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Grey Goo im Test

Es war der Nanotechnologie-Pionier Eric Drexler, der zum ersten Mal den Begriff „Grey Goo“ verwendete. Er bezeichnete damit Maschinen im Kleinstformat, sogenannte Nanobots, welche die Eigenschaft besitzen durch das Absorbieren von Kohlenstoff-basierten Objekten sich selbst zu replizieren. In einem hypothetischen Weltuntergangsszenario sorgen genau diese Nanobots dafür, dass die Erde innerhalb von wenigen Tagen „aufgefressen“ wird. „Cool!“, dachten sich wohl die Entwickler bei Petroglyph und hatten damit auch gleich eine Idee für ein neues Spiel.

Aber nicht nur die Spielidee war geboren, nein sie machten aus der titelgebenden grauen Schmiere gleichzeitig eine neue spielbare Fraktion. In der klassischen Echtzeitstrategie steht der Ausbau eine Basis und das Gewinnen von Rohstoffen für die Produktion von Gebäuden und Einheiten im Vordergrund. Grey Goo bleibt zwar diesem Grundprinzip treu, krempelt aber das Gameplay in einigen Punkten etwas um. So hat etwa die Fraktion der Goos keine Basis im eigentlichen Sinn, sondern nur einen Mutterschleim. Der kann sich frei fortbewegen und entdeckte Ressourcenvorkommen absorbieren. Hat dieser genug Energie aufgenommen, ist es ihm möglich per Zellteilung kleinere Batzen Schleim abzuspalten, welche wiederum in unterschiedliche Kampfeinheiten transformiert werden. Je größer die Menge an Schleim ist, die vom Mutterschleim abgetrennt wird, desto mächtigere Einheiten können erschaffen werden. Sogar zusätzliche Mutterschleim-Batzen sind möglich. Der größte Vorteil der Goos liegt in ihrer Mobilität, denn sie sind nicht an eine Basis gebunden und können sich frei auf der Karte bewegen und auch Höhenunterschiede problemlos überwinden. Zum Ausgleich verfügen sie aber über keinerlei fliegende Einheiten.

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Betas und Menschen

Im Vergleich zu den Grey Goo orientieren sich die beiden anderen Parteien viel mehr an traditionellen Echtzeitstrategie-Fraktionen. Die ausserirdischen Betas errichten Verteiler, an die dann weitere Gebäude angeschlossen werden. Die Anzahl der Anschlussplätze ist jedoch begrenzt und richtet sich nach der Größe des Verteilers, wodurch die Wahl der angedockten Bauwerke eine wichtige Rolle einnimmt. Eine einfache Fabrik produziert nur Basis Infanterie-Einheiten, für effektiveres Kampfgerät benötigt man die spezielle Erweiterungen. Außerdem können fortschrittlichere Einheiten nur an jenen Standorten produziert werden, die über die entsprechende Gebäude-Kombination verfügen. Dafür darf man die Verteiler überall auf der Karte platzieren, wodurch man relativ rasch zusätzliche Aussenposten errichtet kann. Bei den Menschen müssen dagegen alle Bauwerke mittels Energieleitung an der Hauptbasis angeschlossen werden. Durch die Leitungen verliert man zwar etwas an Flexibilität und Mobilität, was jedoch dadurch wieder wett gemacht wird, dass man entlang dieser Verbindungen sogar Gebäude teleportieren kann. Abgesehen von diesen Eigenheiten der einzelnen Fraktionen orientiert sich Grey Goo an Genreklassikern wie etwa Command & Conquer. Rohstoffe werden an den entsprechenden Vorkommen gesammelt, welche als Grundlage für den Bau von Gebäude und Einheiten dienen, mit denen man anschliessend in den Kampf gegen den Feind zieht.

