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Death by Scrolling im Test

Point & Click-Adventure-Freunde im Stresstest. Ron Gilberts neuer Titel Death by Scrolling lässt uns keine ruhige Minute, denn der Sensenmann ist uns stets auf den Versen.

Einmal Fegefeuer und zurück

Für einen 180 MByte leichten Download hat das am 28. Oktober erschienene Death by Scrolling eine durchaus bewegende Entwicklungsgeschichte hinter sich.

Alles begann nämlich bereits 2018 als Entwickler-Urgestein Ron Gilbert nach dem Release von Thimbleweed Park auf der Suche nach originellen Ideen für ein neues Projekt gewesen ist. Nach den Besuchen von einigen Indie-Veranstaltungen soll ihm eines Nachts die Idee für ein Spiel mit einem unaufhörlich scrollenden Bildschirmabschnitt gekommen sein. Dies verfolgte er unter dem Titel Runner zunächst weiter. Irgendwann wurde das Schießen und Zielen wie in der finalen Version von Death by Scrolling automatisiert, sodass der Spieler sich nur bewegen, Feinden ausweichen und Gegenstände aufsammeln musste. Daraus wurde ein Prototyp und über neun Monate versuchte Ron Gilbert das grundlegende Spielprinzip mehr Tiefe zu verleihen. Bevor sich ein Release allerdings konkretisieren konnte, wurde ihm ein lang gehegter Wunsch erfüllt: Lucasfilm Games ermöglichte Gilbert seine persönliche Reise mit Guybrush Threepwood nach Teil 2 fortzusetzen und über den technischen Versuchsballon Delores: A Thimbleweed Park Mini-Adventure entstand dann auch das rundum gelungene Return to Monkey Island. Als dieses 2022 veröffentlicht wurde, ging es allerdings nicht mit Runner weiter. Das Konzept wurde zugunsten eines Old-School-Rollenspiels mit offener Welt fallengelassen. 2D-Grafiken im Stile der alten Zelda-Teile wurden bereits erstellt, nach einem Jahr Entwicklungszeit sei aber klargeworden, dass die Größe der Spielwelt für den Indieentwickler nicht zu schultern gewesen ist.

Mit dieser Grundsatzentscheidung holte Gilbert seine Konzeptionen für Runner wieder aus der Schublade und kombinierte diese mit dem bereits erarbeiteten Artdesign seines nicht realisierbaren RPG-Projekts – und Death by Scrolling erblickte das Licht der (Unter-)Welt.

Weitere spannende Einblicke in die Entwicklung des Titels gewährt Ron Gilbert auf seiner Seite https://www.grumpygamer.com.

Sammeln für den Fährmann

Nachdem man sich in Ermangelung von Freischaltungen für den pixeligen Startcharakter entschieden hat, findet man sich in der Zwischenwelt Purgatory™  wieder. Der einzige Weg aus diesem Wartestand führt über den Fährmann, der im Lager seine Dienste feilbietet. Dies aber selbstverständlich nicht für umsonst, auch im Jenseits hat man schließlich einen (Lebens?-)Standard zu halten. 5.000 Gold müssen gesammelt werden, ehe das Boot ablegen kann.

Die Spielwelt lässt sich seine Ressourcen nicht leicht entlocken. Einerseits ist diese je nach Biom mit schießwütigen Cowboys, heulenden Wölfen, giftigen Schlangen oder Horror-Clowns bevölkert, regelmäßig macht auch der Tod selbst seine Aufwartung.

Während bei Standard-Gegnern die Lebensanzeige  nur langsam abnimmt, ist bei einem Kontakt mit dem Sensenmann sofort – nun ja Sense. Das Spiel endet und man muss einen neuen Durchlauf starten. Glücklicherweise steht sich Gevatter Tod wie auch seine Mitstreiter bei der Wegfindung oft selbst im Weg. Ob dies ein ausgeklügelter Schachzug des Altmeisters Gilbert war oder schlicht die Mittel für eine kompetentere KI am Ende fehlten, wird man wohl nie in Gänze rekonstruieren können…

Gnadenloser ist da das Fegefeuer. Sobald ein Level beginnt, arbeitet sich dieses lodernd von unten immer weiter nach oben vor, wobei der Bildschirm sich dabei immer mitbewegt. Gerät man in die Flammen,nimmt man zunächst Schaden, recht schnell ist aber das Gameover erreicht, welches dann pflichtschuldig verkündet: Death by Scrolling (Tod durch Scrollen).

