Die Herbstferien waren für mich die ideale Zeit, wieder ein paar neue Indie-Spiele auf Steam anzugehen, für die während der normalen Arbeitswochen oft leider viel zu wenig Zeit bleibt. Ich bin während der letzten Tage bei vier vollkommen unterschiedlichen Spielen hängengeblieben, die alle aus ganz anderen Genres stammen, mir aber unheimlich viel Spaß gemacht haben.
Allen voran war da Jusant von den französischen Entwicklern Don’t Nod, die mit Life is Strange groß geworden sind, aber in letzter Zeit recht innovative neue Games herausbringen. Jusant ist vor allem eine Klettersimulation, erinnert hat es mich visuell an das Erstlingswerk Remember Me. Dann habe ich mit Iron Marines Invasion endlich wieder ein Echtzeitstrategie-Spiel am Rechner gehabt, das von dem erfahrenen uruguayischen Entwickler Ironhide Studios stammt. Mit Scathe ist ein geistig wenig anspruchsvoller, aber grafisch hervorragender und überaus brutaler Shooter (offensichtlich von Spielen wie Doom oder Quake abgekupfert) erschienen. Und mit Pile Up! habe ich schließlich dann noch ein paar Stunden zu viel mit einem simplen Puzzlespiel verbracht, dass einen gewissen Suchtfaktor erzeugen kann, wenn man sich erst einmal darauf einlässt.
Jusant
Die Sonne brennt auf das ausgetrocknete Meer, Schiffwracks bedecken den Boden, während wir uns langsam zu einem Berg begeben. Oder ist es mehr ein riesiger Felsen, der vor uns in die Höhe ragt? Wir nehmen unsere futuristische Sonnenbrille ab und beginnen mit dem Aufstieg. Nicht unrealistisch schnell wie in Assassin’s Creed, sondern wir bewegen den linken Arm, halten uns fest, ziehen uns hoch, packen mit dem rechten Arm zu und ziehen uns hoch. Wir müssen Vorsprünge suchen und die Richtung vorgeben. Kleine Stellen ohne einen Halt können wir mit einem Sprung überwinden. Wir verbrauchen beim Klettern Stamina, sobald uns die Kraft ausgeht, können wir in der Wand eine kurze Pause machen und uns ein wenig erholen. Wir verwenden ein Sicherungsseil, sollten wir abstürzen hängen wir im Seil. Oder wir stürzen nur wenige Meter ab und erleiden dadurch keine Verletzungen, unser junger Körper hält scheinbar einiges aus. Oft müssen wir den Karabiner auch während dem Klettern in neuen Sicherungspunkten befestigen, und sobald wir einen Vorsprung erreichen muss unser Seil nachgeholt werden. Wir können das Seil auch benutzen, um uns daran abzuseilen oder um uns an ihm zu schwingen und so neue Bereiche zu erreichen. Bald müssen wir auch Überhang klettern. Das alles schaut fast realistisch aus und spielt sich wie eine reine Klettersimulation.
Der Hügel, auf den wir klettern, war offensichtlich früher von Menschen bewohnt. Überall leicht verfallene Gerüste, Leitern oder andere Gegenstände. Wir können herumliegende Briefe und Notizen lesen oder an Meereschmuscheln lauschen, wodurch wir die Umgebung gezeigt bekommen. Abgesehen von kleineren Tieren oder Vögeln sehen wir aber keine andere Person. Wo sind denn all die Menschen hin verschwunden? Es wird bald schwieriger, den richtigen Weg zu finden, und wir müssen uns öfters schwingen oder sogar einfache Doppelsprünge machen, um weiterzukommen. Optische Hinweise an der Wand weisen uns den Weg, falls wir sie entdecken. An unserem Rücken baumelt ein Rucksack mit unserem Haustier, einem kleinen blauen Blob. Der zeigt uns den Weg, wenn wir nicht weiterkommen. Er hilft uns auch, die Vegetation wieder zu beleben, was manchmal zum Vorankommen notwendig ist. Wir entdecken seltsame Mechanismen, klettern an phantastischen Pflanzen und erforschen immer mehr von der verfallenen Welt, während wir immer höher hinauf klettern. Jusant ist ein Spiel für Leute, die gerne klettern und dabei in entspannter Atmosphäre eine unbekannte Welt erforschen wollen. Ein Gamepad wird dafür empfohlen.
