Bei Early-Access-Titeln ist es schon per Definition so, dass Inhalte, Mechaniken und technische Aspekte oft noch unvollständig oder unausgereift sind. Jedes Update kann den Spielumfang und das Spielerlebnis grundlegend verändern, wodurch eine klassische Vorschau manchmal nur eingeschränkt sinnvoll ist. Andererseits kann das Modell nicht funktionieren, wenn niemand dem Titel eine Chance gibt … Darum zumindest ein paar Ausblicke auf einige vielversprechende, interessante oder einfach nur kuriose Titel im Early-Access.
Project Zomboid
Gut Zombie will Weile haben …
Project Zomboid befindet sich seit 2013 (!) im Early Access, wird aber immer noch kontinuierlich weiterentwickelt. Der isometrische Zombie-Survival-Titel ist in einer fiktiven Version von Knox County im US-Bundesstaats Kentucky angesiedelt.
Eine wirkliche Hintergrund-Handlung gibt es per se nicht. Jede Partie beginnt mit einer zufällig gewählten Ausgangslage, in der unser Charakter den Ausbruch der Seuche bereits erlebt hat und nun um das tägliche Überleben kämpft. Wir erzählen quasi jedes Mal unsere eigene Geschichte durch unser Verhalten, Glück oder Pech beim Auffinden von Ressourcen und den Umgang mit den zahllosen Gefahren und Herausforderungen. Neben den allgegenwärtigen und endlosen Zombie-Horden gilt es nämlich auch im ständigen Kampf gegen Ressourcenknappheit, Hunger, Verletzungen und geistigen Verfall so lange wie möglich zu bestehen.
Eine der größten Stärken liegt in der enormen Tiefe der Simulation. Schon bei der Generierung können wir aus Berufen und Eigenschaften wählen, die Vor- oder Nachteile mit sich bringen. Fähigkeiten wie Kochen, Schreinern oder Landwirtschaft etc. verbessern sich mit jeder Nutzung und haben direkten Einfluss auf unsere Überlebenschancen. Das Crafting-System erlaubt den Bau von Barrikaden, improvisierten Waffen und Versorgungsstrukturen. Aber jede Ressource ist begrenzt und kann ggf. auch verderben und jede Verletzung muss versorgt werden.
Dadurch bietet Project Zomboid einen hohen Wiederspielwert, denn jede Partie verläuft anders, jede Entscheidung kann weitreichende Folgen haben. Die Lernkurve ist allerdings steil und alles andere als einsteigerfreundlich. Auch technisch ist das Spiel eher zweckmäßig, was für manche ein Nachteil sein könnte. Die Grafik ist bewusst schlicht und funktionell gehalten, erfüllt aber ihren Zweck eine große und abwechslungsreiche Spielwelt zu simulieren. Auch Geräusche und Musik werden dezent eingesetzt um die Stimmung zu unterstreichen.
Die Spielwelt wirkt trostlos und verfallen. Verlassene Häuser, überwucherte Straßen und realistische Wettereffekte verstärken das Gefühl einer stetig fortschreitenden Apokalypse. Jahreszeiten, Temperaturverläufe und Lichtverhältnisse sind nicht nur optische Elemente, sondern beeinflussen direkt das Überleben. Die Atmosphäre ist geprägt von ständiger Bedrohung und der Gewissheit, dass auch diese Partie früher oder später mit dem Ableben unseres Charakters enden wird … Wer eine tiefgehende, kompromisslose Survival-Simulation sucht, findet hier ein (jetzt schon) ausgereiftes und zugleich stetig wachsendes, wenn auch sehr anspruchsvolles Spielerlebnis.
Ale Abbey – Monastery Brewery Tycoon
Hopfen und Malz – Early Access erhalt’s!
Ale Abbey befindet sich erst seit Februar dieses Jahrs im Early Access und damit deutlich kürzer, als die anderen hier vorgestellten Titel. Dennoch zeigt das Spiel bereits jetzt viel spielerische Tiefe und einen charmanten Ansatz. Im Zentrum steht der Aufbau und Betrieb einer spätmittelalterlichen Klosterbrauerei. Dabei gilt es, die Kunst der Bierherstellung mit wirtschaftlichem Geschick zu verbinden und Verkauf, Zufriedenheit der Mönche und Nonnen usw. mit wirtschaftlichem Auskommen und Profit abzuwägen. Optisch präsentiert sich der Titel mit einer charmanten Pixelgrafik und liebevoll animierten Details die für eine gemütliche und leicht humorvolle Atmosphäre sorgen.
