Remothered: Broken Porcelain im Test

Der Nachfolger von Remothered: Tormented Fathers vom italienischen Entwickler Stormind Games, Remothered: Broken Porcelain, verspricht wieder gepflegten Horror und ein Wiedersehen mit einigen bereits aus dem ersten Teil bekannten Figuren. Mal sehen, ob er dieses Versprechen auch einhalten kann.

Wenn bei einem Spiel direkt nach Erscheinen jeden Tag ein rund 100 MB großer Patch erscheint ist das ein gutes Zeichen, weil der Hersteller die Produktpflege offensichtlich sehr ernst nimmt, oder? Oder auch nicht. Im Normalfall bedeutet das nämlich, dass ein Spiel vollkommen fehlerhaft und unfertig veröffentlicht wurde. Zu Remothered: Broken Porcelain sind seit Erscheinen vor ein paar Tagen schon einige umfangreiche Patches nachgeschoben worden.

Der im Jahr 2018 erschienene Vorgänger Remothered: Tormented Fathers war ein durchaus gutes Horrorspiel. Die Geschichte von einer Frau, die von ihren Eltern gezwungen wurde als Mann zu leben, an der ein Medikament mit schrecklichen Nebenwirkungen getestet wurde und die schließlich vollkommen durchgedreht ist und ihre Ehefrau ermordet hat war vielleicht vollkommen wirr, aber daran sind Fans des Genres ja gewöhnt. Das aus Motten gewonnene Medikament Phenoxyl, das entwickelt wurde, um traumatische Erinnerungen beim Patienten auszulöschen, spielt auch in Remothered: Broken Porcelain eine wichtige Rolle. Es führt beim Patienten nämlich dazu, dass dieser bald die wahre Vergangenheit nicht mehr von seinen Wahnvorstellungen, hervorgerufen durch die Erinnerungslücken nach der Einnahme des Medikaments, unterscheiden kann. Kurz gesagt, anstatt ein Trauma zu vergessen und wieder zu genesen, dreht man nach längerer Einnahme von Phenoxyl völlig durch.

Remothered: Broken Porcelain baut auf der Geschichte seines Vorgängers auf. Allerdings wird nicht erzählt, was nach den chaotischen Ereignissen des ersten Teiles passiert ist, sondern der Beginn des Spieles ist im Jahr 1973 angesiedelt. Man übernimmt in einem Rückblick die Rolle von Jennifer, einem jungen Waisenmädchen. Jennifer arbeitet im Ashmann Inn, das sich nach einem großen Brand auf die Wiedereröffnung vorbereitet, als Zimmermädchen. Anstatt eine längere, halbwegs plausible Vorgeschichte zu erzählen wird man nun fast sofort in einen Horrortrip geworfen. Und ich meine damit nicht die vielen Unzulänglichkeiten und Fehler des Spieles, sondern die Story. Jennifer erhält von ihrer Chefin Andrea den Auftrag, ein Zimmer aufzuräumen. Soweit so gut, beim Blick in den Spiegel kommt der erste Jumpscare des Spieles (Regel 1 in Horrorspielen: Schaue niemals in einen Spiegel, und nach einem Streit mit ihrer Freundin Linn (die ebenfalls als Zimmermädchen arbeitet) kann man Andrea beobachten, die ein Essens-Tablet am Boden abstellt. Neugierig wie junge Mädchen nun mal sind, schaut sich Jennifer das Essen genauer an – und damit beginnt völlig unerwartet der Horror. Andrea taucht auf, murmelt wirres Zeug, hat einen irren Blick, ungepflegte Kleidung und will uns eine Schere in den Kopf rammen. Einfach so. Was ist passiert? Ist Jennifer durchgedreht und hat Wahnvorstellungen? Andrea war doch gerade noch eine ganz normale, unsympathische Vorgesetzte, die Arbeitsaufträge verteilt hat.

Auf der Flucht

Keine Zeit Andrea zu fragen! Um zu überleben, muss man schnell weglaufen. Ist nicht ganz so leicht, weil man sich als Spieler in dem Hotel ja überhaupt nicht auskennt, das Spiel hat ja gerade erst begonnen. Ich bin mir jetzt auch nicht sicher, ob einem das Tutorial bereits erklärt hat, wie man läuft. Nun ja, irgendwann findet man das schon raus, läuft dementsprechend vor Andrea mit ihrer Schere weg bis einem die Puste ausgeht und versteckt sich in einem Kasten, einer Kiste oder einem Spind. Sofern Andrea nicht gesehen hat, wie wir das Versteck betreten haben, wird sie vor dem Versteck stehen bleiben, ein paar Mal nach uns rufen und danach wieder zurück zu ihrer Arbeit an der Nähmaschine gehen. Zum Glück ist sie nicht sehr ausdauernd bei ihrer Verfolgung.

