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Auf ein Wort zu… One Man’s Trash

Am 23. Juli erschien mit One Man’s Trash ein ungewöhnlicher Titel auf Steam, der mit seinem Spaß am Graben auf den Spuren von Minecraft und Donkey Kong Bananza wandelt.

Einen Testbericht zu dem überaus gelungenen Spiel von Entwickler Jony Pazu findet ihr hier.

Interview mit Jony Pazu

Gamers.at konnte sich mit dem Soloentwickler aus Wien über seinen Weg in die Spielebranche und natürlich seinem Spiel One Man’s Trash austauschen.

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Jony – vielen Dank, dass Du Dir Zeit für dieses Format nimmst!

Da Du ja recht frisch als Entwickler auftrittst, erzähle uns doch bitte etwas zu Deinem Weg hin in die Spielebranche. Was ist Dein persönlicher Hintergrund und was hat aus Deiner Sicht den Ausschlag gegeben, selbst Titel zu programmieren?

Jony Pazu

Danke für die Einladung. Mein Weg in die Spieleentwicklung begann dort, wo der Film für mich geendet hat. Aufgewachsen zwischen Musik, Filmen und Games, habe ich Filmproduktion studiert und gemerkt, dass mir im Set-Alltag kreative Kontrolle und Iteration fehlen. Aus einer kleinen App-Idee heraus habe ich dann zum ersten Mal ernsthaft Code geschrieben, dieses unmittelbare Feedback hat mich sofort gepackt. Aus Neugier wurde Routine, und die Faszination hält seit über fünf Jahren an. Um dem ein Fundament zu geben, habe ich eine einjährige Game-Design-Ausbildung abgeschlossen, studiere Medieninformatik und Visual Computing und arbeite parallel intensiv mit der Unreal Engine. Ausschlaggebend fürs eigene Programmieren war das Bedürfnis, Verantwortung für das gesamte Erlebnis zu übernehmen, von der Idee bis zum Gefühl im Spiel.

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One Man’s Trash ist nach Deinen Angaben bereits Dein drittes Spiel.

Kannst Du uns bitte etwas über Deine vorangegangenen Projekte berichten? Was für Spiele sind Pirate Island und Raiders of the Apocalypse? Rühre gerne ein wenig die Werbetrommel!

Jony Pazu

Pirate Island war mein Abschlussprojekt in der Game-Design-Ausbildung und ein Brettspiel, das Elemente von „Mensch ärgere dich nicht“ und „Risiko“ mischt. Vier Spielende steuern je drei Piraten, schmieden kurzfristige Allianzen, brechen sie im richtigen Moment und versuchen, vom Festland über bewegliche Schiffsrouten zum Ziel zu gelangen. Das Projekt hat mir zum ersten Mal den kompletten Bogen von Idee und Prototyp bis zu spielbaren Tests abverlangt, veröffentlicht ist es noch nicht, aber der Prototyp hat mir viel über Balance, Spielerführung und Social Dynamics beigebracht.

Raiders of the Apocalypse ist mein erstes veröffentlichtes Spiel auf Steam und hat von der „kleinen Idee“ zum 1½-jährigen Entwicklungsweg gefunden. Man startet in einem Bunker, plant Expeditionen in verlassene Anlagen, sammelt Ressourcen und Relikte, wägt Risiko gegen Belohnung ab und kämpft sich durch eine Mischung aus Rätseln, Survival-Elementen und Gefahren, solo oder im Coop. Das Projekt war für mich der Beweis, dass ich komplette Produktionen stemmen kann, und zugleich die Lektion, wie anspruchsvoll Vermarktung wirklich ist. Wer Lust auf atmosphärische Runs, emergente Geschichten und dieses „schaffe ich die Rückkehr?“ Gefühl hat, findet in Raiders genau das.

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Mit Raiders of the Apocalypse hast Du erste Erfahrungen mit der Unreal-Engine gemacht. Wie kommt man als Soloentwickler an diese mächtige Engine und wie hast Du Dir das nötige Rüstzeug im Umgang mit der Grafikgrundgerüst angeeignet?

Jony Pazu

Am Anfang habe ich gezielt einzelne Mechaniken aus Tutorials nachgebaut, um ein Gefühl für Editor, Blueprints und die grundlegende Logik zu bekommen. Ein kompakter Onlinekurs hat mir die Basis sortiert, aber wirklich gelernt habe ich durch viele kleine Prototypen, die nie „fertig“ wurden und genau deshalb wertvoll waren. Statt krampfhaft auf ein komplettes erstes Spiel hinzuarbeiten, habe ich mir bewusst Lernziele gesetzt und an dem weitergebaut, was mich am meisten motiviert hat, so blieb der Flow erhalten und die Hürden wurden mit jeder Iteration niedriger.

