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Planetary Annihilation Test

Endlich wieder Echtzeitstrategie! Noch dazu von den Entwicklern der Genreklassiker Supreme Commander, Command & Conquer: Generäle und Schlacht um Mittelerde. Das kann doch nur gut werden, oder?

Natürlich könnte ich diesen Artikel mit einem ausführlichen Prolog beginnen, indem ich über eine überaus erfolgreiche Kickstarter-Kampagne berichte, bei der fast 2,5 Millionen Dollar eingenommen wurden oder auch über die durchwegs langwierige Entstehungsgeschichte. Aber als ausgehungerter RTS-Fan gehe erspare ich mir das, gehe gleich in medias res und starten Planetary Annihilation. Nachdem meine letztes Echtzeit-Strategie Gefecht aufgrund mangelnder Neuerscheinungen doch eine ganze Weile her ist, entscheide ich mich zunächst das Tutorial zu absolvieren. Oha… anstatt eines Schnellkurses der die Bedienung und die Funktionen spielerisch erklärt poppt lediglich ein Youtube-Video auf, welches die Grundlagen nur sehr grob erläutert. Egal, dann mache ich das, was ein Mann normalerweise nie machen würde, ich lese die Gebrauchsanleitung, auch genannt Handbuch. Hmmm, Fehlanzeige – es existiert keines, weder in gedruckter noch in digitaler Form. Aber als erfahrener Feldherr nehme ich die Herausforderung an und mache es auf die harte Tour, nämlich learning by doing. Für eine Mehrspielerpartie, dem eigentlich Herzstück von Planetary Annihilation, fehlt mir noch etwas der Mut, deswegen entscheide ich mich gegen eine Gefecht gegen die KI. Ich wähle ein Sonnensystem mit drei Planeten und darf nach kurzer Rechenzeit meinen Commander auf dem ersten Planten absetzen. Die Schlacht beginnt…

Alles inoffiziell

Planetary Annihilation wurde oft als inoffizieller Nachfolger zu Total Annihilation sowie zu dessen inoffiziellen Nachfolger Supreme Commander angepriesen und genauso spielt es sich zunächst auch. Mein Commander ist nicht nur eine starke Kampfeinheit, sondern kann dazu auch noch Basisgebäude errichten, wie etwa Fabriken für Einheiten oder Bauwerke zur Rohstoffgewinnung. Ressourcen gibt es, genau wie im Vorbild, 2 verschiedene Arten: Energie und Metall. Kraftwerke platziere ich dort wo es die Geländegegebenheiten zulassen, für das Errichten von Extraktoren muss ich dagegen den Planeten nach Minen absuchen. Also Standard-RTS-Kost. Nach wenigen Minuten habe ich schon eine funktionierende Basis und eine beachtliche Anzahl an Kampfverbänden. Das liegt aber nicht so sehr an meiner taktisch effektiven Spielweise, sondern wohl eher daran, dass Planetary Annihilation auf Mikromanagement fast völlig verzichtet und auf Massenschlachten mit billig zu produzierenden Einheiten setzt. Strategisch gewappnet beginne ich die Erkundung des Planeten auf der Suche nach dem feindlichen Commander, denn nur wenn dieser eliminiert wurde, gilt die Partie als gewonnen. Eine Neuerung dabei: die Planeten auf denen wir unsere Scharmützel austragen sind keine flache Scheiben, sondern runde Himmelskörper die wir in alle Richtungen drehen und stufenlos zoomen können. O.K., das sieht zwar zunächst lässig aus, ist aber der Übersichtlichkeit nicht sehr zuträglich, denn auch wenn ich auf höheren Zoomstufen, meine Truppenverbände als Icons angezeigt bekomme, beim Auswählen einzelner Einheiten tue ich mir schwer. Egal, die Suche nach dem Feind muss fortgesetzt werden… Etwas Ratlosigkeit stellt sich bei mir ein, denn auf dem ganzen Planeten ist kein einziger Gegner zu finden?!?! Plötzlicher Geistesblitz: unser Sonnensystem besteht doch aus mehreren Gestirnen, vielleicht befindet sich der Feind auf einem anderen Himmelskörper! Kurzerhand starte ich mein Weltraumprogramm indem ich einen  Orbital Launcher errichte, produziere eine handvoll Raumschiffe und erobere damit die restlichen Planeten in meinem Sonnensystem. Der Computergegner hat keine Chance, der gegnerische Commander ist dank meiner übermächtigen Armee bald Geschichte.

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Planet Smash!

