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Forza Horizon 4 im Test

Eine fulminante Rennsport- und Automobil-Baugeschichte, regelmäßige Trackdays für Jedermann (und -frau), gleich mehrere fantastische Rennstrecken und dann ist da noch Goodwood – egal ob Festival of Speed oder Revival. Ja, kaum ein anderer Teil dieser schönen Erde ist so Auto-narrisch wie die britische Insel. Schön, dass just sie nun den Schauplatz für das umfangreichste und höchstwahrscheinlich auch beste Arcade-Rennspiel aller Zeiten stellen darf: Forza Horizon 4.

Man muss vermutlich nicht mein Review zu Forza Horizon 3 gelesen haben, um zu wissen, dass sich schon dieses Werk von Playground Games nicht wirklich viel vorwerfen lassen musste. Umfang, Technik, Gameplay – alles bestens. Und doch: Mit Teil 4 legen die Entwickler nochmal mächtig einen drauf. Das fängt schon bei der erwähnten Location an: Die Region zwischen Nordengland und Schottland ist zwar natürlich nicht so abwechslungsreich wie Australien, das von trockenen Wüsten bis hin zu dunklen Urwäldern ein wirklich breites Spektrum bieten konnte, weiß aber vor allem durch die stärkeren Höhenunterschiede und wirklich malerische Landschaften dennoch noch ein klein bisschen mehr zu überzeugen als Down Under. Vor allem, da ihr die üppigen Felder, schroffen Küsten und engen Gassen Edinburghs zu allen vier Jahreszeiten erkunden dürft, wobei jede tatsächlich seine eigenen Besonderheiten mitbringt: Perfekt hohes Grip-Niveau im warmen Sommer, spaßbringende Pfützen und prächtige Farbenspiele sowohl im Herbst als auch im Frühling und natürlich wildes Schneegestöber, samt zugefrorener Seen und Flüsse, im Winter.

Dabei werden euch in der rund fünf Stunden langen Intro-Session alle Jahreszeiten nach und nach schmackhaft gemacht. Später dann, sobald ihr euch euer Armbändchen für das echte Horizon-Festival verdient habt, ändern sie sich wöchentlich. Überhaupt reißt Forza Horizon 4 erst nach diesen schon an sich ungemein spaßigen Stunden so richtig die Türen in seine Welt auf und zeigt sein volles Potenzial. Hier ist den Entwicklern wirklich ein Spiel gelungen, bei dem man eigentlich nie wieder die Hände vom Lenkrad nehmen oder den Controller weglegen möchte. Es gibt einfach immer etwas zu tun, immer Neues zu entdecken, immer wieder etwas Interessantes auszuprobieren oder Herausforderndes in Angriff zu nehmen. Doch der Reihe nach: Was gibt es überhaupt zu tun? (Kenner der Vorgänger überspringen auf Wunsch gern den folgenden Absatz und steigen nach der nächsten Bilder-Galerie wieder ein)

Die Basics

In klassischer Forza Horizon-Tradition dreht sich auch in Teil vier wieder alles um ein fiktives Festival, das ganz im Zeichen schneller Autos und heißer Action steht. Will heißen: Während ein mit Laser-Shows und Feuerwerk ausstaffiertes Festival-Gelände als Zentrale dient, poppen in der frei befahrbaren Welt immer wieder verschiedenste Rennen (Rundstrecken-Rennen auf abgesperrten Straßen, Dirt-Rennen, Querfeldein-Veranstaltungen, Drag-Races oder auch mehr oder weniger offizielle Straßen-Rennen) und andere Herausforderungen, wie etwa Radarfallen oder aufzustöbernde Scheunenfunde (also seltene, hier natürlich zumeist ikonische, britische Autos, die irgendwo vergessen wurden) auf, die von euch in Angriff genommen werden wollen. Desto mehr ihr gewinnt und tut, desto mehr Geld und Einfluss sammelt ihr, was euch wiederum die Finanzkraft zum Kauf neuer Autos und Zugang zu noch mehr Veranstaltungen gewährt … soweit so altbekannt.

Nun setzt sich Forza Horizon 4 aber in so mancher Hinsicht von seinen Vorgängern ab. Sowohl in grundlegenden Dingen wie den Jahreszeiten (siehe oben) oder den neuen Online-Features (siehe unten) als auch in Sachen Details, wie etwa der Tatsache, dass ihr jetzt Häuser kaufen könnt, welche als Ersatz-Zentralen zum Tunen der schon zum Start mehr als 450 Fahrzeugen dienen, die im Spiel enthalten sind – so viele wie noch nie zuvor. Diese decken wie gewohnt so ziemlich die gesamte Bandbreite von allem ab, was man sich als Autonarr so unter den eigenen Hintern wünscht. Neben „normalen“ warten auch jede Menge „besondere“ Vehikel, wie Rennwagen, Konzept- und Showfahrzeuge oder ganz besondere Biester vom Schlage des Hoonicorns – dem Drift-Mustang von Ken Block. Einzig Fans von Lexus, Toyota und Mitsubishi schauen leider durch die Finger. Diese drei Hersteller haben sich offensichtlich nicht dazu bereit erklärt, ihre Fahrzeuge ins Spiel integrieren zu lassen.