Zentral ist die Gestaltung eigener Bierrezepte: Verschiedene Biersorten können erforscht werden, Zutaten müssen beschafft und sinnvoll kombiniert werden. Qualität und Eigenschaften wie Geschmack, Farbe, Stärke und Schaum beeinflusst man dann in der Feinabstimmung. Jedem Produktionsschritt müssen auch entsprechen Mönchen und/oder Nonnen zugewiesen werden, die über unterschiedliche Fähigkeiten, aber auch Bedürfnisse verfügen. Ist die Herstellung abgeschlossen, folgen noch die Lagerung und der Vertrieb in diverse Regionen, was das Wirtschaftssystem weiter ergänzt.
Neben dem Produktionsprozess ist auch das Kloster selbst ein wichtiger Faktor. Die Raumgestaltung und der Ausbau – sowohl ober- als auch unterirdisch – wirken sich direkt auf die Effizienz der Brauerei und das Wohlbefinden des Klosterpersonals aus und verlangen strategische Planung und vorausschauendes Handeln.
Insgesamt bietet Ale Abbey schon jetzt eine tiefgründige Tycoon-Simulation, die sowohl Fans von komplexem Management als auch Liebhaber eines entspannten Spieltempos anspricht. Für Neueinsteiger könnte die Vielzahl der Systeme und Feinheiten zu Beginn etwas überwältigend sein. Um langfristig Spielspaß zu garantieren, ist zu hoffen, dass die Entwickler noch an der Balance feilen und auch ein paar zusätzliche, abwechslungsreiche Gameplay-Elemente wären nicht ganz verkehrt.
Ale Abbey – Monastery Brewery Tycoon auf Steam
Microcivilization
In 10.000 Clicks zur Hochkultur
Das Spiel Microcivilization verbindet Idle-/Clicker-Mechaniken mit Civilization-artigen Strategiebestandteilen: Ressourcenmanagement, Forschung, Bau und Diplomatie sind eingebettet in ein Mikro-Zivilisationsmodell dessen Ressourcengenerierung und Baufortschritt durch unsere Clicks zusätzlich beschleunigt werden können. Wir bewältigen Krisen wie Feuer, Krankheiten oder Invasionen durch den Einsatz (hoffentlich rechtzeitig angeschaffter) Militäreinheiten und Fähigkeiten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit unterschiedlicher Katastrophen wird dabei jederzeit prozentuell angezeigt. Gegensteuern ist also möglich, der Erfolg aber nie garantiert. Spezielle Heldeneinheiten fungieren zusätzlich als mächtige Bonus-Einheiten. Ihre richtige Auswahl und Kombination, aber auch Einsatzzeitpunkt während der Entwicklung unserer Zivilisation ist zentral für Strategie und Fortschritt.
Das ganze präsentiert sich in einer stilisierten Pixelgrafik, die trotzdem gekonnt historische Entwicklungen, Einheiten und Gebäude im Miniaturformat inszeniert. Das User Interface legt den Fokus auf Übersichtlichkeit über Ressourcen, Helden und Krisen. Hervorzuheben ist die extreme Tiefe trotz minimalistischer Präsentation. Der zyklische Auf-, Rück- und Neuaufstieg durch technologische Epochen schafft eine abstrakte und manchmal fordernde – aber auch sehr befriedigende – Simulation über Zivilisationsentwicklung und -rückschläge.
Ein weitläufiger Forschungsbaum eröffnet neue Technologien und erlaubt an bestimmten Stellen den Aufstieg in ein neues Zeitalter – man denke an die neolithische Revolution, Industrialisierung, usw. Fortschritt und neue Technologien bringen aber auch neue Risiken und Gefahren mit sich. Nach jedem „Aufstieg“ kann man zudem die aktuelle Partie beenden und erhält für seine Leistungen Lotusblüten, welche in einem gesonderten Fortschrittsbaum in neu verfügbare Zeitalter, permanente Boni, aber auch die (teils extreme) Erhöhung des Schwierigkeitsgrad investiert werden können.
Idle-/Clicker-Mechaniken gepaart mit einem Civilization-artigen Aufbau einer Kultur? Funktioniert überraschend gut und macht überraschend schnell „süchtig“. Nur heißt es halt nicht „noch eine Runde“ sondern eher „noch ein paar Clicks“. Microcivilization überzeugt als cleveres Strategie-Clicker-Spiel mit überraschender Tiefe, netter Pixeloptik und innovativer Progressionsmechanik. Trotz kleinerer Schwächen im Zugänglichkeits- und Balancing-Bereich stellt das Spiel für Fans strategieorientierter, simulationsnaher Miniatur-Welten ein extrem vielversprechendes Early-Access-Projekt dar.