Durch diesen Sieg mit viel Selbstvertrauen gestärkt, wage ich mit an die Einzelspielerkampagne, genannt “Galactic Warfare”. Ich klicke mich dabei auf einer generierten Sternenkarte rundenweise von Planet zu Planet und erhalte dafür scheinbar zufällige Boni in Form von neuen Technologien. Als ich dabei auf einen feindlichen Commander treffe, wechselt das Spiel in den Skirmish-Modus und wir kämpfen in herkömmlicher RTS-Manier um das Sonnensystem. Story oder Zwischensequenzen gibt es keine. Etwas lieblos das Ganze. Speichern darf ich nur zwischen den Gefechten, warum auch meine erste Niederlage gleich das Ende meines Galactic Warfare bedeutet. Macht aber nichts, denn Spass macht diese Art von Einzelspielerkampagne keinen. Diese hat zwar den Kickstarter-Backern rund 300.000 Dollar gekostet, aber als Herzstück war sowieso immer schon der Mehrspielermodus geplant. Über das Balancing braucht man sich hierbei keine großen Gedanken machen. Es gibt keine unterschiedlichen Fraktionen, jeder Spieler verfügt über die selben Einheiten. Dafür zeigen mir meine menschlichen Mitspieler, auf welche Weise man den Gegner niedermetzeln kann. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Angriffsvarianten: Invasion mit Bodentruppen oder Orbitale Attacken. Ersteres erfolgt mittels Teleportern oder durch Transportschiffe. Wenig spektakulär, sehr schwierig zu managen und meist auch nicht sehr effektiv. Wirkungsvoller sind dagegen Angriffe aus dem Orbit mit Laser-Plattformen, Raumschiffen oder interplanetarer Atomwaffen. Am interessantesten sind aber die “Planet Smash”-Strategien. Kleine und große Monde können etwa mit Halley-Delta-V-Triebwerken ausgestattet und damit auf Kollisionskurs mit anderen Planeten gebracht werden. Oder ich baue mir aus einem metallischen Himmelskörper meinen eigenen Todesstern und pulverisiere aus sicherer Entfernung den Heimatplaneten des gegnerischen Commanders. Trotz der zahlreichen unterschiedlichen taktischen Möglichkeiten spielen sich die Gefechte immer sehr ähnlich, was daran liegt dass schnelle Rush-Strategien mit vielen billigen Einheiten oft zum Sieg führen, währenddessen eine defensive Spielart kaum belohnt wird.

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Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen…

Abseits des eigentlichen Spiels wird seit dem offiziellen Release von Planetary Annihilation im Internet heiss darüber diskutiert. Da gibt es die ausgehungerten RTS-Fans die glücklich sind, endlich wieder in klassische Echtzeitstrategie-Kost vorgesetzt bekommen und  das Spiel und dessen Entwickler bis aufs letzte Hemd verteidigen. Auf der Gegenseite beklagen zahlreiche Spieler, dass Uber Entertainment zahlreiche Ankündigungen der Kickstarter Kampagne einfach nicht gehalten hat. Ganz oben auf diese Liste steht das Versprechen eines DRM-freien Spiels. Ja klar, Planetary Annihilation hat keinen Kopierschutz, dennoch wird zum Zocken ein Spielkonto beim Entwickler Uber Entertainment vorausgesetzt – auch für den Einzelspielermodus. Das Spiel offline zu starten funktioniert somit erst gar nicht. Dass damit die versprochenen LAN-Partien mit dezitierten Servern nicht möglich sind, versteht sich wohl von selber. Der Multiple Language Support, welcher unter anderem auch die deutsche Sprache unterstützen soll, beschränkt sich lediglich auf das Hauptmenü, Ingame ist sowohl die Sprachausgabe, als auch Bildschirmtexte komplett auf Englisch.  Auch die halbherzige Einzelspielerkampagne wird oftmals von den Fans kritisiert und von den anfangs versprochenen Mehrspieler-Partien für bis zu 40 Teilnehmern sind schlussendlich nur 10-Spieler-Gefechte übrig geblieben. Das hat aber sicher vor allem hardwaretechnische Gründe, denn die Angaben der minimalen Systemanforderungen von einem Dual Core Rechner mit 4GB Hauptspeicher sind fern ab von jeglicher Realität. Damit kann man maximal Skirmish-Gefechte gegen einen Computergegner austragen, bei den Berechnung von größeren Sonnensystemen mit mehreren Spielern gehen selbst gut ausgerüstete Gaming-PC oftmals in die Knie. Von den zahlreichen Systemabstürzen und Serverproblemen wollen wir erst gar nicht reden.

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FAZIT

Irgendwie blutet mein RTS-Herz: Einerseits freue ich mich über ein neues, klassisches Echtzeitstrategiespiel in orbitalen Dimensionen, andererseits trauere ich der vergebenen Chance nach, das angestaubte Genre endlich mit frischen Ideen wiederzubeleben. Dabei ist es mir relativ egal, ob sich Uber Entertainment mit seinen unbescheidenen Versprechungen während der Kickstarter-Kampagne übernommen hat und ob das Spiel nicht vielleicht doch noch etwas Entwicklungszeit benötigt hätte. Nein, mein größter Kritikpunkt betrifft die strategische Oberflächlichkeit, mit der Planetary Annihilation veröffentlicht wurde. Ein umfangreicherer Technologiebaum und mehr Einheitenvielfalt stehen zumindest auf meinem persönlichen Wunschzettel, aber ein anständiges Balancing der verschiedenen taktischen Möglichkeiten wäre eine Grundvoraussetzung für jedes Strategiespiel. Bleibt nur zu hoffen, dass die Ankündigung von Uber Entertainment, Planetary Annihilation ständig weiterentwickeln zu wollen, nicht wieder nur eines von vielen nicht gehaltenen Versprechen ist.

Gesamtwertung: 5.6

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 4 | Motivation: 4

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