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Divinity: Original Sin Test

Ein Old-School Rollenspiel im Divinity Universum sollte es werden. Mit einer interaktiven Spielewelt und reaktiven NPCs ganz im Stile eines Ultima VII. Das waren die großen Ankündigungen von Larian Studios für Divinity: Original Sin auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Und die Fans wollten es scheinbar unbedingt haben, denn die Projektfinanzierung war schon ziemlich frühzeitig gesichert. Große Versprechungen und nahezu alle wurden gehalten, aber kann ein Rollenspiel der alten Schule auch heute noch begeistern?

Das Abenteuer beginnt

Der Captain will uns an Deck des Schiffs sehen? Warum wohl? Eigentlich soll er uns doch nur in die Hafenstadt Cyseal bringen, damit wir dort den Mord an dem Ratsmitglied Jake aufklären können. Dessen Leiche wurde im ortsansässigen Gasthaus gefunden, also eine ganz normale Routineuntersuchung für uns Quellenjäger. Aber scheinbar wird die Hafeneinfahrt von Ork-Schiffen blockiert. Kein Problem, dann lassen wir uns einfach an einem abgelegenen Strand absetzen und kämpfen uns bis zum Städtchen auf eigene Faust durch. Am Ziel angekommen wird eines relativ schnell klar: Obwohl sich der Kreis der Verdächtigen dank Zeugenaussagen auf einige wenige mutmaßliche Delinquenten einschränken lässt, gestaltet sich die Untersuchung weitaus schwieriger als zunächst gedacht, denn die Bluttat wurde mit Hilfe von Magie in die Tat umgesetzt. Dazu kommt, dass wir im Laufe unserer Ermittlungen auf ein Geheimnis stossen, welches die Welt von Rivellon in ihren Grundfesten erschüttern wird.

B.D.D. – Before Divine Divinity

Chronologisch spielt Original Sin noch vor den beiden Vorgängern Divine Divinity sowie Divinity II: The Dragon Knight Saga. Wer sich also bis dato noch nicht nach Rivellon wagte, hat somit keinen Nachteil. Kenner der Spielreihe werden jedoch zahlreiche vertraute Details finden. Divinity: Original Sin beschreibt sich selbst als ein gruppenbasiertes, klassenloses Rollenspiel mit rundenbasiertem Kampf und einer interaktiven Welt. Ein Novum ist dabei, dass ihr zu Beginn nicht nur eine einzelne Spielfigur kreieren dürft, sondern gleich ein Helden-Duo. Dabei wird euch bei der Charaktererstellung der zwei Hauptpersonen jede Menge Freiraum gewährt. Nicht nur das Aussehen kann bis auf die Unterwäsche angepasst werden, sondern auch die Talente und Fähigkeiten der insgesamt elf Grundklassen. So können wir auch als Ritter Fähigkeitspunkte in Hexerei vergeben, um dann mit entsprechenden Zaubersprüchen die Gegner zu schwächen oder ebenso einen Zauberer mit einer Zweihandwaffe ausrüsten. Das klassenlose Charaktersystem geht sogar so weit, dass man im Verlauf der Kampagne jede Spielefigur jede Art von Waffe oder Rüstung benutzen und alle möglichen Fertigkeiten und Fähigkeiten im Spiel erlangen kann.

Kollege, Freund oder Herzblatt?

Mit dem gebastelten Helden-Duo geht es ab nach Rivellon. Vom eingangs erwähnten Strand begeben wir uns Richtung Cyseal und können dabei quasi im Vorbeigehen ein Tutorial in Form eines kurzen Dungeons absolvieren oder gleich in der Hafenstadt einkehren. Rivellon offenbart sich dabei als eine völlig offene Welt in der man mit nahezu allen Objekten und Personen interagieren kann. Wie sich ein nicht spielbarer Charakter dem Spieler gegenüber verhält, hängt hauptsächlich von den Sympathiepunkten gegenüber euren Helden ab. Diese werden einerseits durch den Persönlichkeitswert “Charisma” eurer Spielfigur bestimmt, andererseits auch durch euer Verhalten während der Kampagne und beeinflussen, ob euch ein NPC bei euren Abenteuern unterstützt oder euch ohne Vorwarnung angreift. Dabei hängt es nicht so sehr ab, ob ihr bestimmte Aufträge der Bewohner erledigt, sondern wie ihr die gestellte Aufgabe erledigt. So kann man sich beispielsweise wichtige Objekte mit roher Gewalt besorgen, aber ebenso ist es möglich den Besitzer mit seiner Überredungskunst zu überzeugen. Ich kann den Gegenstand aber auch mittels Taschendiebstahl entwenden oder dank umfangreichen Crafting-System auch selbst herstellen. Solche Entscheidungen können aber nicht von einem Helden im Alleingang getroffen, sondern müssen zuvor mit dem Partner abgesprochen werden. Sind sich beide in der Vorgehensweise uneinig, wird das Ergebnis anhand einer Runde Schere, Stein, Papier ermittelt.

