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Deus Ex

Vor etwas mehr als 18 Jahren erschien ein Titel, welcher zu seiner Zeit als revolutionär galt und auch heute noch einen hohen Status in der Gaming-Community genießt. Die Rede ist von Deus Ex. Warren Spector lieferte uns damals mit dem Ego-Shooter-Stealth-Hybriden eine bisher ungekannte spielerische Freiheit. Sind wir brutal und effizient in unserem Vorgehen oder bevorzugen wir elegantes Schleichen um Kollateralschäden zu vermeiden? Eingebettet wurde dieses famose Gameplay in eine grandios-finstere Cyberpunk-Geschichte voller Philosophie und Verschwörungstheorien. Dank Sommerloch – sowie das qualvolle Warten auf Cyberpunk 2077 – habe ich mich dazu entschlossen euch in diesem Nachspiel zu erzählen, warum mich Deus Ex bis heute fasziniert und deshalb auf ewig einen Platz in meinem Gamer-Herzen haben wird.

Es war einmal…

Irgendwann, ich glaube im Herbst 2002. Ich war ein Jungspund von 17 Jahren und meine Erfahrung mit Shootern war noch recht gering. Ja, ich hatte zwar schon unzählige Stunden meines noch jungen Lebens in das grandiose Golden Eye auf dem N64 versenkt, aber alles jenseits von Nintendos 64Bit-Konsole war für mich sagenumwobenes Neuland. Also staunte ich zu jener Zeit nicht schlecht, als ich bei einem meiner – bis heute – besten Freunde zum ersten Mal Hand an Deus Ex legen durfte. Dies war in vielerlei Hinsicht ein großes Erlebnis für mich. So wurde ich zum Beispiel als Joypad gewohnter Konsolenveteran erstmals mit der Maus + Tastatur Steuerung eines PCs konfrontiert. Anfangs legte ich noch die Hand- Augen-Koordination eines kurzsichtigen Waschbären an den Tag, doch nach einer zirka einstündigen Einspielzeit fällte ich meine Gegner wie Godzilla Wolkenkratzer in Tokyo. Ich ballerte im extra coolen 007-Style alles weg was mir vor die Pistole kam. Während ich mich in meiner Euphorie wie Pierce Brosnan höchstpersönlich fühlte bemerkte ich nicht, dass mein Kumpel mit vor Entsetzen aufgerissenen Mund daneben stand und kurz vorm Kollabieren war. Als ich ihn schließlich fragte, warum er so doof aus der Wäsche guckt, sagte er mir, dass ich das Spiel komplett falsch spiele. Mit meinen wilden Herumgeballere übersehe ich ja komplett die Eleganz, welche dem Gamplay von Deus Ex zugrunde liegt. Ich zuckte ignorant mit den Schultern und machte weiter den Brosnan. Was mein Kumpel damit meinte, erfuhr ich erst ein Jahr später, als ich endlich meinen eigenen PC hatte. Dieser war für mich ein Tor in die unendliche Tiefe die mir die Welt von Deus Ex bot.

Der Gott aus der Maschine

Man sollte sich bei besagter Tiefe der Welt jedoch keine weitläufigen Areale vorstellen. Die Geschichte in Deus Ex führt uns zwar rund um den Globus, so kommt ein gutes Gefühl auf als Agent Global zu agieren, die einzelnen Gebiete sind jedoch als stark limitierte Hubs aufgebaut. Vielleicht sollte an dieser Stelle auch erwähnen, dass Deus Ex selbst für damalige Verhältnisse in Sachen Technik keine Schönheit war. Die Figuren wirkten steif animiert, so etwas wie Mimik war in Deus Ex nicht mehr als ein wildes Gerücht und die Gestaltung der Städte hatte Baukastencharakter. Aber wie sagt man so schön? Genau – wahre Schönheit liegt im Inneren! Und wenn Schönheit im Inneren strahlt – tja, dann ist Deus Ex wohl der Plutoniumstab unter den Computerspielen. Denn dieses Game hat Charakter, ist vielseitig und tiefgründig. Darin liegt die Tiefe der Welt von Deus Ex. Ja, die Levels sind stark begrenzte Hubs, aber es gibt  trotzdem so viel darin zu entdecken: Kein Safe der nicht geknackt werden kann, kein Computer der nicht unzählige Emails und Hintergrundinfos über die Welt sowie ihre Bewohner verbirgt. Es gibt für Missionen nicht nur DIE EINE Herangehensweise oder DIE EINE Route zum Ziel. Da draußen gibt es immer Alternativen. Ein potenzieller Bosskampf muss nicht zwangsläufig in einem Tod des Kontrahenten münden, sondern kann vielleicht – mit genügend Information und geschickter Diplomatie – in einem Dialog umgangen werden. Wir haben immer eine Wahl, doch jede Wahl hat Konsequenzen. Das ist heute ein Standardkonstrukt bei vielen RPGs. Deshalb klingt es vielleicht nicht nach viel. Man sollte sich aber vor Augen führen, dass Deus Ex zu einer Zeit erschien, in dem das erste Half Life zwei Jahre zuvor – also 1998 – auch deswegen so sehr gelobt wurde, weil sämtliche NPCs voll vertont waren. Auch hier gilt: Heute Standard, damals revolutionär!

