World of Warcraft: Battle for Azeroth im Test

Alte Zwerge rosten nicht. In der mittlerweile siebten Erweiterung möchte sich Blizzard auf den uralten Konflikt zwischen Allianz und Horde besinnen. Die Konfrontation der beiden Völker bringt wie gewohnt neue Inhalte in Form von Quests, Dungeons und später auch Raids mit sich. Aber kann das MMORPG-Urgestein nach fast 14 Jahren nach wie vor überzeugen? Und warum müssen Banshees immer so hasserfüllt sein?

Legendär besiegte Legion

Mit dem Ende des vorherigen Add-ons besiegten die Völker durch vorbildliche Zusammenarbeit die Legion und deren Anführer Sargeras, doch nicht ohne Nachwirkungen: In einer gewohnt spektakulären In-game-Videosequenz reißt der gefallene Titan eine Wunde in den Körper von Azeroth, der zeitgleich Planet und schlafender Titan ist. Das austretende Blut wird Azerit genannt und fungiert von nun an als Ressource, um den Nachfolger der Artefaktwaffe, das Herz von Azeroth, kontinuierlich zu verstärken. Im Gegensatz zu den sagenhaften Knüppeln dient die Halskette jedoch dazu, versteckte Fähigkeiten anderer Rüstungsteile auf Kopf, Brust und Schultern freizuschalten. Veteranen wissen bereits, was das bedeutet: Grinden, grinden, grinden.

Mit der Geschichte des Pre-Events, in der Sylvanas scheinbar ohne Not den Weltenbaum Teldrassil zerstörte, verstanden es die blauen Jungs sehr geschickt, die Community zu spalten. So schufen sie die perfekte Grundlage für eine Erweiterung, die von dem bevorstehendem Krieg handeln soll. Um in der nun unausweichlichen Auseinandersetzung die Oberhand zu gewinnen, suchen sowohl Horde als auch Allianz Verbündete außerhalb der alten Kontinente. Erstmals in der Geschichte von World of Warcraft gibt es in Battle for Azeroth einen separaten Geschichtsstrang für jede Fraktion. Die Horde macht sich nach Zandalar zu den Trollen auf, während die Allianz die Piraten aus Kul Tiras zur kriegerischen Mitarbeit bewegen möchte.

Brennende Goblins jonglieren? Warum nicht!

Wenig neu macht der August

Mittlerweile arbeitet Blizzard ebenso gerne mit Videosequenzen, um eine bessere Präsentation der Inhalte zum Besten geben zu können. Wenngleich es noch immer keinerlei Vertonung der einzelnen Aufgaben gibt. Die Quests beider Seiten fügen sich aber nahtlos in den generellen Durchschnitt von World of Warcraft ein, wobei die ohnehin schon gute Inszenierung noch ein wenig gesteigert wurde. Wie üblich gibt es immer wieder positive Ausreißer, etwa wenn unser Charakter vor einem Galgen versammelte Dorfbewohner von der Unschuld einer Hexe überzeugen muss. Der Fokus beim Level-Aufstieg liegt aber offensichtlich auf Töten, denn meistens muss jemand oder etwas zur Strecke gebracht werden.

Meine riesige Axt sagt: Diese Frau ist keine Hexe.

Welche Seite die interessanteren Geschichte und Gebiete bietet, ist reine Geschmackssacke, doch objektiv betrachtet dürfte die Allianz hier ein wenig die Nase vorn haben, denn bei den Bluttrollen wirken viele Aufträge repetitiv und eintönig (Blutkugeln zerstören!). Zusätzlich sind die Gebiete zwar nett anzusehen, aber aus ästhetischen Gesichtspunkten nicht sonderlich abwechslungsreich, denn während Anhänger der Horde sich durch Dschungel (zugegeben, mit Dinosauriern) schlagen oder eine Wüste durchqueren, bekommt die Allianz ein Spektrum von prächtigen Bergen über grüne Tälern bis hin zu düsteren Hexengeschichten geboten. In Drustvar erinnert die Atmosphäre gerne mal an den Klassiker Blair Witch Project. Zusätzlich reißen einen die Emotionen auf Allianzseite eher mit, da sich die Geschichte um die altbekannte und groß aufgebaute Jaina Prachtmeer dreht. Auf Hordeseite fehlt ein etablierter Charakter beinahe gänzlich – selbst wenn erfrischend neue, wie etwa Bwonsamdi, eingeführt werden. Aufgrund der divergenten Stränge bietet es sich aber ohnehin an, auf beiden Seiten den Lieblingscharakter auf Level 120 zu bringen.

Sagt der Dino zum Troll

Was machst du beruflich?

