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Sniper Ghost Warrior Contracts 2 im Test

Die Sniper Ghost Warrior Contracts-Spiele haben einen interessanten Platz im Pantheon der Shooter-Spiele. Einerseits, weil sie an und für sich eine interessante Mischung aus Katz und Maus-Spiel auf kurze bis mittlere Distanz und des gekonnten Einsatzes der gewaltigen ballistischen Kraft einer hochkalibrigen Präzisionswaffe auf extreme Entfernungen sind. Und ja – andererseits auch, weil keines der bisherigen Spiele wirklich „sehr gut“ war. Und doch hat die Serie ihre Fans. Und die bekommen regelmäßig neues Futter. So auch jetzt. Zeit das Gewehr zu entsichern und den Tarnumfang überzuwerfen – mal sehen, was Alter-Ego „Raven“ jetzt so für uns parat hält.

Sniper Ghost Warrior Contracts 2 beginnt in dem fiktiven Land Kuamar, kurz nach den Ereignissen des keine zwei Jahre alten Vorgängers. Präsident Omar Al-Bakr und seine Frau, Bibi Rashida, haben das Land die letzten 20 Jahre regiert. Als Al Bakr ermordet wird, kommt seine Frau an die Macht und, um es behutsam auszudrücken, macht die Sache nicht unbedingt besser als ihr Gatte. Unterstützt von einigen der Schlimmsten der Schlimmen, hält sie das Land in eisernem Griff. Unser Ziel: diesen Griff zu lockern … obgleich die Story weder Oscar-reif noch wirklich wichtig ist. Dennoch ist schön zu sehen, dass die Entwickler erneut etwas mehr Mühe in die Präsentation selbiger gesteckt haben und die somit zwar immer noch lange nicht so gut ist wie etwa in Call of Duty, aber immerhin erneut einen Schritt in die richtige Richtung machen konnte.

Schöner morden

Ebenfalls eine Menge Mühe wurde erneut in die Grafik auf Basis der CryEngine investiert. Die Beleuchtung sieht großartig aus und die Level-Designs sind besser als je zuvor. Knackscharfe Texturen, immense Sichtweite und zahlreiche Effekte wie Hitzeflimmern in heißen Umgebungen, was uns das snipen nicht unwesentlich erschwert, sorgen zudem für Eye-Candy. Und dann sind da natürlich noch die „Signature-Effekte“ der Serie: Die blutigen Aufnahmen mit Blick „in“ die Körper unserer Opfer, während der sich die Kugel durch Fleisch und Knochen bohrt, was mit einem befriedigenden Knirschen endet. Und ja: Ein Kopfschuss knippst bei jedem Bösewicht das Licht aus – auch unseren Primärzielen, also quasi den „Bossen“. Und just dieses „vor der Kugel sind alle gleich-Ding“ sorgt sodann auch für die Momente im Spiel, in denen es am hellsten glänzen kann. Während einer Mission etwa sollte ich einen Warlord in einem gut bewachten Rechenzentrum ausschalten. Auf Nahkämpfe oder langes Schleichen durch Gegner-Massen – quasi das „Täglich-Brot“ in der Sniper-Serie – wollte ich mich aber nicht einlassen. Nachdem ich also seine Bewegungsmuster heraußen hatte, landete ich aus einem fahrenden Aufzug über einen massiven Abgrund hinweg durch eine Glasscheibe, durch die er nur für den Bruchteil eines Augenblicks zu sehen war, meinen Treffer. Oh du süße Genugtuung …

Viel Spielzeug, große Spielplätze

Das Spiel erstreckt sich über sechs Missionen, von denen die erste ein kurzes Tutorial ist, um euch mit dem Scharfschützenkonzept und der Ausrüstung vertraut zu machen. Jeder Auftrag hat in der Regel mindestens ein Primär- und zahlreiche Neben-Ziele, wobei angenehm viel Abwechslung geboten wird. Hier wen ausschalten, dort wen retten, da etwas sabotieren und so weiter. Dabei kommt auch wieder einiges an Sandbox-Feeling auf. Zu Beginn jeder Mission wird euch nämlich nur die ungefähre Location der Hauptziele angegeben. Wo es genau ist und wie ihr es erreichen könnt, ist euer Kaffee. Ist die „Main-Mission“ angehakt, tauchen sodann mehrere Exfiltrations-Zonen auf der Karte auf, über die ihr die Mission und das Areal verlassen könnt … oder aber über die ihr zusätzliche Ausrüstung anschaffen und dann ins Geschehen zurückkehren könnt.