In Sachen Story weiß Deus Ex voll zu überzeugen. Wir schlüpfen dabei in die Haut des JC Denton, einem durch Nanotechnologie verbesserten Agenten. Diesen steuern wir aus der Ego-Perspektive durch das Spiel und passen ihn mit gefundenen Naniten unserem bevorzugten Spielstil an. Ist unser JC Denton ein kompetenter Schleicher mit ausgezeichneten Kenntnissen in der Kunst des Computerhackings – oder ist er eine Inkarnation Rambos und sprengt alles weg was bei drei nicht auf den Bäumen ist, verschlossene Türen inklusive? Deus Ex legt uns diese Entscheidung in die Hand, genauso wie die Konsequenzen unserer Handlungen. Einen zuvor ausgeschalteten NPC könnten wir im späteren Verlauf der Geschichte vielleicht schmerzlich vermissen. Die Geschichte von Deus Ex ist im Allgemeinen eine finstere Agentengeschichte, welche uns mit allerlei Verschwörungstheorien, von den Freimaurern bis zu Aliens auf der Area 51, konfrontiert. Gewürzt wird der Plot mit vielerlei philosophischen Gedankenspielen zum Thema Transhumanismus und einer gewaltigen Prise religiöser Symbolik. Schon der Titel hat eine geniale Zweideutigkeit. Deus Ex bezieht sich ganz klar auf den lateinischen Ausspruch Deus ex machina – der Gott aus der Maschine. Auch der Name JC Denton könnte eine Anspielung auf Jesus Christus sein, denn Denton kann mit einer Entscheidung am Ende eine Art Erlöser werden. Die Tradition mit den biblisch-symbolischen Namen wird auch in den Nachfolgern weitergeführt. So spielen wir in den Prequels Deus Ex Human Revolution und Deus Ex Mankind Divided den Sicherheitsmann Adam Jensen. Adam – der erste seiner Art. Ich bin jetzt nicht sonderlich religiös, aber ich finde diese Symbolik gibt der ohnehin schon philosophischen Geschichte noch einen besonderen „Drive“.

FAZIT

Kaum zu glauben, aber Deus Ex hat schon 18 Jahre auf den Buckel. Wahnsinn! 2000 war Deus Ex DAS Musterbeispiel spielerischer Freiheit. Mit seinen unzähligen Möglichkeiten konnte es jeden der wollte stundenlang vor den Bildschirm fesseln. JC Dentons Abenteuer verfügte auch über einen gewaltigen Wiederspielwert. Es war schlicht unmöglich alle Geheimnisse und Enden in einem Durchgang zu sehen. Ja, man kann vielleicht sagen, dass Deus Ex auf den ersten Blick auch damals schon keine Schönheit war – ich hätte es damals vermutlich nicht ins Kino eingeladen. Eine Entscheidung die ich bitter bereut hätte. Denn Deus Ex hat Tiefgang. Sei es im Gameplay, seiner Story, oder der Welt in der es spielt. Deus Ex flechtet all diese Komponenten – gewürzt mit philosophischen Fragen zum Transhumanismus und religiöser Symbolik – zu solch genialen Cyberpunk, dass es noch heute, nach all diesen Jahren, einen besonderen Platz in meinen Gamer-Herzen hat.

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