefunden haben. Dummerweise können wir aber nicht wirklich schlafen, und mit dem Handy spielen geht auch nicht so recht, weil wir keine Internetverbindung haben und das WLAN tot ist. Jedenfalls können wir einen höchst seltsamen Anruf eines Verkäufers empfangen…
Mindmap
Um 8:47 PM ist es immer vorbei – der Himmel wird orange, ein starker Sturm zieht auf – und ihr sitzt wieder beim Psychiater um 8 Uhr. Werdet ihr diesmal genau wie zuvor handeln? Habt ihr diesmal andere Handlungsoptionen? Eure Charakterwerte ändern sich nämlich – ihr beginnt nicht jedes Mal um 8 Uhr mit den selben Werten. Status-Effekte beeinflussen Eugene negativ, mit Inspirationen könnt ihr eure Beschränkungen überwinden. Somit habt ihr auch andere Handlungsoptionen. Und dann gibt es da noch eure Erinnerung. An bestimmten Stellen im Spiel könnt ihr eine Mindmap öffnen und erinnert euch an vergangene Begebenheiten – auch wenn die während einer anderen Zeitschleife stattgefunden haben. Plötzlich wisst ihr von Ereignissen, die in der aktuellen Zeitschleife erst in Zukunft stattfinden werden… aber natürlich wird euch niemand glauben, dass ihr in einer Zeitschleife feststeckt. Auch wenn auch andere Leute bald seltsame Dinge bemerken…
Ihr bewegt euren Charakter mit Mausklick durch die Gegend (Doppelklick zum Laufen), Hotspots klickt ihr an und bekommt dann die verfügbaren Handlungsmöglichkeiten angezeigt. Eurer (jede Zeitschleife neues) Inventar seht ihr am linken Bildschirmrand. Die Uhr ist permanent eingeblendet, bewegt sich jedoch nur, wenn ihr Aktionen durchführt. Die Gespräche der NPCs sind weitgehend vertont, eure eigene Kommunikation jedoch nicht. Die Steuerung mit dem Gamepad funktioniert problemlos. Ich habe das Spiel auch mit meinem Lenovo Legion Go Handheld angespielt und es hat problemlos geklappt. Die Anforderungen an euren PC sind überschaubar – 4 GB RAM, dazu ist auch eine bei der CPU integrierte Grafikkarte ausreichend. Kaufen könnt ihr Rue Valley über GOG, Steam oder den Epic Store, dazu natürlich im Xbox oder PlayStation Store.
Zusammenfassung
FAZIT
Rue Valley ist ein ungewöhnliches Spiel. Ihr bekommt einiges an Texten zu lesen, dazu eine mysteriöse Geschichte. Anfangs ist alles völlig verwirrend, aber langsam bekommt die Geschichte Struktur. Sobald ihr euch auch im Spiel an Dinge erinnern könnt, die in einer vergangenen Zeitschleife passiert sind, könnt ihr mit diesem Wissen entsprechend agieren und so Fortschritte im Spiel machen. Langsam, aber stetig. Genau so wie sich die Uhr rechts oben am Bildschirm bei jedem Durchgang langsam aber stetig von 8:00 auf 8:47 weiterbewegt. Rue Valley ist eine Mischung aus Rollenspiel und Point and Click Adventure. Welchen Teil des Geheimnisses könnt ihr in den 47 Minuten aufdecken, der euch beim nächsten Durchgang weiterhilft?