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Unravel – Test

In Zeiten von echten Blockbuster-Games, die aufwändige Cutscenes, episch große Spielwelten oder andere, teure Tricks anwenden um uns vor die Bildschirme zu fesseln, könnte man leicht vergessen, dass es eigentlich viel weniger braucht, um eine gute Geschichte zu erzählen. Manchmal ist alles was man dafür braucht bloß der rote Faden selbst, der uns durch die Erzählung hindurch führt. Und hier hat dieser dann sogar einen Namen: Yarny. Hier ist der rote Faden unser Held.

Doch er ist nicht der rote Faden seiner eigenen Geschichte. Er ist der einer alten Dame irgendwo in Schweden. Ganz zu Beginn des Spiels sehen wir sie kurz. Viel scheint ihr im Leben nicht geblieben zu sein. Nur die verblassten Erinnerungen. Und es liegt fortan an Yarny, diese wieder zurückzuholen und zu vollem Glanz zu führen. Was den Spieler erwartet, ist ein fast schon überraschend mitreißender und berührender, wenn auch etwas kitschig klischeebehafteter Weg durch diverse Stationen eines Lebens. Elf sind es um genau zu sein – elf Bilder, elf Levels, elf Erinnerungen. Viele davon sind schön; erzählen von Familienzusammenhalt, Freude und Liebe. Andere – vor allem spätere, haben auch dunkle Momente und beschäftigen sich irgendwann auch mit dem unumgänglichen Thema Tod und Verlust. Und so steht man am Ende des Spiels – also etwa nach sechs bis sieben Stunden Spielzeit – vor dem selben Dilemma wie bei jedem friedlichen Tod eines uns lieben Menschen: ist das nun ein „Happy End“, weil man sich wieder an all die schönen Dinge erinnert? Weil man auf ein erfülltes Leben zurückblickt? Oder ist es doch einfach nur traurig?

Der rote Faden

So … nun, wo die Stimmung wohl mit Schwermut getränkt in den Keller gerutscht ist, schnell wieder auf die objektive, Spiel-bewertende Ebene hüpfen. Allein die Tatsache, dass bei unserem Review nun nämlich dieser tiefschürfende Text entstanden ist zeigt schon eines ganz deutlich: Unravel schafft es mit sehr einfachen Mitteln ein tolles Erlebnis zu bescheren. Und das, um noch einmal ein wenig sachlicher zu werden, obwohl es in seinem Kern nur ein ganz simples 2D Jump’n’Run ist. Der einzig außergewöhnliche Twist ergibt sich aus der Tatsache, dass Yarnie, also ein Garn-Bündel, welches sich beim Laufen immer weiter abwickelt („Abwickeln“ auf Englisch -> „unravel“, „Garn“ auf Englisch -> „yarn“ …. Aaaah! 😉 ). Der Faden, den er dabei zurücklässt, kann durch den Zocker verwendet werden. Ihr könnt euch daran hochziehen, umherschwingen, ihn an bestimmten Punkten festknoten und so unter anderem auch Brücken bauen, die gleichzeitig als Trampolin genutzt werden können, um höhere Hindernisse zu überwinden. Damit ergeben sich in den ersten paar Levels einige nette „Aha“-Momente was die Rätsel-Lösung angeht. Schon bald zeigt sich aber, dass mit dieser Spielmechanik allein eben nicht viel mehr realisierbar ist, als schon in diesen ersten Levels zum Weiterkommen von Nöten war. Im Grunde wiederholt sich das Spiel „schiebe Objekt X zu Punkt A um irgendwo hinauf/hinüber zu kommen“, „schwinge rüber nachdem du das Seil an Punkt Z festgeknotet hast“ oder „baue eine Brücke um über das Hindernis springen zu können“, und so weiter, immer wieder. Wirklich schwierig ist das Spiel somit auch nicht. Echt hängen bleibt man nur selten – wenn überhaupt. Und wenn, liegt es meist daran, dass man einfach zu verkopft an die Sache herangegangen ist.

Als Motivation bleibt da Gameplay-technisch also nicht viel übrig. Doch dann ist da ja immer noch die Präsentation: Die Levels sind grandios designt (auch wenn nicht alle das selbe hohe Niveau haben) und auch Yarny selbst weiß über das ganze Spiel hinweg zu faszinieren. Immerhin haben die Entwickler dem stummen Helden durch seine Körpersprache eine Menge Emotion eingehaucht. Während er anfangs noch neugierig und vergnügt durch die Welt läuft und neugierig Schmetterlingen hinterherjagt, steht er zum Ende hin zitternd und eingeschüchtert im Regen und quält sich eher durch das Level. Wirklich schön zu sehen, wie die Liebe fürs Detail der Entwickler hier beim Spieler durchaus seine Spuren hinterlässt.

FAZIT

Unravel erinnert mich persönlich stark an Limbo. Mit wenigen Mitteln (gut, bei Limbo waren es noch weniger) wird im Spieler unglaublich viel ausgelöst. So abstrakt und reduziert die Geschichte des Lebens, dessen roter Faden Yarny am Ende ist, auch erzählt wird, so stark wirkt sie auf einen. Da sehe zumindest ich auch ganz gerne mal drüber hinweg, dass sich an der Gameplay-Front mit der leicht schwankenden Level-Qualität und den überschaubaren Einsatzmöglichkeiten des Fadens ein paar Knoten in den Faden eingeschlichen haben. Ich kann das Spiel also jedem, der mal gerne wieder weg möchte von den großen AAA-Bombast-Titeln, nur wärmstens empfehlen.

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 8

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