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The Thaumaturge im Test

Der polnische Publisher 11 bit studios hat das historische JRPG „The Thaumaturge“ veröffentlicht, das uns in das historische Warschau versetzt und dort gegen unsere eigenen Dämonen ebenso wie die russischen Besatzer kämpfen lässt. Haben wir es hier mit einem neuen Meisterwerk zu tun?

Die polnischen Entwickler von Fool’s Theory haben bereits mit dem Stealth-Spiel Seven bewiesen, dass sie gute Spiele machen können. Ihr neues Werk, The Thaumaturge, spielt aber in einer ganz anderen Kategorie. Das ist kein kleines Indie-Projekt, sondern will mit den großen Releases mitspielen. Schauen wir uns an, ob ihm das gelungen ist. Die Geschichte beginnt schon einmal höchst interessant. Wir kommen, dem Wahnsinn nahe, mit dem Zug in einem entlegenen kleinen Dorf in Georgien an. Hier suchen wir einen Heiler, der angeblich auch aussichtslose Fälle behandeln kann. Das Jahr ist 1905, und bei dem Heiler handelt es sich um Rasputin. Genau dem Rasputin, der angeblich der Zarin ebenso wie anderen Damen am Hof so nahe gekommen ist, dass er später von ABBA als „Russia’s greatest love machine“ tituliert wurde. Wir lernen Rasputin näher kennen, und er hilft uns, unseren Salutor zu zähmen und auch gleich noch einen zweiten Salutor einzufangen. Thaumaturgen verfügen normalerweise über einen Salutor, ein Wesen aus der Schattenwelt, das nur wir sehen, mit dem wir kommunizieren können und das uns auch im Kampf unterstützt. Nur ganz wenige Thaumaturgen konnten zwei (oder gar noch mehr) dieser Wesen an sich binden, die meisten sind bei dem Versuch gestorben. Wir schaffen es, und zusammen mit Rasputin fahren wir aus familiären Gründen zurück nach Warschau. Dort werden wir in verschiedene Ereignisse hineingezogen und müssen uns entscheiden, auf welcher Seite wir stehen wollen. Freiheitskämpfer, Russen, jüdische Kaufleute, Straßengangs…

Nachdem mit Last Train Home erst kürzlich ein Spiel von tschechischen Entwicklern über historische Ereignisse in Russland (während des russischen Bürgerkrieges) erschienen ist, handelt The Thaumaturge nur ein paar Jahre zuvor, noch vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges. Das Russische Zarenreich hat seine größte Ausdehnung erreicht, ist aber von innen verrottet und steht kurz vor dem Zusammenbruch. Unsere Hauptfigur kommt aus Warschau, das ebenso von den Russen verwaltet wird wie Georgien, wo die Handlung beginnt.

The Thaumaturge Salutor

Thaumaturge

Wir spielen Wiktor Szulski, einen in Warschau geborenen Thaumaturgen. Die Thaumatologie ist in der Theologie die Lehre von den Wundern, große Thaumaturgen waren Jesus oder Franz von Assisi. Thaumaturgen im Spiel verfügen ebenfalls über besondere Fähigkeiten. Sie können verborgene Dinge aufspüren, und sie erkennen was mit diesen Dingen passiert ist, sofern es mit starken menschlichen Emotionen zu tun hat. Es handelt sich dabei quasi um eine Spur der Persönlichkeit eines anderen Menschen. Sie benötigen daher immer wieder persönliche Gegenstände von anderen Menschen, um mehr über sie zu erfahren. Thaumaturgen spüren im persönlichen Kontakt bei anderen Menschen auch ihre Gefühle, Gedanken und Emotionen. Im Kampf ermöglicht es dies ihnen, die Angriffe ihrer Feinde vorauszuahnen. Diese ganzen mentalen Fähigkeiten können wir im Laufe des Spieles in einem Skilltree mit vier Strängen (Herz, Hand, Mund und Hirn) weiter verbessern.

