Nioh 2 im Test

Geduld, so sprachen einst die Gelehrten, sei eine Tugend. Sie führt deine Klinge, beherrscht deinen Atem, leitet jeden einzelnen deiner Schritte. Sie ist der dünne Schleier zwischen Sieg und Niederlage. Die Essenz des Triumphes im Scheitern. Nur jene, welche über die Kraft verfügen, geduldig über den Pfad aus Kadaver seiner Selbst zu wandeln und einen verlorenen Kampf als wohltuende Lehrstunde zu akzeptieren, haben eine Chance Meister des Ki zu werden und dadurch Dunkelheit und Verfall Einhalt zu gebieten. Ignoriere deinen Zorn, ersticke deine Verzweiflung, umarme deinen Schmerz und lass den Dämonen in dir deine Feinde zerreißen.

Nioh 2 erzählt von den Ereignissen, die sich etwa 50 Jahre vor den Geschehnissen seines Vorgängers, ereignet haben. Das Land ist vom Dunkel überzogen. Finstere Wesen, die dämonenhaften Yokai, terrorisieren die wehrlosen Bürger. Lügen, Angst und Gewalt regieren die Straßen von Dörfern und Städten. Flammen laben sich an den Wäldern, deformierte Kinderwesen an den Eingeweiden hilfloser Menschen. Es liegt an euch, edler Samurai, die Unschuldigen zu retten, die Finsternis mit der Macht eures Ki zu verjagen und wieder Hoffnung in die Herzen der Verzweifelten zu tragen. Ihr, der ihr selbst eine unreine Existenz führt, als Mischling aus Mensch und Yokai; werdet den Dämonen mit der Kraft verlorener Schlachten zeigen, was es bedeutet; Angst zu fühlen.

Der Tanz des Dämonen

Nioh 2 startet mit einem schicken Intro und konfrontiert uns unmittelbar danach mit einer seiner größten Neuerungen: Anders als in seinem Vorgänger, schlüpfen wir nicht in die Haut einer vorgefertigten Figur, sondern dürfen uns unseren Avatar für die Fantasy-Welt selbst bauen. Hierzu steht uns ein recht umfangreicher Editor zur Verfügung. So stellt uns dieser ein immens umfangreiches Repertoire an Gesichtsoptionen, Frisuren und Details zur Verfügung. Sogar das Festlegen verschiedenfarbiger Augen ist möglich. Haben wir uns für ein menschliches Antlitz entschieden, können wir auch unsere Yokai Form festlegen. Denn unser Recke ist in der Lage, unter bestimmten Voraussetzungen, eine dämonische Form anzuwenden. Die Art unseres Yokai hängt vom Schutzgeist ab, den wir auswählen. Es gibt drei verschiedene davon: Einen Wolf, einen Vogel und einen Hai. Jeder davon steht für einen eigenen Schwerpunkt im Kampf und verkörpert ein Element. Der Wolf steht für physische Kraft und Feuer. Der Vogel ist Schnelligkeit und Luft. Der Hai, als Wesen des Wassers, ist die Manifestation von Magie und Fernkampf.

Da mir Schutz und Angriffskraft sehr wichtig sind, entschied ich mich für den Wolf und die dadurch resultierende Form des Brutes. Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich hier um einen wahrhaftigen Berg aus Muskeln und Feuer. Genau das Richtige für mich! Die Yokai-Form lässt uns diverse Spezial-Moves durchführen. So kann man als Brute die teils verheerenden Angriffe der Gegner kontern. Fatale Schläge von Seiten des Feindes kündigen sich mit einem roten Schimmer an. Legen wir gutes Timing an den Tag und Kontern den Schlag des Feindes im richtigen Moment, können wir unseren Widersacher zum Wanken bringen und so besonders zerstörerische Treffer landen.

Dank unseres dämonischen Naturells, gesellt sich daher zur Gesundheits- und Ki- bzw. Ausdaueranzeige auch eine Anima-Leiste mit sich. Anima ist die Ressource, von der unsere Yokai-Kräfte zehren. Diese füllt sich indem wir Kontrahenten töten, gekonnt ausweichen und durch gutes Timing unser Ki wiederherstellen.

Der Weg des Samurai

Wie sein Vorgänger ist Nioh 2 ein sogenanntes Souls-like. Ist jedoch in manchen Aspekten um einiges dynamischer und brachialer als seine diversen Genre-Kollegen. Ausdruck dessen ist das Ki- System. Ki stellt in Nioh 2 die Ausdauer dar, nimmt jedoch auch in der Handlung einen wichtigen Part ein. Bei Ki handelt es sich um eine spirituelle Energie, welche in der Lage ist das Dämonenreich der Yokai zu vertreiben. Lassen wir im Kampf Kombos vom Stapel, weichen aus oder sprinten, verbrauchen wir dabei Ki. Jedoch gibt es ein kurzes Zeitfenster, in dem wir durch pointiertes Betätigen der R1-Taste, sämtliches verbrauchtes Ki wieder herstellen können. Ich persönlich brauchte ein wenig, bis ich das System mit seinen Kniffen im Blut hatte, aber sobald dies passierte, vollführte ich anmutige Klingentänze.