Die Jobs wurden bereits kurz vor der Erweiterung angepasst, wodurch Spieler nun sofort mit ihrem Beruf durchstarten können. Die früher insgesamt 800 notwendigen Punkte wurden nun segmentiert. Um aufzuleveln benötigen Handwerker jetzt nur mehr Ressourcen aus dem jeweiligen Add-on, aber nicht mehr aus dem vorherigen. Somit können Neulinge ebenso schnell mit den Berufen in Battle for Azeroth starten, ohne sich vorher mühsam durch die gesamte Welt arbeiten zu müssen. Zugleich werden pro Erweiterung jeweils nun nur mehr 100 Punkte benötigt, um die entsprechende Beschäftigung auf den Maximalwert zu steigern. Dennoch erhöht sich die benötigte Menge an seltenen Materialien für die zu ergatternden Punkte früher eher denn später, was ein wenig an Streckung erinnert. Bei den Sammelberufen können eifrige Kollektoren wieder mehrere Level aufsteigen, um noch mehr Materialien aus ihrem Werk zu ziehen und effizienter zu arbeiten.

Zusätzlich gibt es nun den Schrott-o-mat 1000, in welchem sich Gegenstände zu Kleinholz verarbeiten lassen. Dadurch erhält der Verschrotter einen Teil der Bestandsmaterialien zurück. Darüber hinaus kommt eine neue Ressource ins Spiel: Expulsom. Dieses wird für die Herstellung von besseren Gegenständen in nicht zu vernachlässigenden Mengen benötigt. So erhalten Spieler eine zufällige Menge an diesem Material, die dann bei der Herstellung von Gegenständen mit zufälligen Werten benötigt wird. Hier beweisen Blizzard wieder ihre Liebe zum Zufallsgenerator, den beeinflussen lässt sich das Glück natürlich nicht.

Sehenswerte Szenerie

Suche Gruppe, biete Kloppe

Die neuen Instanzen gliedern sich ebenfalls nahtlos in die erzählten Geschichten ein und bieten wieder gute Möglichkeiten, sich bessere Ausrüstung zu erspielen. Zudem gibt es erfrischend neue Mechaniken, die öfter mal verlangen, nicht stur auf den Gegner zu knüppeln. Immer wieder wird Bewegung erfordert, beispielsweise muss bei einem Event ein eingeöltes Schwein von der Gruppe gefangen werden, bevor diese zum Boss weiter darf. Diese kleinen Vorkommnisse bieten kurzfristig Abwechslung, im Großen und Ganzen gibt es aber bisher keine bahnbrechenden Neuerungen.

Ganz frisch sind jedoch die implementierten Inselexpeditionen. Ähnlich wie bei Dungeons melden wir uns hier in Gruppen aus drei Spielern an, die zusammen auf eine instanzierte Insel geschifft werden. Auf dieser müssen so schnell wie möglich 6000 Azerit gesammelt werden, was durch das Töten von NPCs oder simples Aufsammeln passiert. Dabei tritt unser Team gegen ein Team der anderen Fraktion an. Im PvE-Modus besteht dieses Team aus computergesteuerten Gegnern, im PvP-Modus aus realen Mitspielern. Obwohl die meiste Zeit gegen seelenlose Computergegner gekämpft wird, kommt die fraktionsübergreifende Klopperei nicht zu kurz. Mit erfolgreichem Bestreiten sammelt unser Charakter Azeritmacht für das Herz, Gegenstände für Inselexpeditionen wie Verbände, und Ruftokens, die eingetauscht werden können. Insgesamt stehen zwölf Inseln zur Verfügung, die wöchentlich rotieren, sowie eine wöchentliche Quest, die nochmal extra Azeritmacht bringt. Eine durchaus spaßige Ergänzung zum WoW-Alltag, wobei die Langzeitmotivation sich erst beweisen muss.

Potentielle Bossgegner

Besonders gespannt ist die Spielerschaft auf den im September verfügbaren Kriegsfront-Modus. In diesem arbeiten bis zu 20 Spieler gemeinsam daran, eine riesige Schlacht zugunsten ihrer Fraktion zu entscheiden. Indem man die Rolle eines Leutnant einnimmt, müssen –  ganz ähnlich wie in Warcraft III – zu Beginn Ressourcen gesammelt und Gebäude, wie etwa der Altar der Stürme, errichtet werden. Danach zieht das Team gegen NPCs in die Schlacht und versucht, verschiedene Basen einzunehmen und spezielle Gegner zu töten. Feinde der anderen Gegnergruppe können aber nicht direkt bekämpft werden. Als Belohnung winken typisch Reittiere, transmogrifizierbare Ausstattung und mehr.