Wenn wir die Spielwelt erkunden, machen wir immer wieder Beobachtungen, daher wir erfahren nach dem Untersuchen von Gegenständen Dinge, die dem normalem Auge verborgen bleiben. Wir laufen dazu durch die Gegend und drücken RT/RMB, um die unmittelbare Umgebung nach Auffälligkeiten zu scannen. So wird uns auch der Weg zum nächsten Ort angezeigt, um die Handlung voranzutreiben. Folgen wir dieser Weganzeige jedoch blindlings, entgehen uns alle Hotspots, die wir untersuchen können, und somit alle dadurch erzielbaren Erfahrungspunkte und Informationen. Die Unreal 5 Grafik im Spiel ist übrigens ziemlich gut und abwechslungsreich gemacht, wenngleich ein wenig düster und grau. Auch die Steuerung mit dem Gamepad funktioniert hervorragend. Wenn wir zu einem Themenkreis ausreichend viele Beobachtungen gemacht haben, ziehen wir automatisch Schlussfolgerungen. Das erinnert an klassische Detektivarbeit, nur das wir eben durch unsere Gabe als Thaumaturg sehr rasch viele Dinge auch ohne dem Einsatz von modernen Hilfsmitteln oder einem Labor entdecken können. Als Thaumaturg können wir Menschen auch manipulieren, sobald wir genug über sie erfahren haben. Das wird uns durch erweiterte Möglichkeiten in den Gesprächen angezeigt und funktioniert ähnlich wie bei Star Wars – „Das sind nicht die Druiden, die ihr sucht“. So überzeugen wir NPCs, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollten.

Erkundung und Kampf

Das Spiel schreitet voran, indem wir Quests erfüllen. Diese werden uns in einem Questlog angezeigt, wobei es verschiedene Möglichkeiten gibt, sie abzuschließen. Manche Quests müssen auch nicht abgeschlossen werden, es entgehen uns dadurch aber Informationen oder Upgrades. Die meiste Zeit im Spiel verbringen wir damit, die recht großen Karten abzusuchen und mit allen NPCs zu sprechen sowie Hotspots genauer in Betracht zu nehmen. Die (voll in englisch vertonten) Gespräche laufen im Multiple-Choice Verfahren ab, wobei es nicht möglich ist, alle Optionen auszuwählen, da die Auswahl einer Option oft das Gespräch bzw. die Story in eine bestimmte Richtung lenkt (und die anderen Möglichkeiten dann weg sind). Während der Gespräche wird uns im Regelfall unser Gesprächspartner im Detail angezeigt. Viele Gespräche laufen auch automatisch als Zwischensequenzen ab. Sehr oft finden wir in der Spielwelt Texte zum Lesen, wie Plakate, Zeitungen, Briefe oder Flugzetteln, die uns Informationen (und Erfahrungspunkte) geben. Insgesamt ist der Erkundungsteil also umfangreich und recht gespächs- und textlastig.

The Thaumaturge ist aber auch ein JRPG. Kämpfe sind ein wesentlicher Bestandteil des Spieles, und wenn wir einen Kampf verlieren, bedeutet das „Game Over“. Die Kämpfe laufen ganz klassisch ab. Wir wählen rundenweise einen Angriff (oder eine andere Aktion) aus verschiedenen Möglichkeiten. Manchmal stehen uns auch NPCs zur Seite. Wir kämpfen nicht gegen die üblichen Fantasy-Wesen wie Ratten, Blobs oder Goblins, sondern gegen menschliche Gegner. Deserteure der Zarenarmee, Polizisten, Dorfproleten oder Geheimdienstler müssen von uns niedergestreckt werden. Dabei unterstützen uns unsere Salutoren, die ebenfalls von uns gesteuert unsere Gegner angreifen. Drei Schwierigkeitsgrade erlauben es uns, die Herausforderung der Kämpfe an unseren Geschmack anzupassen.

Das ganze Gameplay hat mich ein wenig an das ebenso sehr story-lastige Rollenspiel Disco Elysium erinnert. Isometrische Grafik, Textlastigkeit, eine heruntergekommene Stadt mit viel Dreck unter der glänzenden Oberfläche, viele Gespräche und Handlungsoptionen und daher unterschiedliche Herangehensweisen an Probleme – und ein recht kaputter und innerlich zerrissener Hauptcharakter. Erhältlich ist The Thaumaturge auf Steam, im Epic Store oder DRM-frei auf GOG.

Zusammenfassung

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