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Dreams im Test

Schon mal davon geträumt ein eigenes Computerspiel zu entwickeln, eine Geschichte die dich bewegt in einem selbst animierten Kurzfilm zu erzählen, deine oder die Werke anderer mit von dir komponierten Tracks zu untermalen oder Figuren und Wesen, welche deinem Geist entsprungen sind, mit digitalem Leben zu erfüllen? Dreams macht es möglich! Der exklusiv für die Playstation 4 erscheinende Baukasten der Spieleschmiede Media Molecule ist nicht weniger als ein Schlüssel zu schier unendlichen Möglichkeiten der digitalen Schöpfung. Die einzige Grenze stellt dabei (fast) nur die eigene Kreativität dar. Doch lasst mich genauer erklären warum der neueste Hit der Köpfe hinter Little Big Planet ein Meilenstein ist.

7 Jahre Entwicklungszeit und einige Verschiebungen mussten jene, die gespannt auf Dreams warteten, in Kauf nehmen. Blicke ich heute auf das fertige Werk von Media Molecule, zweifle ich keine Sekunde daran, dass die Entwickler damit recht hatten. Nur mit viel Geduld und Passion konnten sie ihre Vision, frei von Kompromissen, umsetzen und diese Spielwiese für kreative Köpfe schaffen. Was jedoch ist Dreams? Dreams ist ein gewaltiger Game-Editor! Bereits in der Little Big Planet – Reihe hatte Media Molecule einen sehr umfassenden Level-Editor bereitgestellt. Dreams ist die Weiterentwicklung dessen und lässt euch Games für jedes Genre bauen. Shooter, Jump´n Runs, RPGs, Rennspiele … um nur an der Oberfläche dessen zu kratzen, was mit Dreams alles möglich ist. Das bemerkenswerte daran ist allerdings, dass der Baukasten trotz seiner Komplexität relativ einfach zu meistern ist. Die Betonung liegt allerdings auf relativ.

Der traurige Musiker

Kreativität nimmt neben dem Zocken von Computergames einen sehr großen Teil meines Herzens ein. Sei es das Schreiben, Zeichnen oder das Bemalen von Warhammer Miniaturen. Deswegen schlug ein Teil von mir vor Freude einen Purzelbaum, als ich Dreams endlich in die Finger bekam. Ich hatte sogar schon eine Vorstellung von dem, was ich machen wollte. Doch stellte ich rasch fest, dass es mein Ziel war zu laufen, bevor ich überhaupt noch gehen konnte. Obwohl Dreams überraschend einsteigerfreundlich ist, wird man gerade zu Beginn von der Vielzahl an Möglichkeiten erschlagen. Deshalb ist es eine recht weise Entscheidung zuallererst einen Blick auf die Kampagne von Dreams zu werfen. Art´s Dream erzählt die Geschichte eines traurigen Musikers Namens Art, der seine Band verlassen hatte und nun ohne Freunde da steht. Im Fokus der rund zwei bis drei Stunden dauernden Einzelspieler-Kampagne steht die Verarbeitung seiner Gefühle und das Ziel, uns als zukünftigen „Träumern“ das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen. Sämtliche Elemente in Art´s Selbstfindungstrip wurde von den Entwicklern in Dreams gebaut. Alles was wir hier erleben, und noch vieles mehr, ist später auch für uns als Spieler möglich zu erschaffen, wenn wir bereit sind uns tief in die Mechaniken einzuarbeiten. Um wirklich das volle Potenzial des Editors entfalten zu können gilt es zu experimentieren, zu lernen und zu verstehen. Kameraführung, Szenendesign und Lichtgestaltung sind nur ein kleiner Teil des großen Ganzen.

Die Träume anderer

Als ich den erstaunlich melancholischen und erwachsenen Einzelspieler-Modus durch hatte, war ich bereit, mir Inspiration von meinen „Mitträumern“ zu holen. Wie bereits in Little Big Planet gilt auch in Dreams das Motto „Erschaffe und Teile“. Im Spielmenü kann man unter dem Reiter Traumsurfen einen Blick auf die Werke der Community werfen. Die Produktivität dieser ist in einem Wort atemberaubend. Neben auf Lizenzen basierenden Nachbauten bekannter Titel wie dem verschollenen P.T. zu Silent Hills oder diversen Faninterpretationen zur Zelda-Reihe, gab es auch einige sehr interessante Eigenkompositionen. So habe ich unter anderem einen Blick auf einem Kurzfilm mit dem Namen Rabbits geworfen. Diese eindeutig durch David Lynch inspirierte Schöpfung zeigte eine Hasenfamilie, welche vor dem Fernseher sitzt, während wir sie von unserem TV aus beim Fernsehen beobachten. Dieses verschroben verstörende Machwerk zauberte mir ein breites Lächeln ins Gesicht und mein Hirn sprudelte vor Ideen über.

Gefällt uns der Traum eines anderen, so können wir diesen mit einem Like versehen und dem Schöpfer folgen. Ist bei einer Kreation die Option öffentlich aktiviert, können wir Fragmente dieser für unsere eigenen Projekte verwenden, diese weiterdenken und für unser Vorhaben optimieren. Schon jetzt gibt es unglaubliche Figuren und Landschaften. Es sei jedoch gesagt, dass Dreams noch in den Anfangstagen steckt und ich mir sicher bin, mit fortschreitender Zeit immer beeindruckendere Projekte anderer Träumer erleben zu können.

