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Wie steht es um die Zukunft der Lootbox?

Die Entwicklungskosten für Online-Games betragen oft hunderte Millionen US-Dollar. Um diese Summen über den Verkaufspreis wieder einzuspielen, sind hohe Verkaufszahlen nötig. Das ist gar nicht so einfach, denn die Konkurrenz auf dem Markt ist groß. Und Gamer verbringen ihre Zeit oft monate- oder sogar jahrelang mit demselben Spiel und geben während dieser Zeit kein Geld für ein neues Produkt aus. Die Gaming-Branche hat hierfür eine Lösung gefunden: Virtuelle Gegenstände, die im Spiel gekauft und eingesetzt werden können, sind ein lukratives Geschäft. Besonders dann, wenn es sich um sogenannte Lootboxen handelt.

Bei ihnen kauft der Spieler gewissermaßen die Katze im Sack. Er weiß, dass er einen Ausrüstungsgegenstand erhalten wird. Aber wie gut dieser tatsächlich ist, weiß er nicht. Um die besten Upgrades zu bekommen, wird oft eine Lootbox nach der anderen gekauft. Dass das problematisch sein kann, hat mittlerweile auch die Gaming-Industrie erkannt. Der CEO von Fortnite-Entwickler Epic Games, Tim Sweeney, wies vor kurzem öffentlich auf das Problem hin. Die Praktik schade nicht nur den Spielern, sondern auch den Herstellern.

Gaming und Glücksspiel – wo verläuft die Grenze?

Das Problem: Der Lootbox-Mechanismus ähnelt dem eines Glücksspiels. Wenn das tatsächlich so ist, wäre das zunächst nichts Verwerfliches. Allerdings ist es weder klar als solches zu erkennen, noch mit den meisten gesetzlichen Regelungen zu diesem Thema vereinbar. Denn zwischen klassischen Online-Games, die auf den Fähigkeiten der Spieler basieren und dem Glücksspiel, bei dem fast nur der Zufall entscheidet, wird rechtlich gesehen eine klare Grenze gezogen. Online-Glücksspiele dürfen nicht von jedem beliebigen Anbieter, sondern nur im Rahmen einer lizensierten Plattform zur Verfügung gestellt werden. Ein Online Casino laut Definition von CasinoBlox ist “eine Internet Plattform, die ihren Nutzern Glücksspiele mit Geldeinsatz und der Chance auf Geldgewinne bietet.” Solche Webseiten unterliegen besonderen Regeln, die dem Jugendschutz und dem Spielerschutz dienen sollen. Diese Regeln werden durch Lootboxen möglicherweise unterwandert. Denn unter den Nutzern der betroffenen Spiele befinden sich auch zahlreiche Minderjährige. Mechanismen, um problematisches Kaufverhalten im Zusammenhang mit Lootboxen einzudämmen, gibt es ebenfalls kaum. So kommt es, dass manch Nutzer vierstellige oder gar fünfstellige Beträge für Lootboxen ausgeben, immer in der Hoffnung, dass in der nächsten Box der heiß ersehnte Gegenstand zu finden ist. Diesem Problem haben nicht nur die Medien ihre Aufmerksamkeit geschenkt. In einigen Ländern hat es auch schon die jeweilige Regierung auf den Plan gerufen.

Lootboxen in Rise of Kingdoms
Bei den Lootboxen in Rise of Kingdoms sieht der Spieler den Inhalt vor dem Kauf, das ist nicht überall so.

Folgt Schweden dem belgischen Beispiel?

Eines der ersten Länder, das massiv gegen Lootboxen vorging, war Belgien. 2018 untersagte das Land die Lootbox-Systeme in den Spielen FIFA 18, Overwatch und Counter-strike: Global Offensive. Eine neue Studie der schwedischen Verbraucherbehörde kommt ähnlich wie die Belgier zu dem Schluss, dass Lootboxen unter das Glücksspielgesetz fallen könnten. Sollten Gerichte tatsächlich zu dieser Einschätzung kommen, könnte das für die Spielhersteller empfindliche Konsequenzen haben. Ihre Angebote wären demnach als unlizenzierte Form des Glücksspiels illegal. Ihnen könnten dann hohe Geldstrafen drohen. Nach Belgien und den Niederlanden wäre Schweden damit das dritte europäische Land, das aktive Maßnahmen gegen die bedenkliche Geschäftspraktik ergreift. Auch China hat seine Gesetze an das neue Phänomen angepasst. Das Land setzt sowohl auf Einschränkungen beim Verkauf von Spielen an Minderjährige als auch auf eine Begrenzung der Summen, die monatlich für Lootboxen ausgegeben werden können.

Darüber hinaus wird die Situation in vielen Ländern beobachtet, darunter Deutschland, Frankreich und Australien. Behördliche Untersuchungen sind hier bislang zu keiner eindeutigen Einstufung von Lootboxen als Glücksspiel gekommen. Dennoch haben sie den problematischen Charakter von Lootboxen insbesondere im Hinblick auf den Jugendschutz erkannt. Es ist also durchaus denkbar, dass entsprechende Gesetzesinitiativen folgen. Schließlich ist auch die EU ein möglicher Kandidat für eine gesetzliche Regelung, zumindest wenn es nach dem belgischen Justizminister Koen Geens geht: Der fordert ein striktes Verbot und zwar in der gesamten Union.

Anpassungen in der Spielindustrie erforderlich

Auch vor diesem Hintergrund dürfen wohl die Äußerungen des Epic Games-CEOs verstanden werden. Mit Bemühungen zur Selbstregulierung könnte die Branche gesetzlichen Maßnahmen vorbeugen, die womöglich deutlich strenger ausfallen würden als freiwillige Auflagen. Schließlich wird in der Öffentlichkeit nicht nur der Glücksspielcharakter der Lootboxen kontrovers diskutiert, sondern auch das Kaufverhalten minderjähriger Gamer in free-to-play Spielen. Eltern kritisieren beispielsweise, dass es viel zu einfach sei, zahlungspflichtige Einkäufe während des Spiels abzuschließen. Gesetzesmaßnahmen, die den Verkauf von virtuellen Gegenständen insgesamt erschweren würden, könnten die Umsätze der Gaming-Branche empfindlich treffen.

Epic Games hat daher  sein Lootbox-System in Fortnite 2019 grundlegend verändert. Spieler können jetzt vorab sehen, welcher Gegenstand sich in der Lootbox befindet und sich anschließend für oder gegen einen Kauf entscheiden. Der Glücksspiel-Vorwurf dürfte damit wohl vom Tisch sein. Die Umsätze des Unternehmens scheinen die Umstellung gut verkraftet zu haben. Die Maßnahme könnte daher durchaus Vorbildcharakter für den Rest der Branche haben. Viele Unternehmen zeigen sich aber bislang zurückhaltend. So hat beispielsweise Spielegigant Valve in seinem beliebten Titel Counter-strike: Global Offensive Lootboxen für Länder wie Belgien und die Niederlande deaktiviert, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Im Rest der Welt geht die zweifelhafte Praktik aber unverändert weiter. Es scheint so, als müsse Tim Sweeney noch ein wenig Überzeugungsarbeit bei seinen Kollegen leisten.

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