Apropos Ausrüstung: Diese spielt in Contracts 2 wieder eine große Rolle. Euer wohl wichtigster Freund und Helfer etwa ist eine Drohne, mit der ihr Feinde aufspüren und markieren, Kameras deaktivieren und sogar Giftpfeile abfeuern könnt. Auch die üblichen Granaten und Minen sind vorhanden, ebenso wie ein ferngesteuerter Geschützturm, C4-Ladungen und Bandagen (Es gibt ein Auto-Heal-Feature – das aber sehr langsam arbeitet. Da machen die Medikits schon gelegentlich Sinn), um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Auch Waffen gibt es freilich reichlich, die durch eine Vielzahl von Aufsätzen und Upgrades noch diverser werden. Es wartet eine große Auswahl an verschiedenen Scharfschützengewehren, Semi- und vollautomatischen Maschinengewehren und Pistolen, einen Bogen und, und, und – außerdem sorgt eine Auswahl an verschiedenen Munitionstypen, die die Waffen noch weiter auf die aktuelle Situation anpassbar machen, für zusätzliche Tiefe. Da wäre etwa die klassische, leichte Munition, die zum Ausschalten ungepanzerter Ziele verwendet wird und nur bei einem Kopfschuss verlässlich tötet. Für die schweren gepanzerten KI-Schergen hingegen sollte man lieber zu panzerbrechender Munition greifen. EMP-Patronen wiederum werden verwendet, um Elektronik aus der Ferne auszuschalten; obwohl es sich oft lohnt, einfach einen freiliegenden Schaltkasten irgendwo anders zu finden, um diese Patronen für den Fall aufzusparen, dass sie wirklich gebraucht werden. Lockgeschosse lassen den Gegner aufhorchen, indem sie ihn dazu bringen, in die Richtung des Einschlags zu schauen oder sogar den Posten zu verlassen. Und die letzte verfügbare Patrone fällt schon fast in die Kategorie Cheat: „Agile Bullets“ erlauben es dem Schützen, das Fadenkreuz direkt auf das Ziel zu richten und dabei Wind, Flugbahn und alles andere zu ignorieren. Man drückt ab, trifft das Ziel – Punkt. Fast schon langweilig …

Abgesehen von der langen Liste an Ausrüstungsgegenständen könnt ihr euren Charakter auch mit Upgrades eurem Spielstil anpassen. Die Fähigkeiten sind aufgeteilt in Maske und Aufklärung, Unterstützung und Tarnung, Drohne und Geschützturm sowie Ausrüstung und Gadgets. Sie können allerdings nicht mit Geld aus den Aufträgen gekauft werden, sondern wollen durch Punkte freigeschaltet werden, die ihr ähnlich wie Achievements durch eure Leistung verdient. Also z.B. dadurch, ein ganzes Lager unbemerkt und lautlos zu säubern, ein Ziel auf lächerlich große Entfernung auszuschalten oder dergleichen.

Der Haken an der G’schicht

Klingt alles super? Ja, durchaus. Aber der Teufel steckt wie so oft im Detail … hier vor allem in zwei Bereichen: der Gegner-KI und dem Speichersytem. Erstere etwa konfrontiert euch mit einer kuriosen Mischung aus Super-Soldat und sabberndem Vollidiot in Personalunion. Denn während beispielsweise alle Feinde der gefühlt ganzen Map sofort wissen, wo ihr seid, sobald ihr gesichtet wurdet, wissen sie sehr unterschiedlich gut etwas mit dieser Info anzufangen. Da bleiben manche stur auf ihrem Posten stehen und schauen wie Autobusse, während andere sofort mit chirurgischer Präzision Mörser auf eure Position abfeuern. Anderes Beispiel: Während es manche Feinde schaffen, innerhalb des Augenzwinkerns zwischen „ich seh dich“ und „ich bin tot“, alle ihre Freunde über eure Anwesenheit zu informieren, bin ich nicht einmal gefühlt zehn Schritte von einem Feind entfernt mitten durch sein Sichtfeld marschiert, ohne dass er auch nur irgendeinen Anstoß daran genommen hätte. Ja – beide Extremfälle sind glücklicherweise genau das: Extreme und nicht die Regel. Dennoch ist es jedes Mal, wenn es passiert, äußerst ärgerlich. Und das hängt vor allem mit dem Speichersystem zusammen.