Jennifer kann sich nun in dem Hotel umsehen, Gäste sind ja noch keine im Haus. Und hier beginnt das Grauen dann so richtig. Die Grafik von Remothered: Broken Porcelain ist durchaus gut gemacht. Sie zeigt das Geschehen aus der dritten Person, man erkennt aber trotzdem oft wenig bis gar nichts weil es so dunkel ist. Ok, man kann sich keine voll aufgedrehte LED-Beleuchtung in einem geschlossenen Hotel der 70er Jahre erwarten. Ist auch irgendwie genretypisch, die Dunkelheit. Das Hotel ist voll mit Kästen und anderen Möbelstücken, voller Laden und Türen. Jennifer kann die alle öffnen. Klingt ja spannend. Ist es aber nicht, nachdem man die hundertste Schublade geöffnet hat. Es sind auch Dinge in den Möbelstücken drinnen, die Jennifer nehmen kann. Vor allem unzählige Flaschen, scheinbar war das Inn vorher ein Treffpunkt der anonymen Alkoholiker. Aber auch Messer, Seile, Putzmittel, Insektizide, Schraubenzieher, Gartenschaufeln (!) und anderes Zeug findet man regelmäßig; das ist kein aufgeräumtes Hotel, sondern ein Flohmarkt. Kein Vergleich mit den sterilen Gängen moderner Hotels, vielleicht war früher auch einfach alles noch ein wenig gemütlicher. Man nimmt sich das ganze Zeug halt einmal, wird man schon irgendwann benötigen. Ich habe mir zwar gedacht, Jennifer kann verdammt viele Flaschen tragen, aber ok. Bis ich dann einmal zurück geschaut habe. Da steht plötzlich eine Flasche am Boden. Komisch, muss ich übersehen haben. Also hole ich sie mir. Und da habe ich bemerkt, dass Jennifer sich zwar neue Gegenstände nimmt, aber dafür ganz unauffällig einen alten Gegenstand fallen lässt. Ohne irgendeine Benachrichtigung.

Und so komme ich zur Inventarverwaltung. Es gibt Gegenstände, die man zum Kämpfen einsetzen kann, aber von denen man scheinbar immer nur einen tragen kann. Das Spiel sagt einem beim Aufnehmen neuer Gegenstände jedoch nicht, ob das nun eine neue Waffe ist. Wenn es eine Waffe ist, wird die alte Waffe kommentarlos ersetzt. Dann gibt es Gegenstände, die man zur Ablenkung seiner Verfolger (ja, davon gibt es bald noch einige mehr) verwenden kann. Und diese kann man kombinieren, um damit noch bessere Ablenkungsgegenstände zum Herumwerfen herzustellen. Hallo? Was soll ich an einer Flasche herumkombinieren, um sie zu verbessern? Oder einer Kaffeetasse? Auch Waffen können verbessert werden, der Spaten beispielsweise mit dem Korrosionsschutzmittel. Ehrlich? Die Inventarverwaltungsbildschirme sind überhaupt eine Katastrophe. Unübersichtlich, unintuitiv, man sieht nicht was man herumträgt, wieviel man noch nehmen kann, man braucht mehrere Tastendrücke um es aufzurufen und auch wieder zu verlassen. Und wo sind die für die Handlung benötigten Gegenstände wie Schlüssel oder dem Stromkabel? Sie werden automatisch verwendet, es ist aber nicht möglich, sie sich im Inventar anzusehen.

Hide and Seek

Das eigentliche Spielprinzip besteht nun darin, vor seinen Feinden wegzulaufen und sich vor ihnen in immer denselben Möbelstücken zu verstecken. Zum Glück sind die regelmäßig leer – keine Ahnung warum man in einem Inn so viele leere Kästen/ Truhen/ Spinde benötigt. Wenn man an Feinden vorbei will, sollte man in den Schleichmodus schalten und bei Bedarf eine Flasche oder sonst was zur Ablenkung in die entgegengesetzte Richtung werfen. Wird man von einem Gegner entdeckt und angegriffen, kann man mit einem QTE ausweichen oder sich auch mit einem Gegenstand zur Wehr setzen – sofern der QTE sichtbar ist, die zu drückenden Knöpfe erscheinen nämlich immer über dem Gegner und den hat man sehr oft gerade nicht im Blickfeld. Manche Gegner kann man nicht im direkten Kampf besiegen, man kann sie nur wegstoßen oder verletzen, um dann die Möglichkeit zur Flucht zu erhalten. Manche Gegner können auch von hinten getötet werden, zumindest dann, wenn man sie mehrmals erfolgreich angreift. Das Spiel zeigt das Geschehen dabei durchgehend aus der dritten Person, was beim Erkunden der Umgebung durchaus funktioniert. Bei der Konfrontation mit einem Gegner oder auf der Flucht ist die Kamera jedoch so nahe am Geschehen, dass man kaum irgendwas erkennen kann. Man sieht weder sich selbst, noch den Gegner, noch die Umgebung, um vernünftig agieren zu können. Mag ja realistisch sein, Spaß macht es nicht.