Lastwechsel, Vollgas, Drift – herrlich

Eine weitere Stärke der Serie ist schon immer gewesen, wie die Entwickler es beim Fahrverhalten der Autos schaffen, den perfekten Spagat zwischen Arcade und Realismus hinzubekommen. Denn obwohl es sich bei Horizon 4 ganz sicher um keine Simulation handelt (vor allem, wenn man die zahlreichen Fahrhilfen alle zuschaltet), so überzeugt das Fahrverhalten dennoch mit einer Menge von delikaten Feinheiten, die nicht nur die Autos an sich stark voneinander unterscheiden, sondern auch Tuning-Maßnahmen gleich und gut spürbar machen. Also ja: Selbstverständlich ist auch das Tuning-Feature wieder in seiner vollen Pracht mit von der Partie und ermöglicht vom Austausch des Luftfilfters bis hin zur Montage kompletter Bodykits samt Engine-Swap so gut wie alles, was sich das Tuner-Herz wünscht. Leider sind aber nicht alle Autos im selben Ausmaß veränderbar. Die erwähnten Bodykits gibt es somit beispielsweise ebenso wenig für alle Fahrzeuge wie die da und dort auch gebotene Möglichkeit, die Spurweite zu regulieren … schade.

Aber es gibt immerhin genug andere Features, die einen darüber gleich wieder hinwegtrösten können, zum Beispiel den Design-Editor samt Upload- und Community-Funktion, über den man nicht nur zahlreiche Designs anderer User auf seinen neuen Flitzer pappen kann, sondern natürlich auch versuchen darf, selbst Ruhm und Ehre als Livery-Designer zu erlangen – oder als Setup-Spezialist, wenn wir schon dabei sind. Auch die vielfältig einstellbaren Fahrzeug-Settings können immerhin geteilt werden.

Generation Always on

Die wahrscheinlich größte Neuerung – neben den Jahrezeiten, die ich jetzt ja schon ein paar Mal erwähnt habe und die einfach wirklich mega-cool sind – ist die Tatsache, dass man nicht mehr allein durch die Welt von Forza Horizon 4 heizt, sondern sie sich ständig mit anderen Zockern teilt. Dabei ist aber wirklich viel Hirnschmalz in die Feinheiten geflossen, womit am Ende nicht einmal ich – eigentlich ein Online-Muffel, der am liebsten beim Zocken für sich bleibt – die Möglichkeit genutzt habe, das Online-Feature zu deaktivieren. Ein Grund dafür ist, dass das Verbinden zu einer Session vollkommen unmerklich im Hintergrund abläuft – selbst dann, wenn einmal die Verbindung verloren gehen sollte, behindert euch das kein bisschen am Spielen selbst. Es taucht nur eine kleine Meldung am oberen Bildschirmrand auf, ihr könnt aber ganz normal weiterzocken. Auch die anderen Spieler können euch nicht „stören“: Beim regulären Cruisen durch die Landschaft ist es nicht möglich, mit den anderen Spieler-Autos zu kollidieren – man fährt einfach durcheinander hindurch. Anständig Lackfarben austauschen geht erst, wenn man sich bewusst mit Freunden oder gerade getroffenen Mitspielern zu einer Truppe zusammenschließt oder in einem Online-Rennen explizit diese Funktion einstellt.

Zudem funktioniert trotz geteilter Online-Welt das allseits beliebte Rückspulfeature wie gewohnt. Nur wird eben tatsächlich nur das eigene Auto zurückgespult – der KI-Zivilverkehr fährt weiter. Crasht man also beispielsweise in einen Passanten und spult zurück, steht dessen Auto immer noch genau dort, wo man ihn zuletzt hingecrasht hat – das stört aber nicht wirklich. In den Rennen ist immerhin dann auch alles so wie gewohnt. Vorausgesetzt natürlich, man fährt allein, denn auch hier spielt Forza Horizon 4 große Auswahl-Trümpfe aus. Nicht nur passen sich die meisten Rennen eurem aktuellen Auto an – ihr seid also so gut wie nie gezwungen, in eine bestimmte Karre zu steigen, um weiter zu kommen, sondern könnt tatsächlich immer tun und fahren, was ihr wollt – ihr könnt zudem auch wählen, ob ihr allein, im Koop oder gegen echte Gegner fahren möchtet. Außerdem peppen auch Playground-Games den Spieleralltag mit jeder Menge Tages- und Wochen-Challenges sowie speziellen Forza Life Events auf, durch die ihr wiederum eigene Forza Life Punkte gewinnen könnt, über die ihr dann wieder im eigenen Forza Life Shop gerade angebotene Autos kaufen könnt. Und dann ist da natürlich noch das volle restliche Angebot an Online-Features, das man schon aus dem Vorgänger kennt. Es warten also nicht nur normale Rennen, die ihr gegen andere Spieler fahren könnt, sondern auch diverse in Autos ausgetragene und in der Regel ungemein spaßige „Spiele“.