Es erscheint daraufhin eine Übersicht zu den Leistungen des zu Ende gegangenen Durchgangs und einige launige Kommentare von fiktiven Social-Media-Posts. Auch werden die Spielerfolge laufend gemessen und mit anderen echten Spielern verglichen. Verschiedene Ranglisten werden im Hauptmenü angezeigt und motivieren dazu, es nochmal zu versuchen.

Die hektisch-turbulente Grundmechanik liegt sicher nicht jedem, der zuvor mit Guybrush entschleunigt durch die Gassen von Mêlée Island geschlendert ist. Dieser Titel erzeugt ab dem mittleren Schwierigkeitsgrad (angeboten werden „Fast entspannt“, „Normales Fegefeuer“ und „Ewige Bestrafung“) Handlungsdruck und erfordert gutes Zeitmanagement. Wage ich mich in ein Labyrinth mit wertvollen Items oder ist das Fegefeuer schon zu nah und ich käme da nicht mehr heraus? Kümmere ich mich um meine Lebensanzeige oder gehe ich ins Risiko und stelle mich für Boni den Gegnern? Insbesondere wenn der Tod die Spielwelt betreten hat und dieser Jagd auf den Spieler macht, entsteht zuverlässig ein chaotisch-wuseliges Durcheinander.

Jeder Level endet mit einem Lager, welches als sicherer Hafen dient und Tod wie auch Fegefeuer abhält.

In diesem kann entspannt mit NPCs geplaudert werden. Man sollte zwar nicht erschöpfende Dialoge wie aus Thimbleweed Park oder Monkey Island erwarten, dennoch bietet Death by Scrolling einige amüsante Wortwechsel. Unter anderem hat auch LucasArts-Veteran Dave Grossman einige Texte beigesteuert. Die Campbewohner dienen teilweise auch als Auftraggeber oder Händler. So lassen sich über ersammelte Diamanten dauerhafte Verbesserungen erwerben, die dann für Progression sorgen. Über Upgrades können die insgesamt fünf spiel- bzw. freischaltbaren Charaktere weiter spezialisiert werden, wobei man hier nicht die Variationsvielfalt größerer Genrevertreter erwarten sollte.

A link to the past?

Die 2D-Pixelgrafik erzeugt mit ihrem herzig-bunten 16-Bit-Design konstant wohlige Retrogefühle.

Die vorgefertigten Levelteile werden je nach Spielfortschritt kombiniert und in verschiedenen Schwierigkeitsgraden zusammengesetzt. So gibt es Unmengen an Datenpunkten, welche bestimmen, welche Bausteine an welchen Stellen erscheinen, wie oft bestimmte Gegner auftauchen und welche Boni in welchen Abschnitten zu finden sind. Das bedeutet, dass jeder Spielgang einzigartig ist, die Herausforderung aber gleichzeitig nie zu zufällig wird oder durch die Berechnungen echte Sackgassen entstehen. Beim Testen habe ich meine Spielfigur durchaus mal in aussichtslose Lagen manövriert. Hier hätte es zuvor aber immer einen Weg gegeben – wenn man diesen bei der rastlosen Hatz nach Gold denn als solchen erkennt.

Zugegeben, ein echter, optischer Wiedererkennungseffekt tritt bei Schnee-, Wüsten- und Waldumgebungen nicht auf, dafür gab es in der Vergangenheit zu viele Titel, deren Landschaften und Figuren ähnlich pixelig unterwegs gewesen sind.

Was unnachahmlich gut geworden ist: der schrammelig-treibende Soundtrack von Broghan Blackshaw. Hier wird die Spielfigur über den Bass fast schon im Alleingang zum nächsten Level gepeitscht.

Zusammenfassung

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