Doch keine Sorge! Trotz des höheren Tempos ist Nioh 2 immer noch ein brutal schweres Game. Jeder Gegner, egal wie groß oder klein, bietet tödliches Potential. Die Schaaren der Yokai werfen uns ein wahres Arsenal an Möglichkeiten ins Gras zu beißen vor die Füße. Wir werden verbrannt, vergiftet, zerrissen, gebissen und erschlagen. Werden wir nicht von einer Kreatur getötet, tut dies die Umgebung oder die manchmal schlecht platzierte Kamera. Denn so sehr mir die Gefechte in Nioh 2 auch gefallen haben, weisen sie leider auch eine bittere Macke auf: der Schauplatz der Auseinandersetzungen ist oft zu klein bemessen! Dieses Faktum hat mir leider oft das Genick gebrochen und den einen oder anderen, nicht selbst verschuldeten, Tod beschert. Zum Beispiel: Ich treffe in einem Dorf auf einen Affen-Dämon, dieser ist mit einem Speer ausgerüstet und daher in der Lage großflächige Angriffe auszuführen. Der Kampf findet jedoch an einem sehr engen und kleinen Platz, zwischen mehreren Häusern, statt. Vernünftiges Ausweichen, ist da leider kaum möglich und dank der nicht immer optimalen Kameraposition, kam es durchaus vor, dass ich an einem zuvor nicht gesehenen Hindernis hängen blieb und meine gesammelten Punkte verschwinden sah.

Damit wir den monströsen Bösewichten Herr werden, sammeln wir in Nioh 2 durch töten der Feinde Erfahrung. Diese kann an speziellen Schreinen zur Weiterentwicklung des Charakters verwendet werden. Sterben wir, so lassen wir gesammelte Erfahrung liegen. Beißen wir danach nochmals in´s satte Grün, verschwindet sie endgültig. Soweit, so bekannt! Hilfe können wir uns auch im Multiplayer von Nioh 2 checken. So lassen sich Kameraden beschwören die uns im Kampf unterstützen oder die Geister von gefallenen Spielern erwecken, um im Kampf gegeneinander, wertvolle Ausrüstung zu ergattern. Manche besiegte Yokai droppen auch Herzen. Mit diesen können wir neue Yokai-Kräfte ausrüsten.

Wunderschöne Fantasy-Welt

Wie bereits sein Vorgänger, spielt Nioh 2 in einer durch japanische Folklore inspirierte, High-Fantasy-Welt. Darauf basierend zaubert der Entwickler, Team Ninja, atemberaubende Landschaften, erstklassiges Kreaturendesign und eine bemerkenswert dichte Atmosphäre. In seinem Level-Design unterscheidet sich Nioh 2 von anderen Spielen seiner Art. Denn es verfügt nicht über eine große zusammenhängende Welt, sondern unterteilt sich in einzelne Missionen. Zwar sind auch diese sehr verwinkelt und es gibt zahlreiche Geheimnisse zu entdecken, doch ist es vom Spielgefühl anders, als zum Beispiel Dark Souls. Doch dies stellt in keinster Weise einen Kritikpunkt dar.

Untermalt wird die ansprechende Optik von einem erstklassigen Score, der mich gelegentlich an jenen von The Witcher 3 erinnerte.

FAZIT

Nioh 2 mag auf den ersten Blick nur wenige Verbesserungen im Vergleich zum Erstling bieten. Beim zweiten Blick bestätigt sich dieser Eindruck, doch sind die wenigen vorgenommenen Änderungen, konsequente und sehr gute Weiterentwicklungen des Grundprinzips und sichert Nioh 2 ein wohl verdientes Alleinstellungsmerkmal im Genre der Souls-like Games. Es ist bei Weitem das dynamischste seiner Art und reicher an Action ohne dabei seine grundlegende Natur zu vergessen. Jeder Gegner ist tödlich und verlangt auch bei erhöhtem Tempo im Gameplay überlegtes und gezieltes Vorgehen. Nervig empfand ich gelegentlich die Gestaltung der Kampfschauplätze gegen Bosse, da diese immer wieder sehr eng ausfielen und dadurch Ausweichen bei Flächenangriffen zum Geduldsspiel und damit Ursache für so manchen unnötigen Bildschirmtod wurden. Doch das ist nur ein kleiner Kratzer im Lack von Nioh 2. Jedem Moment, in dem ich frustriert vor mich hin fluchte, standen mindestens zehn Momente gegenüber, in denen ich mir triumphierend an die Brust schlug, weil ich einen anfangs einschüchternden Gegner endlich besiegt hatte, oder meine Augen beim grandiosen Artwork zu strahlen begannen. Nioh 2 ist anders als seine Vorbilder, muss sich aber vor keinem verstecken und kann sich mit Stolz ein Souls-like nennen!

Was ist Nioh 2? Ein rasantes Souls-like im Geiste von Dark Souls.
Plattformen: PS4
Entwickler / Publisher: Team Ninja/Sony Interactive Entertainment
Release: 13. März 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

Passende Beiträge

Cyber Manhunt 2 : New World im Early Access Test

CHERRY XTRFY K5V2 Gaming-Tastatur im Test

Stellar Blade im Test