Ein Quick-Save-Feature, das manuell ausgelöst werden kann, gibt es nämlich keines. Stattdessen speichert das Spiel automatisch. Nur wann es das tut, entzieht sich ab und an jedweder Logik. Mehr noch: Es kann einem den kompletten Spaß am Spiel vermiesen. Ein Beispiel: In einer Mission galt es, eine Gefangene zu retten. Würde man entdeckt, bedeutet das den sicheren Tod der Geisel. Soweit so gut. Der Haken: Nach rund einer Stunde Spielzeit in der Map versemmelte ich einen Schuss aus rund 1200 Metern Entfernung auf eine der Wachen. Heißt: Alle Bösewichte rund um unseren armen Gefangenen waren auf sein Blut aus und ich viel zu weit weg um etwas dagegen zu tun. Blöderweise speicherte das Spiel just in dem Moment, in dem Alarm ausgelöst wurde. Schade – hilft nur noch ein kompletter Neustart der Mission. *grummel*

Neben diesen Unvollkommenheiten im Game-Design stieß ich auch auf diverse Bugs. Mehr als einmal wurden kleine Vorsprünge oder dünne Ästchen von Bäumen zu nahezu unüberwindbaren Hindernissen. Auch leuchtet mir persönlich nicht so ganz ein, warum ein Maschendrahtzaun für unseren Super-Duper-Elite-Soldaten ein ebenso überwindbares Hindernis sein soll, wie eine drei Meter dicke Betonwand. Noch nie was von einem Leatherman gehört? Ärgerlich unlogisch.

Aber gut: Wenn man sich mit dem allem gut arrangiert – oder auf Patches hofft – wird einen Sniper Ghost Warrior Contracts 2 gut unterhalten. Und das lang. Der Umfang reicht für irgendwas zwischen 8 und etwa 30 Stunden Spielzeit. Warum die große Spreizung? Nun, wenn man wie ein Verrückter drauf losrennt, sich durch die Feinde pflügt als wäre man im neusten Call of Duty-Teil unterwegs und dann nach Erledigen der Hauptziele sofort zur Extraktionszone spurtet und abhaut, ist man freilich VIEL kürzer beschäftigt, als wenn man das Spiel so angeht, wie es die Entwickler vorgesehen haben. Also mit Bedacht, viel Schleichen, kreativem Ausprobieren der Ausrüstung und ja, auch so manchem Neustart einer Mission.

Zusammenfassung

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1 Kommentar

Saam 31. Juli 2021 at 10:07

Nun gut, es wird nie das perfekte Spiel geben…zu unterschiedlich sind die Meinungen und Wünsche, zu unterschiedlich die Prioritäten. Nach Perfektion kann man nur streben, ist diese erreicht, bedeutet das das Ende jeglichen Fortschrittes und das Ende der Evolution.
Es gab zu keiner Zeit das perfekte Spiel. Schade ist im allgemeinen, dass die Meisten Entwickler nicht aus ihren Fehlern lernen. So was wie ne doofe KI, schlechte Kollisionsabfrage etc. dürfte es gar nicht mehr geben – es gibt immer ein Argument, dies zu rechtfertigen…das, zudem Kojima zu Anbeginn der PS-Aera fähig war, kann anscheinend von keinem mehr erreicht werden – ein Trauerspiel.
Wenn ich an die alten Metal Gear Spiele denke, wie diese programmiert wurden und das von einem ganz jungen Hideo Kojima, da passte die KI und Kollisionsabfrage einfach. Das können die anscheinend nicht??? Die Frage, ist das der Zeitdruck, wir es verschlampt; warum ist das so??

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