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Keep ist Simple

Auf Mikromanagement wird weitgehend verzichtet. Zwar gibt es für jede Fraktion eine epische Super-Einheit, aber selbst diese verfügt über keinerlei Spezialfähigkeiten sondern nur über viel Feuerkraft und große Schadensresistenz. Weiters kann in fünf unterschiedlichen Technologie-Kategorien eines von drei Upgrades erforscht werden, was jedoch spielerisch nur wenig Mehrwert mit sich bringt. Überhaupt sind die taktischen Möglichkeiten etwas eingeschränkt. Der Verzicht auf Heldenfiguren oder Erfahrungsstufen wäre noch verkraftbar, aber das Fehlen von Formationen schmerzt den virtuellen Feldherren dann doch etwas mehr. Okay, man kann Tarn-Technologie erforschen oder sich im Dickicht verstecken und den Feind in einen Hinterhalt locken, aber meist reicht es aus, eine gut ausgewogene Truppe an verschiedenen Einheiten –  aber vor allem in hoher Anzahl – in die Schlacht zu schicken. Auch weicht die anfängliche Freude über die sehr unterschiedlichen Fraktionen sehr schnell einer gewissen Ernüchterung. Diese differenzieren sich hauptsächlich in der Errichtung der Basis, die Scharmützel lassen aufgrund der sehr ähnlichen Einheitentypen kaum taktische Variationen zu. Auch die Kampagne enttäuscht. Zwar wird die Hintergrundstory in aufwendigen und schönen Rendersequenzen erzählt, aber es fehlt an prägenden Protagonisten die die Geschichte tragen können. Auch das Missionsdesign der 15 Kapitel umfassenden Einzelspielerkampagne ist zwar abwechslungsreich, bietet aber lediglich Standardkost ohne großartige Wendungen. Nervig sind vor allem jene Aufträge, in denen man Goo-Nester ausrotten muss. Aufgrund ihrerer Mobilität verkommen solche Missionen zu einem frustrierendem Katz- und Mausspiel.

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Technisch: Licht und Schatten

Das liegt aber auch teilweise daran, dass die gegnerische KI sehr clever agiert. Diese analysiert die Vorgehensweise des Spielers und nutzt Schwächen sehr geschickt aus. Auch verspricht Entwickler Petroglyph, dass der Computer nicht cheatet, sondern genauso wie der menschliche Gegner Ressourcen für die Produktion der Einheiten sammeln muss. Unverständlich ist aber, warum die KI der eigenen Einheiten derart miserabel ist. Über die manchmal etwas umständliche Wegfindung kann man noch hinwegsehen, aber warum eigene Truppen auf angreifende Gegner nicht reagieren ist kaum nachvollziehbar. All das zusammen bietet zwar  den erprobten Echtzeit-Strategen eine tolle Herausforderung, Neulinge werden aber selbst im niedrigsten Schwierigkeitsgrad einige Rückschläge verkraften müssen. Wem die KI zu schwer oder zu leicht ist, der kann natürlich auch im Mehrspielermodus gegen menschliche Gegner antreten. Leider gibt es hier nur sieben Karten für jeweils maximal vier Spieler und nur einen Spielmodus. Dafür gibt es für den LAN-Modus, bei dem auch im lokalen Netzwerk gegeneinander gekämpft werden kann, einen fetten Eintrag auf Grey Goos Habenseite.

Technisch macht Grey Goo einen sehr soliden Eindruck. Die Rendersequenzen der Kampagne sind von hoher Qualität, genauso wie die deutsche Sprachausgabe. Wirklich erstklassig ist der stimmige Soundrack von Frank Klepacki. Optisch wird Grey Goo von einer hauseigenen DirectX-11-Engine sehr ansehnlich in Szene gesetzt, auch keine neuen Maßstäbe in Sachen Grafik gesetzt werden. Dafür sind die Hardware-Anforderungen für ein Strategiespiel sehr hoch. Ohne einen einigermaßen aktuellen Quad-Core Rechner mit entsprechender DirectX-11 fähigen Grafikkarte geht gar nix.

Fazit

Auch wenn die Phrase „klassische Echtzeitstrategie“ in diesem Artikel etwas überstrapaziert wird, es trifft wohl keine Beschreibung besser auf Grey Goo zu als diese. Wem das Mikromanagement in Starcraft 2 oder Warhammer 40K zu anstrengend ist, der bekommt hier das passende Spiel geliefert. Für mich persönlich ist es aber schon etwas zu viel Vereinfachung des RTS-Grundprinzips und auch wenn froh darüber bin, endlich wieder einen neuen Vertreter meines Lieblingsgenres spielen zu dürfen, hätte ich mir doch etwas mehr Mut zu neuen Ideen gewünscht. Die drei sehr unterschiedlichen Fraktionen sind zwar toll, aber im Vergleich zu Universe at War vom gleichen Entwickler sehe ich kaum eine Weiterentwicklung. In einem eventuellen Add-On wünsche ich mir die Fraktion der Hierarchie zurück. Die sind meine All-Time-Favorites und gegen die haben nicht einmal die Grey Goo eine Chance!

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

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