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Final Fantasy VII Remake im Test

Fast 23 Jahre hat schlussendlich also gedauert, bis der große JRPG Klassiker nun endlich in neuem Glanz erstrahlt. 2015 erstmals offiziell angekündigt, steht uns mit Final Fantasy VII Remake nun zumindest ein Teil des epischen Abenteuers zum Wieder- oder Neuentdecken ins Haus, denn Square Enix hat sich entschlossen, die Geschichte auf mehrere Episoden aufzuteilen. Fruchtet diese umstrittene Entscheidung und es gelingt den Zauber von damals erneut einzufangen? Finden wir es heraus!

Schneidet da jemand Zwiebel?

Ganz ehrlich, es fällt einem alten Hasen, der mehr oder weniger mit dem Original aufgewachsen ist, schon recht schwer, während des neuen Intros trockene Augen zu bewahren. Alles ist genau wie damals, nur viel, viel schöner. Der erste Blick auf Aerith erweckt Erinnerungen an ein Emotions-Karussell aus jüngeren Tagen, der anschließende Blick über die Mega-City Midgar gebietet heute wie damals Ehrfurcht. Und dann steht man da, am Bahnsteig in der Nähe eines der Mako-Reaktoren der Stadt, mit dem Plan diesen zu zerstören.

Aber nicht nur was zu sehen ist, treibt einem die Freudentränen in die Augen. Auch die unvergesslichen Klänge des Intro-Themes tragen ihren Teil dazu bei, dass Veteranen sofort wieder in der Welt von Final Fantasy VII gefangen sind. Doch gehen wir es langsam und ganz ohne Nostalgie-Brille an. Nach dem zwar mehr als nur hübschen, aber wenig aussagekräftigen Intro, findet man sich in der Rolle von Cloud Strife wieder. Der wortkarge, ehemalige Elite-Krieger einer SOLDAT genannten Spezialtruppe verdingt sich neuerdings als Söldner und steht nun an diesem Bahnsteig am Beginn seiner ersten echten Mission.

Seine Kindheits-Freundin Tifa, ihrerseits Mitglied der Öko-Terrorgruppe Avalanche, engagiert ihn, um ihren Freunden dabei zu helfen, die Mako-Reaktoren der fiesen Shinra Corporation zu zerstören. Denn das Mako ist sozusagen das Lebensblut des Planeten auf dem sie alle Leben, was Shinra nicht daran hindert, jede Gelegenheit zu nutzen, um die Ressource auszubeuten. Anfangs noch sehr distanziert, versucht Cloud zunächst die Sache als nichts mehr als einen Job zu sehen, doch nach ihrem ersten Anschlag ziehen ihn Tifa und ihre Freunde, allen voran Anführer und alleinerziehender Vater Barret, immer tiefer in ihre Leben und damit auch Sorgen und Ängste.

Immer mehr taut der scheinbar emotionslose Cloud gegenüber seinen neuen Kollegen auf. Doch vor allem aber die unbelehrbar positive und aus mysteriösen Gründen ebenfalls von Shinra gejagte Aerith, lässt den jungen Mann mit einer tragischen Vergangenheit, langsam aber sicher auftauen. Als ihnen das skrupellose Konglomerat schließlich auf die Schliche kommt und zum brutalen Vergeltungsschlag ausholt, wird die Sache für Cloud endgültig vom einfachen Job zur persönlichen Mission seines Lebens.

Genau wie früher, aber ganz anders

So sehr die ersten Minuten einen auch in Nostalgie schwelgen lassen, sobald man an besagtem Bahnhof die Kontrolle über Cloud erlangt, ist es mit Gewohntem fürs Erste vorbei. Das klassische, rundenbasierte Kampfsystem wurde nämlich durch ein völlig neues, weit action-lastigeres ersetzt. Als Spieler kann man nun im Kampf frei herumlaufen, beharkt seine Gegner mit seinen Standard-Attacken, blockt gegnerische Angriffe, oder weicht diesen per Hechtrolle aus. Alles manuell per Tastendruck. Wer jetzt aber schockiert annimmt, dass hier nicht von der alten Variante übrig ist, irrt sich gewaltig, denn die aus dem Original bekannte ATB-Leiste ist zurück.

