Until Dawn – TEST

Die Zeit, in der Horror-Games ihren Zenit hatten, ist lange vorbei. Doch aktuell feiern sie so etwas wie ein Comeback. Und das glücklicherweise mit einer Menge Innovationen im Gepäck. Ein gutes Beispiel dafür ist Until Dawn. In seinem Kern ist es keine echte Gameplay-Revolution, doch es bietet einige interessante und durchaus spielenswerte Facetten, die das Genre auch in der zweiten Hälfte von 2015 noch aufwerten können.

Wie schon erwähnt: Until Dawn ist jetzt ganz sicher keine komplette Horror-Revolution. Immerhin ist es am Ende des Tages doch „nur“ eine Art 3rd-Person-Horror-Action-Adventure mit jeder Menge Quick-Time-Events. Nichts also, das man nicht schon diverse Male gesehen hätte. Das soll jetzt aber garnicht so abwertend bei euch, liebe Leser, ankommen, wie es das jetzt vielleicht tat. Immerhin ist Until Dawn ein wirklich gutes 3PHAAmjmQTE (3rd-Person-Horror-Adventure mit jeder Menge Quick-Time-Events). Keines, das das Rad neu erfinden will – aber eines, das ein wirklich sehr rundes hinbekommen hat. Nehmen wir zum Beispiel das Setting: Eine Hand voll junger Amerikaner, die keine ethnische Gruppe vernachlässigen, trifft sich regelmäßig in einer abgelegenen, eingeschneiten Winter-Lodge. Dabei spielen sie sich gegenseitig alle total gern Scherze – einer davon geht aber mächtig schief. Zwei Schwestern verschwinden spurlos. Der zurückgebliebene Bruder ist am Boden zerstört. Dennoch beschließen sie, sich im Jahr darauf wieder in der Lodge zu treffen. Was sie nicht wussten: Der Berg ist verflucht und dunkle Mächte machen schon bald Jagd auf sie – doch das soll nicht ihr einziges Unheil in dieser Nacht der sich jährenden Tragödie der Blackwood Mountain Lodge bleiben. DAM-DAM-DAAAAAAAAAM!!!!

*räusper* OK. Ihr seht jedenfalls: Klassisches Horror-Film-Szenario. Und auch im Laufe des Spiels bedienen sich die Entwickler einiger Elemente bekannter Horror-Filme. Ein wenig SAW hier, ein bisschen SCREAM dort, jede Menge Gewaltdarstellung zum Drüberstreuen … das Rezept geht auf. Die Atmosphäre ist dicht, die Locations sind gut gestaltet und die Charaktere überzeugen mit sehr unterschiedlichen Wesen und interessanten Beziehungen. Dementsprechend kommen auch Elemente wie Liebe, Eifersucht, Verlustangst und andere Dramen nicht zu kurz. „Verlustangst“ ist dabei aber auch schon ein gutes Stichwort, um zu DER großen Besonderheit des Spiels überzuleiten: Die Story geht immer weiter – egal was passiert. Ihr zerstört durch ein paar falsche Aktionen eine zu Beginn noch feurige Romanze? Egal – das Spiel läuft weiter. Ihr erschießt aus „Versehen“ ein unschuldiges Eichhörnchen? Egal – das Spiel läuft weiter. Ihr schafft es nicht rechtzeitig einer Freundin zu Hilfe zu eilen, wodurch ihr der Kiefer ausgerissen wird? Egal – das Spiel läuft weiter. Ihr rutscht ab, stürzt 20 Meter in die Tiefe und brecht euch das Genick. Ratet mal: das Spiel läuft weiter. Ob beim Laufen der End-Credits (ich sah diese nach rund sieben Stunden zum ersten Mal) also noch alle aus der Gruppe am Leben sind oder auch nicht, ist ziemlich „egal“. Die Story wird weiterlaufen. Das verschafft dem Titel natürlich eine anständige Dosis Wiederspielwert – nicht unbedingt üblich für ein 3PHAAmjmQTE. Zumal die unterschiedlichen Story-Verläufe (die Entwickler betonen im Spiel selbst immer wieder gerne das Konzept des Butterfly-Effects) wirklich ziemlich stark voneinander abweichen. Klar – die große Grund-Handlung bleibt immer gleich. Doch wie sich das ganze entfaltet – und vor allem: wie die Beziehungen zwischen den Charakteren sich entwickeln – kann sich ziemlich gravierend verändern. Ziemlich cool!

Trip ins Uncanny Valley

Rein technisch liefert das Spiel auch eine gute Figur ab – auch wenn die Grafik mich nicht wirklich vom Hocker gehauen hat. Die Licht-Effekte und Schattenwürfe sind gut, ebenso so manche atmosphärischen Effekte. Doch die Umgebungen und vor allem die Charaktere haben gemischte Gefühle in mir ausgelöst. Weder das eine noch das andere ist schlecht, aber eben nicht „großartig“. Bei den Charakteren liegt das aber wohl vor allem daran, dass man echte Schauspieler eingebaut hat. Drei davon kannte ich: Rami Malek als Josh Washington, Hayden Panettiere als Sam und Peter Stormare als Dr. Hill – ein gruseliger Psychiater, der in erst irritierenden, sich dann aber großartig in die Story einfügenden Zwischenszenen Sitzungen mit dem Spieler (so denkt man zuerst) abhält. Gerade er setzt allerdings – in der Realität ehrlicherweise genauso wie im Spiel – auf sehr viel, teilweise auch sehr übertriebene Mimik. Nun wurden die Gesichter und deren Bewegungen weithin sehr gut eingefangen, aber eben nicht perfekt. Oft hat man den Eindruck, dass die Entwickler einfach zu stolz auf die erbrachte Leistung der Mimik-Darstellung waren – was sie leider dazu veranlasst hat sie viel zu viel einzusetzen. Dadurch „overacten“ alle Charaktere im Grunde ständig. Das irritiert und nervt irgendwie gleichzeitig. Schade.

FAZIT

Until Dawn ist nicht perfekt. Die Kritikpunkte, die ich fand, sind aber ehrlicherweise alle auf sehr hohem Niveau. Die Grafik ist OK, der Sound toll, die Atmosphäre dicht und die Story wirklich gut – jede der unzähligen Versionen davon, was sogar etwas Wiederspielwert mitbringt. Sehr unüblich für ein 3PHAAmjmQTE – und sehr erfreulich. Unterm Strich in meinen Augen sicher kein Pflichtkauf für PS4-Spieler, aber eine mehr als würdige Ergänzung für die eigene Sammlung, wenn man sich mal wieder bereit für ein gutes Horror-Game fühlt.

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

Passende Beiträge

Cyber Manhunt 2 : New World im Early Access Test

CHERRY XTRFY K5V2 Gaming-Tastatur im Test

Stellar Blade im Test