Mit Raiders of the Apocalypse konnte ich das verstreute Wissen bündeln: Produktionspipeline aufsetzen, Lücken schließen, Performance verstehen, Features priorisieren und fertig werden. Parallel hat mir das Studium in Medieninformatik geholfen, Systeme einzuordnen, von Rendering-Grundlagen bis zu Datenstrukturen und dadurch die Entscheidungen in der Engine bewusster zu treffen. Mein Rat an Soloentwickler ist simpel: erst Orientierung und Rhythmus finden, dann Fokus. Features nicht dogmatisch „durchlernen“, sondern entlang echter Mini-Ziele. Früh spielbare Builds erzeugen, regelmäßig testen, Rückschritte einkalkulieren und die eigene Motivation als Kompass nutzen. So wird die Engine vom einschüchternden Baukasten zum Werkzeug, das sich Schritt für Schritt erschließt.

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Mit welchen besonderen Herausforderungen bist Du als Ein-Mann-Entwickler konfrontiert? Gibt es auch Bereiche, in denen man sich solo leichter tut?

Jony Pazu

Die größte Herausforderung ist die ständige Entscheidung zwischen „hole ich jemanden dazu“ und „eigne ich mir das jetzt an“. Jedes neue Problem zwingt dazu, Zeit gegen Geschwindigkeit abzuwägen, und Solo heißt oft, bewusst in Lernkurven zu investieren, statt kurzfristig Effizienz einzukaufen.

Marketing ist für mich als introvertierten Entwickler die härteste Hürde. Nach Raiders of the Apocalypse war klar, dass Reichweite, Timing und Messaging eine eigene Disziplin sind, und ohne Unterstützung bleiben gute Systeme unsichtbar. Inzwischen bekomme ich dafür Rückhalt von meinem Partner, der hilft, Projekte nach außen zu tragen, Feedback zu bündeln und klare Botschaften zu schärfen.

Schwierig ist auch die Subjektivität in der eigenen Bewertung. Allein fehlt leicht die Reibung, die schlechte Ideen früh aussiebt. Externe Tests sind deshalb Pflicht: früh spielen lassen, Notizen ernst nehmen, Muster erkennen und konsequent kürzen, das spart Monate und verhindert „Feature-Liebe“, die am Ziel vorbeigeht.

Leichter ist es dort, wo Entscheidungen schnell sein müssen. Solo bedeutet kurze Wege: Prototyp bauen, messen, anpassen, ohne Meeting-Schleifen und ohne Kompromisse, die die Vision verwässern. Diese Geschwindigkeit in Kombination mit klaren Prioritäten gibt dem Spiel oft eine erkennbare Handschrift und hält die Motivation hoch, weil Fortschritt täglich spürbar ist.

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Um uns thematisch an One Man’s Trash heranzupirschen: hast Du auch schon mal aus Versehen etwas richtig Wichtiges weggeworfen?

Jony Pazu

Passiert ist es mir nicht mit physischen Datenträgern, aber digital schon viel zu oft. Dateien sind im Eifer des Gefechts im Papierkorb gelandet, und wenn man Glück hat, wurde der nicht geleert und man kann sie einfach zurückholen. Ein paar Mal war er aber leer, das waren bittere Lehrstunden. Seitdem arbeite ich konsequent mit Versionskontrolle. Das nimmt ein bisschen Spontaneität aus dem Alltag, aber es schenkt Gelassenheit, wenn man spät nachts merkt, dass die „eine kleine Änderung“ doch etwas zu viel war.

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Wie bist Du auf die Idee zu One Man’s Trash gekommen? Gab es bei der Spielmechanik große Vorbilder?

Jony Pazu

Die Idee kam aus zwei sehr verschiedenen Impulsen, die plötzlich zusammengepasst haben. Beim Scrollen bin ich über „A Game About Digging a Hole“ gestolpert, dieses radikal einfache Setup, im eigenen Garten zu graben und daraus Spielfluss zu erzeugen, hat mich sofort fasziniert. Ein paar Tage später las ich wieder über James Howells, der seine Festplatte mit Bitcoins weggeworfen hat und seit Jahren versucht, sie in einer Deponie wiederzufinden. Diese reale Tragik hat dem Graben plötzlich eine andere, menschliche Dimension gegeben. In dem Moment hat es Klick gemacht: die Mischung aus alltäglicher Handlung und existenzieller Suche wurde zur Keimzelle von One Man’s Trash.

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Wie auch im Test geschrieben, schafft es der Titel richtig gut, Casual Gamer aber auch ambitioniertere Spieler mitzunehmen. War es schon zu Beginn der Entwicklung von One Man’s Trash angedacht, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen?