Die funktioniert hier ein bisschen anders: Abhängig von Ausrüstung, verwendeten Items und den gerade durchgeführten Aktionen, füllt sich die in zweigeteilte Leiste im Laufe eines Kampfes. Erst wenn mindestens der erste Teilbereich voll ist, kann man Aktionen ausführen, die über das simple Attackieren hinausgehen. Also Zauber wirken, Gegenstände wie Heiltränke benutzen, oder aber eine der vielfältigen Spezialfähigkeiten der einzelnen Charaktere ausführen. Ist also eine (oder beide) Leiste voll, pausierte man einfach das Kampfgeschehen und landet im altbekannten Aktions-Menü. Hier wählt man dann in aller Ruhe beispielsweise den gewünschten Zauber sowie dessen Ziel aus und lässt das Spiel weiterlaufen. Der Vorgang lehrt dann eine „Teil-Leiste“ und beginnt sich wieder zu füllen. Sollte also ein komplett voller ATB-Balken zur Verfügung stehen, ließe sich gleich im Anschluss noch eine zweite Aktion durchführen, oder auch der besonders verheerenden Spezialattacken, die eine ganze Leiste zur Ausführung benötigen.

Wer jetzt annimmt, jederzeit pausieren und in aller Seelenruhe seine Fähigkeiten auswählen zu können, würde das ganze viel zu einfach machen, der täuscht sich gewaltig. Das liegt zum einen an den mit vielfältigen Gegnern, die alle mit den verschiedensten Stärken, Schwächen und Angriffstaktiken daherkommen. Außerdem nehmen diese keinerlei Rücksicht auf die Tatsache, dass die vom Spieler gewählten Spezialmanöver durch die Bank eine gewissen Anlaufzeit haben, bevor sie tatsächlich ausgeführt werden. Ein schlecht getimter Heilzauber kann also mühelos unterbrochen werden. Dazu kommt, dass man im Großteil des Spielverlaufs nicht nur Cloud im Auge behalten muss. Bis zu 4 Charaktere befinden sich in der Party und wollen sowohl beschäftigt als auch am Leben erhalten werden. Rudimentäre Dinge, wie attackieren und blocken machen die Mitstreiter selbstständig, alles weitere muss der Spieler übernehmen.

Der im Kampf jederzeit vollziehbare Wechsel des gesteuerten Charakters sorgt dabei nicht nur für mehr Aktionsspielraum und in Boss-Kämpfen auch für den einen oder anderen Stress-Moment, sondern auch für weitere Ebene an taktischen Entfaltungsmöglichkeiten. So spielt sich die Martial Arts Spezialistin Tifa mehr wie ein Brawler, während Barret mit seiner am Arm montierten Kanone aus der Ferne auf alles ballert, das sich bewegt. Die ganze Sache geht nach kurzer Eingewöhnungszeit sehr gut von der Hand und spielt sich überraschend kurzweilig und fordernd. Selbst an sich unbedeutende Trash-Gruppen lassen sich so gut wie nie durch einfaches Spammen der Angriffstaste erledigen und führen einen schneller zum Game Over Bildschirm als einem lieb ist. Bosse erschlagen einen im ersten Moment oft mit ihrer schieren Effekt- und Angriffsvielfalt, mit etwas Bedacht und Vorsicht lässt sich aber auch der fieseste Widersacher bezwingen.

Wieviel Zauber passen in einen Armreif?

Außerhalb der Kämpfe geht es dagegen überraschend klassisch JRPG-mäßig zu. Man erfüllt divere Nebenaufgaben, vertreibt sich die Zeit mit unterhaltsamen Minigames und treibt die Hauptstory voran. Nebenher erwirbt oder findet man neue Waffen und Ausrüstung für seine Recken, levelt erstere mit Hilfe von frei auf diverse, passive Effekte verteilbaren Skill-Punkten auf und verteilt seine Zauber möglichst praktikabel und zielführend zwischen den Charakteren.

