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NieR: Automata im Test

Yoko Taro ist bestimmt nicht der geläufigste Name in der Videospiel-Branche, aber doch einer der vor allem in Japan seine Spuren hinterlassen hat und es mit seinem neuen Titel voraussichtlich auch in westlichen Gefilden tun wird. Die Drakengard-Reihe, sowie NieR stammen aus Taros Feder und haben zwei Dinge gemeinsam: Einerseits eine äußerst ungewöhnliche sowie düstere Story und Erzählstruktur, andererseits jede Menge spielerischer Schwächen. Während letzteres zu recht mageren Verkaufszahlen, vor allem in unseren Breitengraden, geführt hat, ist es ersterem geschuldet, dass sich um seine Spiele so etwas wie eine Kult-Fangemeinde entwickelt hat. Und nun bekommt Taro mit Platinum Games erstmals ein Entwicklerteam zur Seite gestellt, welches sich in erster Linie mit überzeugendem Gameplay einen Namen gemacht hat.

Androiden gegen Maschinen

Wir befinden uns in einer tausende Jahre in der Zukunft liegenden Welt, in der die letzten Reste der Menschheit nach einer Alien-Invasion von der Erde geflohen sind und auf dem Mond Zuflucht gesucht haben. Von dort aus versuchen sie, mittels hochentwickelter Gefechts-Androiden, die Erde zurückzuerobern. Diese ist nämlich von Maschinenwesen überrannt, die von den Aliens zur Kriegsführung hergebracht wurden. Als Kampfeinheit YorHa Modell B Nr. 2,, unterstützt von der Überwachungseinheit 9S, übernehmen wir den Auftrag, in einer seit Jahrhunderten zerstörten Stadt und deren Umgebung nach Hinweisen dafür zu suchen, warum die Maschinenaktivitäten in eben dieser Region überhand  nehmen. Schnell stellt dann auch heraus, dass hier tatsächlich seltsame Dinge vor sich gehen. Maschinen, die üblicherweise bei Kontakt angreifen, zeigen keine Regung solange sie nicht angegriffen werden. Andere scheinen sich vom Netzwerk, das sie alle steuert, getrennt und ein Bewusstsein entwickelt zu haben. Und eben dieses Netzwerk hat sich augenscheinlich von ganz alleine weiterentwickelt und immer größere, bessere und tödlichere Maschinen-Variationen entwickelt.

Wer die Story in ihrem vollen Umfang mit allen Facetten genießen möchte, hat übrigens einiges vor. Denn wenn das erste Mal die Credits laufen, wird man sich ein wenig über die vielen offenen Nebenhandlungen und wenigen beantworteten Fragen wundern. Das liegt bei NieR: Automata  an der ungewöhnlichen Erzählstruktur. Nach dem erstmaligen durchspielen landet man in einer Art „New Game +“, mit einem kleinen Twist. Man startet wie üblich neu, aber auf dem zuvor erreichten Level und mit allen erbeuteten Gegenständen und erlernten Fähigkeiten – nur mit einem neuen Hauptcharakter. Derer gibt es drei und in jeder davon erlebt zum Teil die gleichen Ereignisse, aber aus anderer Sicht, oder ganz neue Begebenheiten, die zuvor offengelassene Storyfäden wieder aufgreifen.

Einfach zu verstehen, schwer zu meistern

Die wohl größte Stärke von NieR: Automata ist wohl das innovative und unterhaltsame Kampfsystem. Unsere Kampfmaid 2B trägt eine leichte, sowie eine schwere Waffe mit sich und hat eine kleine Drohne (hier Pod) bei sich. Während die angelegten Waffen (von denen man 2 Sets anlegen kann, zwischen denen man beliebig mit einem Tastendruck hin und her wechseln kann) noch recht konventionell dazu benutzt werden, um verschiedene Nahkampfattacken und Combos auszuführen, können wir unseren Pod als Fernkampfwaffe einsetzen. Zusätzlich zu den sich nicht verbrauchenden, aber kaum Schaden anrichtenden Energie-geschossen, verfügt das praktische Maschinchen auch noch über einen „Special Move“. Das ist zu Beginn ein mächtiger Laserstrahl, der allem was ihm in die Quere kommt großen Schaden zufügt, danach aber wieder einige Zeit braucht um sich aufzuladen. Im späteren Verlauf kann man zusätzliche solcher Specials bei Händlern kaufen. Diese unterscheiden sich zum Teil massiv. Vom erwähnten Laser, über ein Energiefeld, welches Flächenschaden zufügt, bis zu Schilden die für kurze Zeit unverwundbar machen, ist alles dabei.