In den Dialogen unterschiedlicher Meinung zu sein, beeinflusst dabei nicht nur die Entscheidungsfindung, sondern wirkt sich auch maßgeblich auf das Verhältnis und auf die sozialen Attribute der Protagonisten aus. Im Verlauf der Kampagne ändert sich somit auch die Beziehung der beiden Helden: Ist es lediglich eine Zwangsgemeinschaft um die Aufgabe zu erledigen, werden die beiden Best Buddies oder bahnt sich sogar so etwas wie eine Romanze an? Alles ist möglich.

Für das Crafting selbst benötigt ihr eigentlich nur 2 Gegenstände, die im Inventory einfach mit Drag-and-Drop miteinander kombiniert werden. Funktioniert natürlich nur dann wenn die beiden Gegenstände „kompatibel“ sind und der Charakter die entsprechend notwendige Craftingstufe besitzt. So ergibt das Kombinieren eines leeren Fläschchens mit dem richtigen Pilz z.B. einen Heiltrank. Auf diese Weise können alle möglichen Arten von Gegenständen, Tränken, Waffen und Rüstungen hergestellt werden. Mittels Spitzhacke wird Erz, Gold und andere wertvolle Mineralien in Minen abgebaut und kann dazu verwendet werden die eigenen Waffen und Rüstungen zu verbessern. Ja sogar das Anfertigen von speziellen Fähigkeitenbüchern ist mittels entsprechendem Zauberspruch und leerem Fertigkeitenbuch möglich. Hier ist leider aber auch sehr viel Experimentieren angesagt, die gefunden Rezepte aus Büchern geben nicht immer genau Auskunft welche Ingredienzien schlußendlich welchen Gegenstand ergeben.

In der Gruppe sind wir stark

Ein Helden-Pärchen macht noch keine Gruppe, deswegen darf jeder der zwei Protagonisten jeweils einen zusätzlich Mitstreiter anheuern. Diese besitzen zwar eine rudimentäre Hintergrundgeschichte und haben ihre eigenen Meinungen, können aber nicht auf die Entscheidungen der beiden Hauptcharaktere eingreifen. Wenn sie jedoch über getroffene Aktionen besonders erfreut oder erzürnt sind, ändert das ihre Sympathiewerte zum Helden und bringen das, zumindest verbal, auch zum Ausdruck. Begleiter können ebenso mit erbeuteten oder gekauften Ausrüstungsgegenständen ausgestattet werden, sowie Erfahrungspunkte sammeln, in Stufen aufsteigen und damit neue Fertigkeiten und Talente erlernen.

Spinnenköngin
Die Spinnenkönigin ist ein imposanter Gegner und bedarf der richtigen Taktik um siegreich aus diesem Kampf hervor zu gehen.

Betritt die Heldengruppe, oder auch nur ein einzelner Charakter, in den Aktionsradius eines Feindes, wird sofort in den rundenbasierten Taktikmodus umgeschaltet. Jeder Teilnehmer hat dabei auf Basis seiner Eigenschaftswerte und Fähigkeiten eine bestimmte Anzahl von Aktionspunkten, welche die Art und Anzahl ihrer Handlungen bestimmen. Sofern diese Aktionspunkte ausreichen, dürfen beliebige Angriffe, Zauber und Bewegungen gekoppelt werden, nicht verbrauchte Punkte werden in die nächste Runde mitgenommen. Gerade in diesem sehr simpel klingenden Kampfsystem liegt die große Stärke von Divinity: Original Sin, denn aufgrund der zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten erreicht das Rollenspiel eine enorme taktische Spieltiefe. Vor allem die Interaktion mit der Umwelt macht dabei sehr viel Laune. Es regnet? Sehr schön, denn dann sind Frostzauber noch effektiver. Oder wir verwenden Blitze und paralysieren damit gleich ein paar Gegner auf einmal. Ebenso können Gegenstände wie Öl- oder Giftfasser verwendet werden. Mit Hilfe der Telekinese-Fähigkeit der Haupthelden werden diese einfach auf die Feinde geschleudert, danach genügt nur mehr ein Funken und der angerichtete Schaden übertrifft jeden Standard-Zauberspruch. Das Schlachtfeld beschränkt sich ausserdem nicht nur auf eine bestimmte Position, sondern kann auch verlagert werden. So können etwa Gegner in die Nähe der Stadtmauer gelockt werden, wo wir einerseits Hilfe der Stadtwache erhalten und auch die dort platzierten Geschütze bedienen dürfen.