Das Zauber- und Skill-System wurde direkt aus dem Original übernommen. Magie existiert in der Welt von Final Fantasy VII in Form von sogenannter Materia, leuchtenden Kristall-Kugeln, die jeweils einen spezifischen Spruch wirken können, also beispielsweise Feuer-, Heil- oder auch Schutzzauber. Auch solche, die rein passive Auswirkungen mit sich bringen, etwa Boni auf Lebenspunkte oder Mana, stehen zur Auswahl. Diese Kugeln, sprich Zauber, kann man in dafür vorgefertigten Slots an Waffen und Armschienen ausrüsten. Dabei ist zu beachten, dass Materia-Slots zum einen nur beschränkt zur Verfügung stehen und andererseits bestmöglich genutzt werden wollen. So gibt es etwa verlinkt Slots, die, anhängig von den darin ausgerüsteten Zaubern, spezielle Boni mit sich bringen. Durch fleißiges Benutzen von Materia steigen diese im Level, womit man dann Zugang zu neuen und besseren Versionen der entsprechenden Zauber bekommt.

Das Aufleveln der Charaktere läuft komplett automatisch ab und erhöht einfach in vorgegebener Weise dessen Grundwerte. Jedoch verdient man mit jedem neuen Level 5 Skill-Punkte (SP), die allerdings nicht in die Spielfiguren, sondern deren Waffen investiert werden. Jeden davon kommt mit einem individuellen Skill-Tree daher, in denen sich allerlei passive Fähigkeiten finden, aber auch sehr wichtige Upgrade wie zum Beispiel zusätzliche Materia-Slots. Jede Waffe hat ihren eigenen SP-Pool der manuell oder auf Wunsch auch automatisch vom Spiel verteilt werden kann. Des Weiteren bringt jede Waffe einen eigenen Spezial-Angriff mit sich, denn man allerdings durch oftmaliges Ausüben erlernen und so zur nächsten Waffe mitnehmen kann. Der Wegfall der aus dem Original bekannten Zufalls-Kämpfe und der Umstand, dass der in dieser ersten Episode der Neuauflage Teil der Geschichte sehr geradlinig abläuft, verhindert übrigens ausschweifendes Überleveln, da es kaum Möglichkeiten gibt, an extra XP-Punkte zu kommen. Das kann, je nach Vorliebe, ein Fluch oder Segen sein, in jedem Fall sorgt dieser Umstand aber für eine wirklich sehr gute Balance im Normal-Schwierigkeitsgrad.

Ist das aber jetzt ein komplettes Spiel?

Zusammengenommen haben wir also eine, auf den ersten Blick, massiv überarbeitete Neuauflage in Händen, die aber bei näherer Betrachtung dem Original erstaunlich nahe bleibt. Sicher, das Kampfsystem ist trotz vieler bekannter Elemente eine erhebliche Veränderung, dennoch hat man es bei Square geschafft die Essenz von Final Fantasy VII einzufangen. Alle Eckpfeiler sind da und selbst alte Männer wie ich einer bin, die mehr vom damaligen Speil vergessen haben, als sie zugeben wollen, fühlen sich sofort wie Zuhause.

Wie gestaltet sich nun aber die Erfahrung aus der Sicht von jemandem, der das original nicht kennt? Auch ohne Nostalgie und Erfahrungswerten, macht das Spiel zweifelsfrei eine Menge Spaß. Die große Frage ist allerdings: Kann ein Game, das eigentlich nur aus dem ersten Akt (oder gar weniger) der gesamten Story besteht, für sich genommen bestehen? Kann es fesseln, ohne dem Wissen was noch auf einen zukommt? Und bietet es überhaupt genug Material um den Release als Vollpreis-Spiel zu rechtfertigen? Diese Fragen lassen sich erfreulicherweise mit einem fast eindeutigen „Ja“ beantworten.