Iron Marines Invasion
Iron Marines Invasion ist ein Echtzeit-Strategiespiel, das ein wenig an die Infanterie-Missionen von Command & Conquer erinnert. Es ist auch ein Titel, der zeitgleich für PC und Android/iOS erschienen ist, aber bei der aktuellen Flaute an brauchbaren Echtzeit-Strategiespielen habe ich keine allzu große Auswahl. Es gibt keine Mikrotransaktionen in der PC-Fassung, und außerdem war der Vorgänger Iron Marines schon ziemlich gut gemacht. Man erkennt eigentlich nur an den relativ kleinen Schlachten, dass es sich hier wohl um ein Handyspiel handelt. Viele der Missionen sind in gut 10 Minuten absolviert, zumindest am einfachen Schwierigkeitsgrad. Ihr steuert einen Helden und könnt mehrere Trupps produzieren oder per Spezialfähigeit in die Schlacht bringen. Oft findet ihr auch Truppen in den Levels. Entweder sind das eure Soldaten, die ihr befreien könnt, oder es sind Einheimische, die sich euch anschließen.
Die Kämpfe funktionieren nach dem gewohnten Schere-Stein-Papier-Prinzip. Damit ist gemeint, dass eine Kampfeinheit einigen gegnerischen Einheiten überlegen ist, anderen hingegen unterlegen, ohne dass diese generell zu schwach oder zu stark wären. Höhenunterschiede sind relevant, ihr könnt Gegner auf erhöhten Positionen oft nicht sehen oder bekämpfen, während diese unentwegt auf euch feuern. Gebäude werden erobert, indem ihr die Gegend von Feinden säubert, ähnlich wie Kontrollpunkte in Company of Heroes/Dawn of War. In der Kampagne fliegt ihr von Planet zu Planet und kämpft daher in unterschiedlichen Biomen, von Eisplaneten zum Dschungel zu beispielsweise einem aktiven Vulkan. Ihr habt 30 unterschiedliche Einheiten zur Auswahl, die im Laufe des Spieles freigeschalten werden. Eure Helden (auch hier werden neue Helden freigeschalten, insgesamt gibt es neun) verfügen über Spezialfähigkeiten, die im Kampf helfen. Zwischen den Kämpfen könnt ihr die Grundwerte eurer Helden erhöhen. Dazu gibt es im Tech Lab generelle Upgrades zu kaufen, die eure Truppen oder Gebäude verbessern. Dafür braucht ihr natürlich Ressourcen, die ihr am Ende von erfolgreichen Missionen bekommt. Um möglichst viele Upgrades kaufen zu können, gibt es neben der Hauptkampagne auch Nebenmissionen, die ihr absolvieren könnt um Ressourcen zu sammeln. Insgesamt ein spaßiges kleines Spiel – natürlich nicht auf dem Niveau eines richtigen Command & Conquer, aber durchaus spaßig für zwischendurch. Die Grafik ist auch ganz ordentlich, es wird sogar 4K unterstützt.
Scathe
Das Abschlachten von Dämonen ist euer Ding? Ihr liebt das schnelle, brutale FPS-Gameplay der 90er Jahre, das in den letzten Jahren mit den so genannten Boomer-Shootern (Amid Evil, Dusk, Iron Fury, Wrath: Aoen of Ruin und viele mehr) eine Wiederauferstehung erlebt hat? Ihr wollt eine bessere, detailliertere Grafik als die meisten Boomer-Shooter zu bieten haben? Dann könnte das eben nach rund einem Jahr Early Acess in der finalen Fassung erschienene Scathe (trotz seinen Schwachstellen) was für euch sein. Scathe versucht, wie das alte Doom (oder seine vielen Klone) zu sein, nur in einem modernen Gewand. Man kann es mit Maus und Tastatur (in diesem Fall wahrscheinlich die bessere Wahl) oder mit dem Gamepad spielen, oder es in Full HD oder sogar in 4K bewundern (zumindest wenn ihr in eine leistungsstarke GPU investiert habt).
