The Drifter im Test

Nach 5 Jahren Entwicklungszeit kommt aus Australien der außergewöhnliche Point- and Click-Mystery-Thriller The Drifter, der uns auf eine düstere Reise mitnimmt, die oft genug mit dem Tod endet… und wieder neu beginnt.

Die Wiedergänger

Vor vielen Jahren hat der Genre-Veteran Ron Gilbert mit seinen postulierten Design-Philosophien das Adventure-Genre revolutioniert und legte dabei den Grundstein für die erfolgreichsten 2D-Titel von Lucasfilm Games bzw. LucasArts. Eine seiner wichtigsten Regeln war dabei, dass die Hauptcharaktere nicht sterben können – es sei denn man lässt diese länger als zehn Minuten im Hafenbecken von Mêlée Island tauchen.

Bereits das von Wadjet Eye Games im April veröffentlichte Old Skies hat sich sehr kreativ an das etablierte Genre-Tabu herangetastet, dieses aber nie gebrochen. Ein Scheitern und damit ein Ableben der Protagonistin war zwar regelmäßig möglich, über das Zeitreise-Szenario und ein Zurückspulen nach letalen Szenen wurde dies spielmechanisch jedoch wieder eingehegt, sodass es im eigentlichen Sinne kein Game Over gab. Das nun von Indie-Entwickler Powerhoof aus Melbourne veröffentlichte The Drifter folgt dabei einem ähnlichen Ansatz, denn auch Hauptfigur Mick Carter lebt ein gefährliches Leben, scheint aber aus unbekannten Gründen daran gekettet zu sein.

Zurück im Unglück

Die Geschichte beginnt dabei sehr trostlos. Wir lernen Mick kennen als er abgebrannt in einem Güterzug trampt und sich auf dem Weg zur Beerdigung seiner Mutter in der fiktiven Heimatstadt Mawson befindet.

Er scheint offenkundig vor langer Zeit überstürzt aus seinem bisherigen Leben geflohen zu sein und seither von inneren Dämonen verfolgt zu werden. Mit großem Widerwillen wartet er in dem ratternden Waggon auf die Ankunft und damit auf seine Rückkehr in eine verdrängte Vergangenheit. Nach einem Halt eskaliert die Situation unversehens, als der Zug von nicht zu identifizierenden Spezialeinheiten umstellt wird und Mick nach einem blutigen Feuergefecht nur knapp entkommen kann.

Nach einem unsanften Landung an der Uferpromenade trifft er zunächst auf ihm wohlgesonnene Charaktere wie den Obdachlosen Bill und die naive Reporterin Angela Grace. Er erfährt Gerüchte über die geisterhaften Mulindji, die angeblich umgehen. Andere sprechen von einem Killer, der die Gegend unsicher mache. Unbestritten verschwanden zuletzt viele Obdachlose ohne Spur, was das sensationsheischende und sehr oberflächliche Interesse der Presse an der Obdachlosenszene erklärt.

Bevor er mehr zu den Hintergründen erfahren kann, bleibt Mick sein Pech aber auf den Fersen, denn auch hier schlagen die mysteriösen Angreifer zu und veranstalten ein Gemetzel. Mick wird gefangengenommen und findet sich wenig später mit einem Gewicht am Grund des Stausees wieder – und der Erkenntnis, dass er keine zehn Minuten die Luft anhalten kann. Damit endet das Leben von Mick Carter. Zumindest kurzzeitig – denn er erhält – auch für ihn überraschend – eine neue Chance dem Ertrinken zu entgehen. Dies wird eine Konstante bei The Drifter werden. Sobald Mick meist sehr explizit dargestellt aus dem Leben scheidet, findet er sich sogleich wieder in der Ausgangssituation wieder und kann das Wissen um sein Scheitern dazu nutzen, das Blatt zu wenden und der Gefahr zu entgehen.

Wieder unter den Lebenden und am Ufer steht die pitschnasse Hauptfigur vor vielen offenen Fragen und weiteren Problemen. So hält man ihn nach den furchtbaren Vorkommnissen für den gesuchten Killer und man fahndet nach ihm. Darüber hinaus wird Mick seit seiner rätselhaften Wiederbelebung immer wieder von Wahnvorstellungen und Geistern seiner Vergangenheit heimgesucht. Eine wendungsreiche und teils tragische Geschichte entspinnt sich in den insgesamt neun Kapiteln.

Mystery-Thriller in der Film- und Serienlandschaft haben oft das Problem, dass die ersten Staffeln sich gekonnt im geisterhaften Ungefähren bewegen. Wenn zum Ende hin aber Antworten gefragt sind, tun sich die Autoren schwer, den selbst geschürten Erwartungen gerecht zu werden. Man denke da beispielsweise an die X-Akten.

The Drifter macht das über weite Strecken besser und löst seine Handlung innerhalb der Spielwelt logisch auf. Im letzten Drittel ändert sich etwas die Grundstimmung zu Gunsten eines höheren Sci-Fi-Anteils. Das ist durchaus Geschmackssache, mir persönlich haben tatsächlich die vorangegangenen Kapitel mit der durchdringenden Film noir-Atmosphäre besser gefallen.