Fast eindeutig, weil gerade die letzte Frage nicht ganz einfach ist. Einerseits merkt man dem ganzen Leveldesign und dem Storyaufbau schon sehr wohl an, dass hier versucht wird, den relativ mageren Inhalt zu strecken. An sich nicht unbedingt was man sich wünschen würde, jedoch bringt dieser Umstand einen äußerst positiven Nebeneffekt mit sich. Durch das, immer dezente und niemals übertriebene, Strecken, verbringt man viel mehr Zeit mit seinen Gefährten, was wiederum zu einer tieferen Bindung zu diesen führt. Als Beispiel seien da Biggs, Wedge und Jessie erwähnt, die damals nach der Eröffnungs-Mission kaum mehr Erwähnung fanden, hier aber weit prominenter in Erscheinung treten und damit dem Spieler auch mehr ans Herz wachsen. Noch viel mehr gilt das für unsere eigentlichen Gefährten, die uns als Partymitglieder durch die ganze Saga begleiten.

Ach ja, schön ist es auch

Worauf sich wohl die meisten Fans, die seit vielen Jahren auf ein Remake gehofft haben, besonders gefreut haben, ist die zeitgemäße Visualisierung des geliebten Klassikers. Und ja, hier lässt sich Square nicht lumpen. Final Fantasy VII Remake sieht einfach nur fantastisch aus. Von den, trotz animelastigem Design, fast fotorealistischen Gesichtern in Zwischensequenzen, über die detailverliebten Umgebungen von Midgars Slums, bis hin zu den bombastischen Kampf- bzw. Zauber-Effekten. Ein Augenschmaus von der ersten bis zur letzten Minute.

Dazu kommen die nun erstklassig vertonten (das Original war komplett textbasiert) und um ein vielfaches erweiterten Dialoge, sowie ein Soundtrack, der heute wie damals einfach zum niederknien ist. Viele der Themen von Meister-Komponist Nobuo Uematsu haben sich seither zu Recht in den Annalen der Videospielgeschichte einen festen Platz verdient. Die neuen Fassungen vieler der Songs sind etwas bombastischer arrangiert, dazu gibt es eine Menge echt schräger Remixes, die von genial bis „Was zum…“ reichen.

Aus technischer Sicht gibt es leider eine kleine Macke, die zwar die Freude nur sehr bedingt trüben kann, sich aber trotzdem als sehr nervig niederschlägt. Die recht langen Wartezeiten nach einem Neustart, oder dem Laden eines Speicherstandes gehen gerade noch so in Ordnung, zumal letzteres nicht allzu oft erforderlich sein sollte. Was aber wirklich auffällt sind die 2-3 Sekunden Ladezeit, die einen jedes Mal erwartet, wenn man die Karte öffnet, oder einen NPC anspricht. Das nicht nach besonders viel klingen, wird aber schnell lästig, da beides Dinge sind, die man in der Praxis sehr, sehr oft tun muss. Ansonsten gibt es keinen Anlass zur Beschwerde. In meiner gesamten Spielzeit sind mir keinerlei Bugs aufgefallen und auch im größten Effekt-Gewitter bleibt das Spiel angenehm flüssig.

FAZIT

Es lässt sich hier natürlich über so einiges streiten. Sowohl das neue Kampfsystem, als auch die Entscheidung, Final Fantasy VII Remake in Vollpreis-Episoden zu veröffentlichen, werden nicht bei jedem auf Gegenliebe stoßen. Wenn man aber sieht, wie viel Sorgfalt und Liebe man beim Entwickler investiert hat, um so viel wie möglich vom alten Spielgefühl zu erhalten, lässt sich das durchaus verschmerzen. Zudem hat man sehr viel Arbeit in die an sich schon exzellenten Charaktere und deren Interaktionen gesteckt, was das Warten auf den Rest der Geschichte ein kleines bisschen leichter macht. Alles in allem bleibt ein erstklassiges JRGP in hochmodernem Kleid und mit zeitgemäßen Spielmechaniken, dass aber niemals seine Herkunft in den Kindertagen der Branche und des Genres vergisst. Ein Muss für Fans, die mit dem neuen Kampfsystem leben können und eine große Empfehlung für alle die das Original nicht kennen, denn Final Fantasy VII ist es nach wie vor wert, erlebt zu werden.

Was ist Final Fantasy VII Remake? Das Remake eines JRPG-Klassikers.
Plattformen: PS4,
Getestet auf: PS4
Entwickler / Publisher: Square Enix
Release: 10. April 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.6

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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