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Old Skies im Test

Indie-Entwickler Wadjet Eye Games war bislang für charmante Pixel-Art-Adventures mit starken Geschichten bekannt. Mit dem neuen Titel Old Skies gehen die Uhren durchaus ein wenig anders – was nicht nur an der Thematik Zeitreisen liegt.

The Times They Are A-Changin

Die Zukunftsfiktion aus dem Jahr 2062, in die uns der Titel gleich zum Spielstart wirft, ist so beunruhigend wie erfrischend. Trotz ungezählt vieler Warnungen, die wir alle doch über Serien und Filme hätten erhalten müssen, haben Zeitreisen ihren festen Platz im Alltag der Menschen gefunden. Nach Jahren der zügellosen Nutzung dieser Technik, wird der Einsatz nun von der staatlichen Agentur ChronoZen kontrolliert. Personen und Objekte von großer Relevanz für die Geschichte sollen hierbei vor Veränderungen an der Zeitlinie geschützt werden, dennoch hat sich ein kommerzieller Zweig etabliert, der begüterten Klienten ermöglicht, die Vergangenheit zu besuchen und im festgelegten Rahmen Einfluss zu ihren Gunsten zu nehmen. Als eine Art Reiseführerin für das Gestern agiert hierbei Fia Quinn, die vom Spieler durch das 2D-Point & Click-Adventure in dem futuristischen New York gesteuert wird.

Unterstützt wird sie durch ihren ehemaligen Mentor Duffy sowie Frank ‚Nozzo‘ Nozzarelli, dem immerzu verlässlichen wie peniblen Planer im Hintergrund. Das Trio ist dabei gegen Veränderungen durch die Zeitreisen mittels besonderer technischer Schutzmaßnahmen gefeit, was für sie sowohl Fluch als Segen ist. Denn liebgewonnene Orte, Begebenheiten, Musik oder gar Freunde und Familie laufen konstant Gefahr, beim nächsten Eingriff in die Zeitlinie nie existiert zu haben. Zeit macht für die Agenten von ChronoZen alles relativ. Um sie herum ein fortdauerndes Kommen und Gehen von Biographien, die sie gelebt haben und doch eben nicht.

Fortsetzung folgt…

Aufgeteilt ist die Geschichte in mehrere Kapitel. Diese beginnen jeweils damit, dass Fia  im Hauptquartier von Nozzo über einen neuen Auftrag unterrichtet wird und den jeweiligen Auftraggeber kennenlernt. So möchte etwa ein sterbenskranker Mann vor seinem Ableben noch einmal zu einem schönen Moment aus seiner Jugendzeit zurückspringen oder ein Fan will einem längst verstorbenen Jugendidol eine Frage stellen, welche sie nicht loslässt. Diese Ziele klingen zunächst sehr simpel, doch plötzliche Überraschungen sorgen bei der Wunscherfüllung für ungeahnte Turbulenzen und oftmals harte Entscheidungen.

Der Aufbau ist einer Serie mit mehreren Folgen nicht unähnlich, wobei man durch diese Tektonik Fias Leben und Arbeitsalltag durch die sich wiederholenden Elemente aus Aufstehen, Gang zum Hauptquartier, Briefing, Auftragsdurchführung, Nachbesprechung und Tagesausklang sehr schön und prägnant kennenlernt. Mit der Zeit erkennt man dabei, dass die Aufträge über einzelne Handlungsstränge mehr und mehr miteinander verbunden sind und Einfluss auf das Erleben und den Werdegang von Fia und ihren Kollegen nehmen.

Dr. Fred antwortet nicht

Wer einen abgedrehten Zeitreisespaß wie Day of the Tentacle erwartet hat, wird der bisherige Testbericht wohl eher ernüchtert haben. Charaktere wie Geschichte sind sehr geerdet und Humor wird nur sehr dosiert eingesetzt. Auch spielmechanisch sind die genre-eigenen Interaktionsmöglichkeiten sehr stark reduziert. Man verfügt nur über wenige Gegenstände in Fias Inventar, echte Kombinationsrätsel finden sich dabei kaum.  Es muss hier kein Hamster in einer Tiefkühltruhe platziert werden um diesen in der Zukunft über viele weitere Zwischenschritte für eine Superbatterie nutzen zu können. Läge man diese Konventionen bei der Bewertung an, täte man Old Skies massiv unrecht.

Der Titel versteht es in seiner gut zehnstündigen Spielzeit meisterhaft, das Gameplay mit seinem Science-Fiction-Szenario zu verzahnen. Nach jedem neuen Zeitsprung ist man zunächst damit beschäftigt, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Hierbei ist grundsätzlich aufmerksames Lesen und Detektivarbeit gefragt. Über Gespräche, das Untersuchen der Umgebung oder die Recherche im Archiv von ChronoZen werden viele Orte und Charaktere freigeschaltet. Auch entgegen der Tradition von LucasArts kann in kritischen Situationen durchaus gestorben werden. Ein plötzlicher Messerwurf oder Pistolenschuss sorgt jedoch nicht für das Spielende, sondern führt dazu, dass Nozzo aus dem Off einfach die Zeit etwas „zurückspult“. Das Sterben geht also recht behütet vonstatten und ist für manche Rätsel auch Teil des Lösungsweges. Verschiedene (teils herrlich sarkastische) Kommentierungen von Fia vor ihrem Ableben sorgen auch mit dafür, dass diese Try & Error-Passagen so gut wie nie ermüden oder man sich vom Spiel bestraft fühlt.

Beißt man sich einmal fest und kommt nicht voran, hilft ein Anruf bei Nozzo, welcher immer einen Wink geben kann, was nun gerade zu tun ist. Diese Hilfefunktion ist dabei auch überaus charmant und organisch in das Szenario eingehegt.

Weitere Standards wie eine Schnellreise, das Überspringen von Dialogen oder das Hervorheben von wichtigen Objekten sind im Spiel enthalten, wobei letzteres etwas umständlich auf der Taste „H“ liegt.

Schöne neue Welt

Anders als frühere Titel von Wadjet Eye Games geht es hier weniger pixelig zu. Wie auf den Screenshots zu sehen ist, erstrahlen die Hintergründe in wunderschön umgesetzten hochauflösenden Zeichnungen. In jedem Screen gibt es animierte Objekte wie etwa Regen oder im Wind flatternde Papiere, die optisch punktuell für  Abwechslung sorgen. Etwas schade ist aber, dass gerade in den vielen Stadtszenen von New York ungewöhnlich wenige Statisten vorhanden sind und diese Orte dadurch zuweilen unnatürlich unbelebt wirken.

Mit den Figuren und deren recht grobem 3D-imitierenden Stil tat ich mich zunächst schwer. Dabei sind die Animationen sehr detailreich und vielfältig, sogar Lippenbewegungen der Charaktere werden dargestellt. Dies hilft dann auch dabei, dass man sich nach kurzer Zeit an den recht ungewöhnlichen Mix gewöhnt und diesen – in meinem Fall – doch als recht gelungen empfindet.

Die Musikuntermalung von Komponist Thomas Regin (u.a. auch bei Unavowed und der Blackwell-Reihe aktiv) ist gelungen. Jede Zeitepoche hat ihren individuellen Klang, der in dramatischen Momenten immer mal wieder um sehr treibende Kompositionen ergänzt wird. Herausragend sind die englischen Sprecher (eine deutsche Übersetzung und Vertonung gibt es zunächst leider nicht). Diese verschmelzen förmlich mit ihren Charakteren und tragen sehr zur Atmosphäre in den für das Spiel essentiell wichtigen Dialogen bei.

Zusammenfassung

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