Jony Pazu

Ja, das war von Anfang an so gedacht. Mir war wichtig, dass One Man’s Trash auf mehreren Ebenen funktioniert. Wer einfach nur abschalten will, kann sich reinfallen lassen, ein bisschen Müll wegsaugen und dabei Spaß haben, ohne Druck. Gleichzeitig gibt es aber auch sehr viel für Leute, die gerne alles sammeln, jedes Geheimnis entdecken und wirklich 100 % erreichen wollen. Ich wollte also sowohl die Casual Gamer abholen, die mal 20 Minuten entspannt graben möchten, als auch die ambitionierteren Spieler, die jede Ecke ausloten und die seltensten Items finden wollen.

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Die technische Umsetzung des Erdaushubs mit dem Staubsauger ist toll gelungen. War dieses Feature über die Unreal Engine schon möglich oder musstest Du hier viel programmieren und improvisieren?

Jony Pazu

Die Echtzeit‑Verformung läuft über Marching Cubes auf einem Voxel‑Feld, und dafür setze ich in Unreal ein etabliertes Voxel‑Plugin ein, auf dem ich das eigentliche Gameplay aufgebaut habe. Die Engine bringt die Basis mit und das Ökosystem liefert die Bausteine, aber der Schritt von der Technik zur Mechanik entsteht erst durch eigenes Zusammenspiel und Iteration.

Intern ist die Umgebung als Dichtefeld in Voxelzellen organisiert, der Staubsauger verändert lokal diese Werte, und daraus wird zur Laufzeit ein Dreiecks‑Mesh konstruiert, genau das leistet der Marching‑Cubes‑Ansatz, den das Plugin performant und multithreaded bereitstellt. Den Algorithmus musste ich also nicht neu implementieren, aber programmieren und improvisieren gab es reichlich: Brush‑Formen und Falloff, Chunk‑Aufteilung und LOD‑Übergänge, Kollision und Speichern, plus das Feintuning von Effekten und Timing, damit sich das Abtragen „richtig“ anfühlt.

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Nach dem Release gab es am 27. Juli ein großes „Game Modes Update“, in welchem – neben Bugfixes – die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade hinzugekommen sind.

Gibt es Deinerseits eine Roadmap für weitere Veröffentlichungen zu One Man’s Trash? In den Foren oft angefragt ist ja ein Koop-Modus.

Jony Pazu

Ja, es gibt eine Roadmap. Das Game‑Modes‑Update am 27. Juli war nicht das letzte, und die nächsten Schritte sind schon in Arbeit. Ich will da aber nichts aufblähen und lieber konkret liefern, als groß ankündigen. Deshalb halte ich mich an greifbare Meilensteine und lasse die Patch‑Notes sprechen.

Der oft gewünschte Koop‑Modus ist ein eigenes Thema. Die Nachfrage ist da, aber realistisch wird es sehr wahrscheinlich keinen klassischen Koop geben, weil das Spiel von Anfang an als Singleplayer gedacht und gebaut wurde. Netzwerksysteme nachträglich stabil einzuziehen wäre ein tiefer Eingriff mit hohem Wartungsaufwand und würde andere Weiterentwicklungen ausbremsen.

Der Fokus liegt daher auf Updates, die spürbar Mehrwert bringen und mehrere Wünsche zugleich treffen. In diese Richtung ging schon das Game‑Modes‑Update mit den Schwierigkeitsgraden. Es kommt also noch was nach, und sobald Features spielbar und stabil sind, melde ich mich mit Details.

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Haben Dich die hohen Aufrufzahlen von One Man’s Trash sehr überrascht? Wie erklärst Du Dir das große Interesse an Deinem Spiel? Welches Spielelement magst Du besonders?

Jony Pazu

Absolut. Ich habe das Spiel in einem kleinen Zimmer in Wien allein entwickelt, ohne Marketing-Budget, ohne großes Team. Dass dann plötzlich Millionen Leute auf YouTube zuschauen, wie jemand mit einem Staubsauger durch Müll gräbt, war schon surreal. Ich freue mich extrem darüber, aber es fühlt sich auch ein bisschen verrückt an, weil es ja eigentlich nur eine ziemlich absurde Idee war mit kaum Erwartungen an den großen Erfolg.

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Falls James Howell sich selbst googlen sollte und dabei auf diesen Artikel stößt: Was würdest Du ihm für die weiterhin schwelende Suche nach seiner Festplatte an dieser Stelle mitgeben wollen?

Jony Pazu

Falls James Howell das hier wirklich liest: Erstmal, Respekt für die Ausdauer. Und wer weiß: Selbst wenn er die Platte nie findet, die Story selbst ist längst unbezahlbar.

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Herzlichen Dank für Deine Zeit Jony! Wir wünschen Dir alles Gute für Deine nächsten Schritte in der Spielebranche!

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