Läuft man weg, scheinen so viele Hotspots auf, dass man regelmäßig eine Schublade öffnet anstelle durch ein Loch in der Mauer hindurch zu kriechen oder über ein Hindernis zu hechten. Auch sieht man seinen Verfolger nicht. Ist man verletzt, bewegt man sich nur mehr sehr langsam, wodurch ein Entkommen noch schwieriger wird. Generell wird einem bei einem Hotspot nicht gesagt, was er bewirkt. Öffnet man damit eine Tür? Nimmt man irgendetwas auf? Versteckt man sich in einer Truhe? Nur Ausprobieren gibt Gewissheit. Jennifer jammert die ganze Zeit herum, „Ich will heim“, „Ich will nicht sterben“, „Das ist alles nur ein Albtraum“, „Warum ich?“…ich habe auch bald mit ihr gejammert, vor allem beim ersten Treffen mit Mr. Ashmann, der einen mit seiner Pistole einfach bei erstbester Gelegenheit erschießt.

Die Story wird neben den gut gemachten Zwischensequenzen auch über Sammelgegenstände erzählt, die man immer wieder finden kann. Durch den Einsatz von Mottenschlüsseln kann man Jennifers Kompetenzen (leiser Schleichen, ausdauernder Laufen und so weiter) verbessern. Das Spiel wird dadurch leider nicht verbessert. Gespeichert kann nur bei den sporadisch herumstehenden Metronomen werden bzw. erfolgt es automatisch bei bestimmten Schlüsselereignissen. Bei den Metronomen kann auch die Lebensenergie wieder aufgefrischt werden… seltsam. Die Sprachausgabe ist übrigens in Englisch, Untertitel sind in Deutsch. Die deutsche Übersetzung ist gut, allerdings mit seltsamer Groß/Kleinschreibung. Oder ich habe die letzten Rechtschreibreformen nicht mehr mitbekommen. Ein Spielen mit dem Gamepad ist möglich. Ich habe das Spiel nicht durchgespielt, sondern aufgegeben als ich wieder einmal an einer Stelle aufgrund eines Bugs hängen geblieben bin.

FAZIT

Was haben Layers of Fear, Amnesia, A Song of Horror, Outlast, Remothered: Tormented Fathers, Resident Evil 7 und SOMA gemeinsam? Sie sind allesamt besser als Remothered: Broken Porcelain. Empfehlen kann ich das Spiel nur Fans des Horrorgenres, die absolut ausgehungert nach einem neuen Abenteuer sind und bereits alles andere durchgespielt haben. Es macht Sinn, den (besseren) Vorgänger Tormented Fathers zuerst zu spielen, wer dann noch unbedingt mehr von der Geschichte erfahren will, kann ja mit Broken Porcelain weitermachen. Eine unübersichtliche Kameraperspektive, eine wirre Geschichte, ein eintöniger Handlungsablauf mit dem Öffnen von unzähligen Schubladen oder Kastentüren, ein unnötiges Crafting-System, die eingeschränkte Speichermöglichkeit, und das alles garniert mit vielen Bugs machen Remothered: Broken Porcelain zu einem Spiel, mit dem man nicht unbedingt seine Zeit verschwenden muss. Da gibt es weit Besseres im Genre.

Was ist Remothered: Broken Porcelain? Ein nur sehr mittelmäßig gelungenes Survival-Horror-Spiel.
Plattformen: PC, Nintendo Switch, PlayStation 4, XBox One
Getestet: Verkaufsversion, auf einem PC mit i7-3770, 24 GB RAM, GeForce GTX 1070, 3440×1440 Auflösung, Win 10
Entwickler / Publisher: Stormind Games / Modus Games
Release: 13. Oktober 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 4.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 6 | Handling: 2 | Spieldesign: 4 | Motivation: 4

Passende Beiträge

CHERRY XTRFY K5V2 Gaming-Tastatur im Test

Stellar Blade im Test

No Rest for the Wicked im Test