Starke Kontraste

Bei der Präsentation vertraut der Entwickler Powerhoof auf seine eigene 2D-Adventure-Engine namens PowerQuest, welche bereits bei einigen kostenfreien und auf itch.io veröffentlichten Spieleprojekten des Teams zum Einsatz gekommen ist. Das Artdesign ist dabei großartig, denn es schafft eine markante Mischung aus Pixeloptik mit starken Farbkontrasten und einem lebendigen Spiel aus Licht und Schatten.

Die Animationen der Charaktere sind sehr detailreich gestaltet. Dabei wird allerdings nicht jede Handlung grafisch umgesetzt. Als Stilmittel kommt es oft zu einer Abblende und ein Text gibt in weiß auf schwarzem Grund wieder, was gerade geschieht. Das entlastet einerseits natürlich die Ressourcen des kleinen Indie-Entwicklers, dennoch ist dies für mich weit mehr als eine Behelfslösung, denn die Texte sind toll geschrieben und erinnern mit ihrem atmosphärischen Noir-Einschlag an Zitate, die man so auch in der Max Payne-Reihe erwarten könnte.

Dies wird ebenso vom Sounddesign aufgegriffen, denn Mick kommentiert die Aktionen regelmäßig mit stellenweise bitterbösen Kommentaren aus dem Off, was auch eine schöne Parallele zum Ex-Ermittler von Remedy darstellt. Es gibt ausschließlich deutsche Untertitel, aber hat man einmal Adrian Vaughan als desillusionierten und getriebenen Mick Carter gehört, würde man wohl keinen anderen Sprecher mehr akzeptieren. Auch die anderen Charaktere sind hochwertig vertont und jede Stimme passt perfekt zur verkörperten Figur. Passend zur Tonalität des Titels kommt eine düster-atmosphärische Synthesizer-Musik zum Einsatz, die einerseits unaufdringlich, aber wenn durch die Handlung gefordert, auch treibend, das Geschehen unterstützt. Es ist in jedem Fall ein gutes Zeichen, dass ich bereits mehrere Male ins Titelmenü des Spiels zurückgekehrt bin, nur um das Hauptthema von The Drifter nochmals anhören zu können. Den Soundtrack kann man im Übrigen bei Steam und GOG auch separat erstehen.

Auf den Punkt

Bei der Spielmechanik macht der Titel in seinen knapp 8 Stunden Spielzeit vieles richtig. Die Entwickler haben darauf geachtet, dass das geerdete Szenario keine abstrusen Kombinationsrätsel enthält. Viele Aufgabenstellungen sind recht kurz und ohne Schnörkel auf den Punkt gebracht. Es gibt ab und an die Notwendigkeit Gegenstände zusammenzufügen.

Da Micks Inventar immer überschaubar bleibt, ist meist naheliegend, welche Aktion vom Spieler erwartet wird, was den Titel für Adventure-Puristen vielleicht etwas unattraktiver macht. Dialoge führt man in The Drifter über die Auswahl von Gesprächsthemen. Hat man diese mit einem Charakter besprochen, wird diese Option ausgegraut und eine Zusammenfassung des Inhalts angezeigt, was so innovativ wie gelungen ist.

Sollte man tatsächlich mal hängen und sich fragen, wie es jetzt weitergeht, hat das Spiel in seinem HUD eine Notizfunktion integriert. Diese gibt zwar nicht die Komplettlösung Preis, schreibt aber zu allen aktuellen Themen eine Kurzzusammenfassung und gibt vage Andeutungen, was zur Zielerreichung nun zu tun ist.

Etwas versteckt im Menüeintrag „Barrierefreiheit“ findet sich auch noch eine hinzuschaltbare Hotspot-Anzeige. Diese ist dann ganz praktisch, wenn bei The Drifter ein zeitkritisches Event ansteht und man in den Pixelhintergründen nach Aktionsmöglichkeiten sucht.

Gerade die Actionsequenzen habe ich vor der Veröffentlichung eher kritisch gesehen, da diese Mechaniken leicht in ein repetitives Try-and-Error-Verfahren abgleiten können.

Diese Sorge hat sich nicht bestätigt. Vielmehr passen diese zugespitzten Auseinandersetzungen perfekt zu der Tonart des Spiels und sind unglaublich packend inszeniert. Lediglich zwei Sequenzen gibt es, die für meinen Geschmack etwas zu gestreckt sind und damit doch etwas anstrengend werden können.

Man muss sich allerdings auf ein sehr lineares Spielerlebnis einstellen. Verschiedene Entscheidungspfade gibt es nicht, weicht man vom vorgegebenen Weg ab, endet das meistens blutig für Mick. Ab und an wird man aber auch mit freigeschalteten Achievements belohnt.

Bei der Bedienung klappt mit der Maus alles bestens. Für alle Interaktionen braucht man nur die linke Maustaste, Inventar und die Notizfunktion lassen sich über ein Mouseover aktivieren. Auch kann der Titel mit einem Controller gespielt werden. Dazu passend ist, dass eine Switch-Umsetzung noch erfolgen soll.

Zusammenfassung

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