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Rain World im Test

Rain World ist ein vielerorts antizipierter Kickstarter-Titel, der mit großartigen Animationen und einem dynamischen Ökosystem punkten möchte. Eine erfrischende Mischung aus Platformer und Survival, gewürzt mit einem anständigen Schuss Schwierigkeitsgrad a la Dark Souls. Der Weg ist das Ziel, aber der Tod der allgegenwärtige, nervige, Begleiter.

What’s new pussycat

Wir spielen also eine Mischung aus Schnecke und Katze, die von ihrer Familie getrennt wurde und in einer postapokalyptisch anmutenden Welt überleben muss. Um dies zu bewältigen braucht man natürlich Nahrung, animalische Instinkte und schnelle Beine. Denn in dieser unwirtlichen Umgebung muss man jederzeit blitzschnell entscheiden, ob man sich gerade in der Rolle des Jägers oder des Gejagten befindet. Man fühlt sich als Tier. Und dieses Gefühl wird vom Spiel astrein vermittelt. Wenn unser Kätzchen eine Frucht verspeist kauft man ihm die Animation, das Kauen und die fragende, leicht skeptische Haltung, sofort ab.

Die gezeichneten Hintergründe passen zum Stil des Titels, die Grafik selbst sieht aber, vor allem auf hochauflösenden Monitoren, nicht superb aus. Mit einer Maximalauflösung von 1366×768 nutzt das Spiel die sogenannte „per pixel-collision“-Methode auf gerenderten Hintergründen. Somit skaliert die Grafik zwar automatisch auf höhere Auflösungen, nimmt dabei aber ein wenig an Qualität ab. Dies führt bei durchschnittlich großen Bildschirmen zu kaum wahrnehmbaren Grafikeinbußen, auf einem 75-Zoll 4k Monitor muss man aber schon mal beide Augen zudrücken.

I wanna hold your hand

Abseits von dem spärlich gehaltenen Intro gibt uns Rain World nur eine weitere Hilfestellung: Ein kleiner gelber Wurm begleitet uns durch die Abschnitte und zeigt uns mit anfangs verwirrenden Symbolen an, in welche Richtung man etwas interessantes finden könnte. Relevant sind vor allem 2 Dinge: Nahrung und ein sicherer Schlafplatz, in welchem man den regelmäßig auftretenden, tödlichen Regen, aussitzen kann. Um diese Plätze und Nahrung zu finden müssen wir uns aber mehr als vorsichtig durch das Terrain bewegen, denn die Welt ist durchzogen von Echsen, Jägern, Todesgeiern, und vielen mehr.  Spannend daran ist, dass jedes dieser Tiere eine eigene „Agenda“ verfolgt. So führen sie beispielsweise Revierkämpfe, müssen selbst nach Nahrung suchen, und besitzen im Hintergrund sogar unterschiedliche Werte wie Gewicht oder Aggression, quasi eine eigene Persönlichkeit. Außerdem hat jeder Typus eigene Eigenschaften. Grüne Echsen können nicht klettern, weiße können mit dem Hintergrund verschmelzen und sich unsichtbar machen. Und sie können auch aus einer Begegnung mit uns lernen. Zum Beispiel, dass wir ausgezeichnete Beute abgeben oder das sie eher aufpassen sollten, nachdem wir ihnen ein paar Steine in die fiese Fresse gepfeffert haben.

Dies führt zu grandiosen Situationen. Als wir uns geduckt durchs Terrain vorarbeiten stürzen plötzlich 2 dieser Echsenwesen im Todeskampf vereint auf uns hinab. Wir bringen uns angsthasenmäßig sofort in einem nahen Rohr in Sicherheit und beobachten die blutrünstige Auseinandersetzung. Plötzlich stürzt ein übler Geier des Todes, „Vulture“ genannt, aus dem Himmel hinab und befreit die beiden Kontrahenten – von ihrem Kampf und von ihrem Leben. Und unsere Katzenschnecke hält ihr Blümchen in der Hand und verliert jeder Hoffnung, hier lebend rauszukommen. Das ganze passiert ungeskriptet und dynamisch, wenn wir also wieder in diesem Gebiet vorbeikommen, passiert etwas ganz  anderes. Oder gar nichts.