Die meisten Zaubersprüche und Fertigkeiten basieren dabei primär auf den 4 Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft, es gibt aber auch noch zahlreiche weitere interessante und vor allem nützliche Fähigkeiten. So ist es möglich alle Arten von Begleitern im Kampf hervor zu zaubern, wie eine gigantische Spinne, einen Todesritter oder einen weißen Wolf. Andere Sprüche erlauben sich unsichtbar zu machen, eine ferngesteuerte Bombe loszuschicken, den Gegner durch die Luft zu schleudern oder gefallene Kameraden wieder zu beleben. Die entsprechenden Zauber und Fertigkeiten voraus gesetzt sind die Möglichkeiten einen Kampf siegreich zu beenden oder Aufgaben zu lösen, fast unbegrenzt. Für spezielle Gegner ist es allerdings auch erforderlich sich zuerst die entsprechenden Zauber zu organisieren um sie besiegen zu können, wie etwa die Todesritter in den Minen, die ohne entsprechenden Spruch unverwundbar sind und nur mittels „Schleichen“ und „Unsichtbarkeit“ umgangen werden können. Die Quests sind also auch teilweise voneinander abhängig und es hilft in diesen Fällen nur diese in der richtigen Reihenfolge zu lösen. Mittels magischen Portalen lassen sich aber zumeist alle Gegenden wieder besuchen um noch nicht gelöste Aufgaben doch noch zu erledigen.

Schöne, alte Welt

Ein Hauptziel von Larian Studios war es eine lebendige, interaktive Spielwelt zu erschaffen und das ist ihnen auch durchwegs gelungen. Rein technisch basiert diese auf der hauseigenen Grafikengine die auch schon bei Divinity: Dragon Commander zum Einsatz kam. Wie diese aber weiter entwickelt wurde, um damit eine solche wunderschöne Märchenwelt mit einer derartigen Liebe zum Detail diese auf den Bildschirm zu zaubern ist beeindruckend. Mit nahezu jedem Gegenstand kann interagiert und jeder NPC angesprochen werden. Das Erkunden einer Spielewelt war schon lange nicht mehr so schön wie in Divinity: Original Sin.  Dieses Erforschen von Rivellon ist aber auch dringend notwendig, denn auch in Sachen Spielmechanik wird das Credo “altmodisch” durchaus wörtlich genommen. Hilfestellungen wie etwa Questmarker existieren nicht, um einen bestimmten Auftrag zu erhalten muss man wissen welche Person man ansprechen muss – oder probiert es auf gut Glück . Auch im Tagebuch finden sich meist nur sehr kryptische Hinweise für die Lösung der Aufgaben, wodurch man sich als Spieler vor allem in den ersten Stunden etwas allein gelassen fühlt. Wirklich unpraktisch ist aber die Bedienung ausgefallen. Das Inventar ist unübersichtlich, Gegenstände müssen von einem Charakter zum anderen “versendet” werden und beim Handeln mit NPCs darf man nicht vergessen den Wert der Gegenstände in Gold gesondert zu verlangen, denn ansonsten wird man zum wohltätigen Spender und verschenkt sein Hab und Gut.

Auch die Inszenierung der Story rund um den Mordfall des Ratsmitgliedes kann nicht ganz mit der liebevollen gestalteten Spielewelt mithalten. Einerseits liegt es daran, dass die Geschichte nur sehr langsam Schwung aufnimmt, andererseits daran, dass diese nur in bildschirmfüllenden Textpassagen präsentiert wird. Wer sich aber die Mühe macht die nicht enden wollenden Dialoge aufmerksam durchzulesen, der wird mit jeder Menge Witz und versteckten Anspielungen belohnt.