Im Bastelfieber

Nachdem ich mir ein wenig Überblick über die Möglichkeiten verschaffen konnte, war mir klar was mein erstes Projekt in Dreams werden sollte: Eine animierte Spieluhr mit der Titelmelodie meines Lieblingsmusicals Das Phantom der Oper! Also tauche ich ab in das Herzstück von Dreams: dem Traumformen. Hier stehen uns diverse Werkzeuge zur Verfügung, um den Kindern unserer Vorstellungskraft Gestalt zu verleihen. So können wir Formen auswählen und für unser Vorhaben zurechtschneiden. Fügen wir diese zusammen, lassen sich Figuren, Landschaften und ganze Level bauen. Mit dem Air-Brush Tool können wir unseren Kreationen Farben geben. Ebenfalls ist es möglich, Texturen und Grafikstil festzulegen. Vom realistischen Raumschiff bis hin zu einem Jump´n Run, das wie ein Gemälde wirkt – alles ist möglich!

Ich hatte meine Vision optisch klar vor Augen: Eine quadratische Spieluhr, darauf eine Gondel, darin das Phantom und seine Holde. Stilistisch wollte ich die Skulptur in meinem Zeichenstil halten, der sich zwischen Tim Burton und South Park bewegt. Als Animation sollte sich die Figur auf einem Podest in der Spieluhr zur Titelmelodie des Musicals um die eigene Achse drehen. Ihr merkt es vielleicht, ich ging sehr ambitioniert an die Sache ran, wo ich wieder bei der Sache mit dem Laufen vor dem Gehen können wäre. Denn in der Theorie ist mein Vorhaben möglich, in der Praxis allerdings fehlt mir dafür die Erfahrung. Obwohl Dreams mit sehr umfassenden Tutorials daher kommt, bleiben die Meisten, im Vergleich zu dem was möglich ist, eher an der Oberfläche. Daher konnte ich meine Vorstellung bisher (noch) nicht realisieren – zumindest im optischen Bereich. Was die Melodie betrifft war ich erfolgreich und sie klingt tatsächlich wie die einer Spieluhr, auch wenn es vielleicht noch etwas Feintuning beim Tempo benötigt.

Animationen und Mechanismen in selbstgebauten Welten werden in Dreams über Schaltkästen und Verkabelungen geregelt. Der Aufbau dieser folgt einer recht einfachen Logik und mit ein wenig Übung kann man sehr schnell komplexe Bewegungsabläufe „programmieren“. Die größte Herausforderung stellte für mich die Steuerung von Dreams dar, da diese für den Motion Controller optimiert ist und ich über keinen verfüge. Zwar lässt sich auch eine Belegung für den herkömmlichen Controller auswählen, aber gerade bei der Kamerasteuerung durch den dreidimensionalen Raum beim Formen der Figuren entpuppte sich dies gelegentlich als Krampf.

FAZIT

Dreams ist ein Fest für Kreative! Man merkt zu jeder Sekunde wie viel Leidenschaft und Ambition Entwickler Media Molecule in den Baukasten gesteckt haben. Was ihr euch vorstellen könnt, könnt ihr auch mit Dreams verwirklichen – wenn ihr bereit seid, die doch recht hohe Einstiegshürde zu Beginn zu meistern. Der Editor bietet euch zwar umfangreiche Tutorials an, doch in Anbetracht seines Potentials bleiben diese an der Oberfläche. Wer sich als Meister-Träumer beweisen will, muss daher Tief in das Herz von Dreams eintauchen und einiges an Experimentierfreudigkeit im Rucksack haben. Ich bin mir aber sicher, dass von seiten der Community in nächster Zeit noch sehr ausführliche Tutorial-Videos im Netz landen werden. Wo wir auch schon beim zweiten Herzstück von Dreams wären: die Community! Wie schon bei Little Big Planet setzt Media Molecule mit Dreams auf Create and Share! Es ist schlicht unglaublich worauf man beim Schmökern alles trifft. Wenn ich daran denke, dass Dreams noch in seiner Anfangszeit ist, leuchtet mein Herz vor Freude und Erwartung, was die User in den nächsten fünf bis sechs Monaten alles kreieren werden. Positiv überrascht hat mich die Solo-Kampagne, die in ihrerer Thematik sehr reif und nachdenklich um die Ecke kommt. Einziger Wermutstropfen war für mich die Steuerung, da ich über keine Motion-Controller verfügte und die Steuerung mittels Joy-Pad eher suboptimal ist. Doch dieses Problem werde ich schnell beheben und freue mich schon auf viele Abende, wo ich mit Dreams Podcast hörend meinen Schaffensdrang ausleben werde.

Was ist Dreams? Ein gewaltiger Game-Editor für Jedermann!
Plattformen: PS4
Getestet: PS4
Entwickler / Publisher: Media Molecule / Sony Computer Entertainment
Release: 14. Februar 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 6 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

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