Karma Karma Karma Karma Karma Chameleon

Genau dieses Gefühl der Hilflosigkeit in einer bedrohlichen Umgebung will Rain World erzeugen. Der Tod ist unausweichlich und grausam. Da wir ein Produkt unserer Umwelt sind, müssen auch wir töten um zu überleben. Wenn wir zum Beispiel eine leckere Fledermaus verspeisen erhalten wir einen Punkt auf unser Gaumenschmaus-Konto, um uns auf unser flauschiges Ohr hauen zu können benötigen wir zumindest 4. Die Auffindung eines Schlafplatzes gestaltet sich als herausfordernd, denn dazu muss man natürlich viele verschiedene Abschnitte erkunden – die Wahrscheinlichkeit zu sterben steigt. Zusätzlich hat man nur einen begrenzten Zeitraum dafür, denn die Uhr tickt. Und wenn sie abgelaufen ist, startet der tödliche, namensgebende Regen, der uns binnen weniger Sekunden fortspült, sollten wir uns nicht in eine dieser Schlafkammern in Sicherheit gebracht haben.  Grund genug also die Schneckenkatzenbeine in die Hand zu nehmen.

Die Inkludierung von Karma macht das Spiel in Verbindung mit dem oft auftretenden Ableben aber frustrierend.  Wenn wir es trocken und satt in einen der Schlafräume schaffen, werden uns 4 Nahrungspunkte abgezogen. Im Gegenzug dafür steigt unser Karmalevel. Dieses Karmalevel benötigen wir, um die Story voranzutreiben und in die nächsten Levelabschnitte vorstoßen zu können. Wenn wir aber sterben, verlieren wir einen Karmapunkt und werden zum Zeitpunkt unseres letzten Schläfchens, das quasi als Speicherpunkt zählt, wiederbelebt. Mehr als einmal kommt es vor, dass wir gefühlte 10 Minuten Nahrung suchen, dem Tod ausweichen, aber keinen Schlafplatz finden. Und dann kommt der Regen. Oder die leicht ungenaue Steuerung lässt uns einen Sprung versemmeln. Oder eine der unsichtbaren Echsen schnappt uns, weil wir zufällig an ihr vorbeilaufen. Oder wir nippen kurz an unserem Bier als uns in sekundenschnelle ein Geier aus dem Nichts abholt und verspeist. Letzteres ist natürlich ein grober Spielerfehler, verdeutlicht aber, dass man permanent auf der Hut sein muss. Denn wenn man das nicht ist, dann waren die letzten Spielminuten für die Schneckenkatz. Wenn das öfter hintereinander passiert, kann man im Affekt schon mal auf Alt und F4 drücken.

All by myself

Die Verschwiegenheit von Rain World ist Absicht seitens den Entwicklern. Es ist gewünscht, dass man immer mehr Gegebenheiten und Zusammenhänge beobachtet und dadurch die Welt versteht, quasi eine Anlehnung an Naturwissenschaften. Ob es jetzt um das Verhalten von uns feindlich gesinnten Wesen geht, die Tatsache, dass der Regen auch tödlich ist wenn wir uns von ihm geschützt glauben, oder wie man Rückwärtssaltos schlägt. Es gibt vieles zu entdecken. Beeren, die unser Karmalevel einmalig schützen oder feuerwerksähnliche Pflanzen.  Vieles ist verborgen, wenig bis gar nichts wird erklärt. Der Ansatz ist generell nicht schlecht, aber auch nicht für jedermann geeignet.

Für einen ersten Durchlauf rechnen die Entwickler satte 30 Stunden oder mehr ein. Dies inkludiert jedoch auch oftmaliges sterben und Rücksetzung des Karmawertes, dadurch wirkt das Spiel ein wenig in die Länge gezogen. Die Erkundung der Areale macht Spaß und vermittelt das Gefühl, ein Spielball in einer Welt aus Tennisschlägern zu sein. Für die nahe Zukunft wurde auch ein Coop- und ein PVP-Modus angekündigt, die gratis nachgepatched werden. Inhalt wird also genug geboten.

FAZIT

Eine unübliche Kombination in einem unüblichen Spiel. Motivation und Spaß sind vorhanden, Frust ebenso. Für wen Dark Souls ein laues Lüftchen in Sachen Schwierigkeitsgrad ist, dem wird auch Rain World mehr Spaß- als Frustmomente bescheren. Alle anderen sollten genau überlegen, wie hoch ihr Skill-Level in Sachen Platformer liegt und wie schnell man sich von einem Spiel frustrieren lässt. Wer zu einem positiven Ergebnis kommt, kann zugreifen.

 

Gesamtwertung: 6.4

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 6 | Handling: 6 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

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