Hit me baby one more time

Kurz vor dem Start der neuen Erweiterung wurde mit dem Vorbereitungspatch der PvP-Modus eingeführt, wodurch die Unterteilung der Server in PvE und PvP Geschichte ist. Der Modus kann in der jeweiligen Hauptstadt aktiviert werden und entspricht dem Spieler-gegen-Spieler-Flag aus früheren Zeiten. Doch nun gibt es für das Erfüllen von Quests mit aktiviertem Modus 10% mehr Erfahrung und ebenso Eroberungspunkte. Außerdem hat jeder Spieler bis zu vier Zusatztalente, die festgelegt und in diesem Modus genutzt werden können. In der offenen Welt treffen wir somit nur mehr auf Spieler, die ebenfalls andere Spieler verhauen wollen. Ausnahmen bilden die Hauptstädte. Sollte man hier auf einen Gegner treffen, darf dessen Frisur so oder so überarbeitet werden. Wer im offenen Spieler-gegen-Spieler-Bereich übrigens in kurzer Zeit mehrere Feinde bei Bwonsamdi, seines Zeichens Loa des Todes, vorstellig macht, auf den wird ein Kopfgeld ausgestellt. Dieses wird für alle Spieler auf der Karte angezeigt. Zwar erhält der Killer einen Buff, trotzdem wird er sich gegen eine Übermacht nicht allzu lange erwehren können.

Pandaria grüßt ein wenig

Zudem sollen später (natürlich zufällig) Kisten abgeworfen werden, die besonders starke Gegenstände enthalten und die den Krieg noch mehr befeuern sollen – Battle Royal lässt grüßen. Alles zusammen führt meist schneller zu einer zünftigen Massenschlägerei, als wenn durstigen Zwergen Bier verweigert wird. Muss es aber nicht. Vor allem zu Beginn wollten die meisten ohne großes Brimborium Stufe 120 erreichen. Um dann in Ruhe Jagd auf niedrigstufe Charaktere zu machen. Schließlich heißt es ja nicht „Fair PvP“. Insgesamt spielt sich das Paket aber sehr rund und das Open PvP fügt sich thematisch wunderbar in die Erweiterung ein. Weiters sollen sich später die alten Schlachtfelder Tol Barad und Tausendwinter wieder in der spielbaren Schlachtfeld-Liste einfinden, was noch mehr Abwechslung verspricht.

FAZIT: Ein Potpourri aus Aktivitäten, in dem jeder seinen Spaß suchen muss

Nichts in Battle for Azeroth ist revolutionär neu; die Mechaniken sind seit jeher dieselben, sie werden immer nur neu verpackt. Die Geschichte ist kein unvergleichliches Meisterwerk, dazu gibt es zu viele lose Enden, Paralleluniversen und Stückwerk. Blizzard macht mit Battle for Azeroth einfach das, was sie immer schon gemacht haben – und das macht unbestritten Spaß. World of Warcraft erinnert frappierend an George Clooney: Es sieht schon lange älter aus, aber es altert seitdem um keinen Tag. Und es zeigt jedes Mal aufs Neue, wie unterhaltsam es sein kann, ganz egal, wie viele Jahre es zählt.

Ob die Jagd nach Gegenständen, einem höheren Rang, einem neuen Reittier oder einem stilsicheren Transmogrifizier-Teil den Spieler einen Monat oder zwölf Monate lang fesselt, ist wohl individuell. Alles ist möglich. Das Angebot an Tätigkeiten ist mittlerweile unglaublich groß und dennoch ist es kein Spiel für jedermann. Wem die Item-Hatz nicht zusagt, der wird nach Beendigung der Story eher weniger Freude mit dem Spiel haben. Wem Quest-Texte lesen und in der Welt versinken zu wenig ist, der wird wohl auch nicht damit glücklich. Abseits vom Nostalgiefaktor zeigt World of Warcraft: Battle for Azeroth aber vor allem wieder die größte Stärke des Spiels: Beständigkeit. Kontinuierlich spielbare Erweiterungen anzubieten ist nämlich keine Selbstverständlichkeit. Ob das ausreichend ist, kann jeder nur für sich selbst beantworten. Dessen ungeachtet, sollte jeder Gamer World of Warcraft einmal in seinem Leben ausprobieren, denn immerhin war es schon das Flaggschiff der Branche, bevor Piraten ins Spiel kamen.

Was ist World of Warcraft: Battle for Azeroth? Siebte Auflage des MMORPG-Urgesteins mit Fokus auf Konflikt zwischen den Fraktionen
Plattformen: PC
Getestet: Auf PC Intel Core i5-4590, 8GB RAM, GeForce GTX 960
Entwickler / Publisher: Blizzard Entertainment
Release: 14. August 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 6.8

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 6

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