Umkreist und tötet Dämonen, die am Boden oder in der Luft um euch herumschwirren. Verwendet verschiedene Waffen, aber vermeidet es, von ihren Kugeln getroffen zu werden (die ihr glücklicherweise wie in den Klassikern relativ langsam auf euch zufliegen seht) oder im Nahkampf auseinandergerissen zu werden. Die Feinde scheinen überall um euch herum zu spawnen, sogar hinter euch, und explodieren in einem blutigen Durcheinander, wenn ihr sie trefft. Meistens muss sich euer Held das ganze Blut aus dem Gesicht wischen, um etwas zu sehen. Die Grafik ist gut, die Geräusche der Dämonen und der Waffen sind in Ordnung. Es liegen Munitionspacks herum, aber man muss die richtige Waffe halten, um sie einzusammeln… was die meisten von ihnen nutzlos macht. Gesundheitspakete sind selten. Man beginnt mit 10 Leben, wenn man stirbt, kann man einfach dort weitermachen, wo man gestorben ist… bis alle Leben aufgebraucht sind. Die Sprache zu ändern ist nicht möglich, nicht einmal außerhalb des Spiels in den Steam-Eigenschaften. Absolut inakzeptabel für ein neues Spiel. Die Sprachausgabe ist nur Englisch. Wenigstens kann man das Kopfwackeln abschalten. Das Gameplay ist flüssig, und es hat einen gewissen Charme, wie verrückt durch die Gegend zu rennen/springen und Horden von Dämonen zu einem blutigen Brei zu schießen. Doom Eternal ist wohl besser, aber ich habe auch meinen Spaß am Erledigen von Horden von Dämonen in diesem schnellen und brutalen Boomer-Shooter gehabt.
Pile Up!
Pile Up! Above the Clouds ist ein rundenbasiertes Knobelspiel zur Entspannung. Eurer Ziel ist es, eine kleine Insel zu besiedeln. Je mehr Einwohner, desto besser. Dazu baut ihr Häuser auf der winzigen Grundfläche. Fabriken produzieren jede Runde neue Häuser, die dann platziert werden müssen. Eure Aufgabe ist es, jede Runde alle vorhandenen Gebäude auf der Insel unterzubringen. Die Bewohner unserer Häuser haben Bedürfnisse, die über den Häusern in kleinen Blasen angezeigt werden. Diese sollten wir erfüllen, um sie glücklich zu halten. Ihr könnt die Kamera frei um eure kleine Insel herum bewegen und eure Stadt aus allen Seiten in Ruhe betrachten. Auch der Blick direkt von oben ist möglich. Ihr platziert Häuser, Fabriken und spezielle Gebäude. Nachdem die Grundfläche sehr rasch mit Gebäuden bedeckt ist, werden die neuen Gebäude aufeinander gestapelt und eure Insel in die Höhe besiedelt. Dabei kann eine enorme Höhe erreicht werden, dagegen war der Turmbau von Babel ja gar nichts. Das ist zwar physikalisch nicht korrekt, schaut aber ziemlich gut aus. Achtet dabei darauf, die Bewohner der Häuser glücklich zu halten, sonst beendet eine soziale Krise nämlich eurer Spiel. Unterschiedliche Gebäude beeinflussen sich auf verschiedene Art gegenseitig.
Pile Up! ist ein kleines Aufbau- bzw. Knobelspiel, um euch auf entspannende Weise ein wenig Zeit zu vertreiben. Platziert Gebäude und schaut eurer Stadt beim rundenweisen Wachsen zu. Die Grafik ist gut gemacht, die Benutzerführung geht flott von der Hand, und die wie in der Entspannungssauna klingende Musik kann zum Glück in den Einstellungen einfach ausgeschalten werden.