Überhaupt ist das Kampfsystem zwar sehr simpel gehalten, kann durch den Einsatz verschiedener Waffen und Pod-Fähigkeiten sehr individuell gestaltet werden. Dazu kommt noch die Möglichkeit, seinen Pod mit Chips auszurüsten, die am ehesten mit Passiv-Fähigkeiten in herkömmlichen Rollenspielen zu vergleichen sind. Vom Hitpoint-Bonus, über höhere Defensiv Werte, von einer kleinen Heilung wann immer man einen Gegner tötet, über erhöhte Kampfwerte bei niedrigen HP. Diese Chips gibt es in unzähligen Varianten und Stärken und sie können beliebig auf dem „Board“ unseres Pods verbaut werden. Mit einer Einschränkung: Jeder Chip braucht einen gewissen Platz auf dem Board, und dieses kann man nur für teures Geld kaufen und auch nur bis zu einer gewissen Größe erweitern. Dafür lässt sich unser Pod (und damit der Special Move), von dem wir später mehrere gleichzeitig besitzen können, sowie das auf ihm installierte Chipset (sofern wir mehrere davon angelegt haben), genauso wie unser Waffenset, jederzeit wechseln. Das sorgt im Spielverlauf für eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeit, ohne die Steuerung unnötig komplex werden zu lassen.

Maschinen-Gemetzel auch zu Luft

Das Ganze wird in ein Open-World Game verpackt, wenn auch nicht ganz so „open“ wie man es mittlerweile gewohnt ist. Manche Bereiche werden erst durch Fortschritt der Hauptstory zugänglich, sind aber dann nahtlos und ohne Ladebildschirm zu betreten. Überall sind Sidequests zu finden, die zumeist überraschend tiefgründig daherkommen und nur ganz selten zu reinen Zeitfressern verkommen, wie das im Open-World Genre leider viel zu oft der Fall ist. So sammelt man Erfahrung um 2B aufzuleveln, Geld um sich neue Fähigkeit, Chips oder Waffen zu kaufen, und Materialien um eben diese Waffen in maximal 4 Stufen aufzuwerten.

Im Storyverlauf kommt es außerdem immer wieder zu Sequenzen in denen man ein Flugvehikel steuert. Hier ändert sich das Gameplay ganz gewaltig, man fühlt sich in einen klassischen Bullet-Hell Shooter versetzt. Das mag unpassend klingen, ist aber eine willkommene und spaßige Abwechslung zum restlichen Spielverlauf.

Nicht alles was gut ist, ist auch schön

Technisch kann das Game leider nicht ganz mit der spielerischen Qualität mithalten. Während unsere spielbaren Charaktere durchwegs hübsch anzusehen und toll animiert sind, leiden die Gegnerscharen unter akutem Abwechslungsmangel. Abgesehen von den Bossen, die allesamt wunderbar skurril und teils riesig groß sind, unterscheiden sich die „normalen“ Maschinen-Wesen dann doch nur durch, wenn auch sehr liebevoll gestaltete, Details. Auch mit seltenen, aber doch zum Teil recht heftigen, Framerate-Einbrüchen hat man in hektischen Situationen immer wieder zu kämpfen. Hinzu kommt, dass die Gegenden in denen wir uns herumtreiben sehr in ihrer Ansehnlichkeit schwanken. Während der Vergnügungspark sehr hübsch, bunt und atmosphärisch daherkommt, sind die Stadtruinen regelrecht hässlich. Überhaupt sind die Umgebungen relativ trostlos und detailarm, was aber zum Teil sicher beabsichtigt zu sein scheint.

Dafür sind Musik und Sounddesign erste Güte. Der Soundtrack erinnert stark an Anime Klassiker wie Akira oder Ghost in the Shell. Viele der Tracks beinhalten Solo- oder Chorgesänge, die sich in wichtigen Story-Momenten auch tatsächlich auf das Geschehen am Schirm beziehen. Einziges Manko hier wäre die Tatsache, dass man sich an so manchem Hintergrund-Track nach mehrstündigem loopen, trotz aller Qualität, dann doch unweigerlich satt gehört hat.

FAZIT

Lange hat es gedauert, bis dem unkonventionellen Game-Director Yoko Taro ein ordentliches Budget und damit ein namhaftes Entwicklungsstudio vergönnt waren. Aber das Warten hat sich für ihn und auch für uns Spieler eindeutig gelohnt. NieR: Automata  ist ein außer- und ungewöhnliches Open World Action RPG mit dem für Taro typischen, abgedrehten Art-Design sowie nun endlich durchdachtem und zumeist fesselndem Gameplay. Dazu eine Story die komplexer ist als sie auf den ersten Blick zu sein scheint, ein umwerfender Soundtrack, sowie viele kleine, überraschende Ideen. Nur die technischen Schwächen und eine Handvoll Design-Macken verwehren NieR: Automata eine echte Spitzenwertung. So zum Beispiel die unausgegorenen Schwierigkeitsgrade („Normal“ ist sehr, sehr einfach, während „Hard“ schon an Folter grenzt), ein unnötig mühsames Speichersystem, oder die teils sehr langen und überflüssigen Laufwege. Was bleibt ist ein toller Titel für alle die sich mal etwas abseits der ausgetretenen Wege bewegen möchten und über den einen oder anderen kleinen Mangel hinweg sehen können.

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

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