Koop-Helden

Divinity: Orignial Sin verfügt auch über einen Mehrspielermodus, bei dem ein menschlicher Mitstreiter jederzeit über Internet oder lokales Netzwerk auch in ein laufendes Spiel einsteigen kann. Der zweite Spieler übernimmt dabei die Kontrolle über einen der beiden Hauptcharaktere – sowohl im Kampf als auch bei der Interaktion mit NPCs. Während im Einzelspieler das Koop-Dialogsystem nicht ganz so richtig funktionieren will (der Computer stimmt entweder immer zu oder gibt zufällige Antworten), wird dieses Feature im Mehrspielermodus zum echten Highlight, welches sogar den ganzen Spielverlauf verändern kann. Wer übrigens nicht genug bekommen kann, der bekommt gleich einen Editor mitgeliefert, mit dem man seine eigenen Abenteuer erschaffen kann. Auf Nachschub müssen hungrige Rollenspielfans somit sicher nicht lange warten.

Fazit Tom

tsteinbauerOb ein Old-School Rollenspiel heute noch begeistern kann? Definitiv Ja! Wobei sich Divinity: Original Sin jedoch als das schon oft zitierte zweischneidige Schwert präsentiert, denn einerseits taucht man mit seinen Helden schon nach wenigen Minuten in die lebendige Spielewelt ein und freut sich über die anspruchsvollen taktischen Scharmützel, andererseits ist man dann aber scheinbar schon so sehr verwöhnt, dass man gewisse Komfortfunktionen eines modernen Rollenspiels einfach nicht mehr vermissen möchte. Früher war halt dann doch nicht immer alles besser und mit etwas mehr Feintuning hätte man sicher den einen oder anderen Kritikpunkt noch ausmerzen können. Auch die Story kann nicht ganz überzeugen. In diesem Punkt kann Original Sin den Klassikern wie Baldurs Gate nicht das Wasser reichen. Aber all das ist jammern auf hohem Niveau, denn Larian Studios hat mit Divinity: Original Sin ein großartiges Spiel abgeliefert, welches nicht nur Old-School Gamer zu begeistern vermag.

Fazit Hannes

hlinsbauerAls Rollenspielfan war für mich klar mehr als nur einen schnellen Blick auf Divinity: Original Sin zu werfen. Verwöhnt von actionreichen Rollenspielen wie The Witcher oder The Elder Scrolls: Skyrim beförderten die ersten Minuten von Divinity: Original Sin meinen Blutdruck auf 180. Isometrische Oldschool-Grafik, viele ellenlange textlastige Dialoge, tausende Gegenstände und keine Ahnung wohin es bei der nächsten Quest gehen soll! Noch dazu kommen rundenbasierte Kämpfe und lange Laufwege. Überwindet man allerdings diese Einsteigshürde, verdaut den ersten Schock und beginnt sich intensiver mit der Spielewelt und den Spielmechaniken zu befassen, offenbart sich schnell die eigentliche Brillanz dieses Meisterwerks der Larian Studios. Es beginnt Spaß zu machen die Umgebung Stück für Stück zu erkunden, mit den unzähligen Gegenständen zu experimentieren und im Kampf die 4 Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde sinnvoll einzusetzen um die rundenbasierten Kämpfe gegen die höchst unterschiedlichen Gegnergruppen für sich zu entscheiden. Geschickt haben die Entwickler es verstanden auch die Umgebung in das Spiel so zu integrieren, das es zumeist für die unterschiedlichen Aufgaben mehrere Lösungswege gibt ohne in einer Sackgasse zu enden. Mit der nötigen Einspielzeit macht Divinity: Original Sin dann richtig, richtig viel Spaß, lediglich die Story selbst mag nicht wirklich ganz zu überzeugen und manch nervige Abläufe in der Spielmechanik hätte man auch noch verbessern können. Alles in allem aber ein klasse Titel für viele Stunden bester Unterhaltung in Rivellon.

Kleiner Tipp am Rande noch von mir, mit dem Unsichtbarkeitszauber oder entsprechenden Tränken lassen sich manche nicht zu passierende Stellen dann doch recht komfortabel lösen. Also versuchen die Fähigkeit so rasch wie möglich im Spiel zumindest für einen Charakter zu entwickeln.

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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