Das einzige, was sich im Vergleich zum Vorgänger in Sachen Umfang vielleicht negativ verändert hat, ist die Tatsache, dass die Bucket-List-Events rausgeschmissen wurden. Wirklich vermissen wird man die aber kaum … weil man schlicht keine Zeit dafür hat. Immerhin warten neben all den Rennen und Herausforderungen immer noch die Showcase-Events, die diesmal auch ein Rennen im Halo-Setting (inkl. Cortana) beinhalten, und ihr dürft an einem Filmdreh mitwirken, der mehr oder minder auch direkt die Bucket-List-Events ersetzt. Hier gilt es dann beispielsweise, in einem Bugatti Chiron einem Düsenjet zu entkommen oder in einem Auto Union Rennwagen eine malerische Küstenstraße entlang zu brettern. Alles sehr stimmig und eine herrliche Auflockerung zum „schnöden“ – also eh schon unpackbar umfang- und abwechslungsreichen – Standard-Rennalltag.

Technik

Ebenfalls alles andere als von schlechten Eltern ist das technische Grundgerüst von Forza Horizon 4. Dabei hat sich bei der Engine selbst freilich recht wenig getan (selbe Konsolengeneration und so), aber es wurde trotzdem an so mancher Schraube gedreht, um noch mehr aus der Xbox One herauszuholen. Der eigentliche Star der Optik ist aber vor allem Großbritannien: Die liebevoll gestaltete Landschaft inklusive ihrer vielen zerstörbaren Objekte und für Leben sorgenden Bewohner (menschlich und tierisch) wird durch die nahtlosen Tag/Nacht- und Wetterwechsel fantastisch in Szene gesetzt. Egal ob man nächtens durch Edinburgh brettert, im Sonnenuntergang eine Küstenstraße entlangcruist oder in der Cockpitansicht bei einsetzendem Regen dem auf der Scheibe umhertänzelnden Wasser zusieht – Forza Horizon 4 bietet optisch quasi am laufenden Band Momente zum Schwärmen.

Dabei läuft das Ganze auf der normalen Xbox noch so gut wie jederzeit flüssig – was vor allem durch eine dynamische Anpassung der Detaileinstellungen erreicht wird. Am PC kann man diese – die nötige Power vorausgesetzt – gern auch deaktivieren und einfach alles auf Dauer-Anschlag drehen. Dann läuft die PC-Version der Konsolen-Fassung wenig überraschend gehörig den Rang ab – auch der Xbox One X-Version übrigens, bei der man zwischen einem Quality-Modus in 4K mit 30 FPS oder einem Performance-Modus mit 60 FPS in 1080P wählen kann. Weitsicht, Schatten, Texturen, Modell-Details – der PC hat überall die Nase vorn. Aber keine Sorge: Ohne direktem Vergleich fällt das auf der Konsole kaum auf – auch hier sieht das Spiel wirklich toll aus.

Wie von Microsoft gewohnt cool: Wer das Spiel auf einer Plattform kauft, hat es automatisch auch auf der anderen. Vulgo „play anywhere“. Die Savegames werden dabei in der Cloud gespeichert und abgeglichen. Man kann also jederzeit auf beiden System immer dort weiterspielen, wo man aufgehört hat.

Ebenfalls gewohnt großartig ist der Soundtrack: Erneut warten sehr unterschiedliche Radiosender auf euch, die von Drum & Bass, über Rap und Rock bis hin zu Klassik alles bieten und noch dazu durch tolle Moderatoren glaubhaft zum Leben erweckt werden – sowohl auf Englisch wie auch auf Deutsch. Auch der Sound der Autos kann zumeist überzeugen. Zwar sind zugegeben nicht alle Karren auf demselben Niveau, die meisten klingen aber richtig schön kernig – sowohl von außen als auch aus den zwei Cockpit-Perspektiven.

FAZIT

Forza Horizon 4 ist mit Sicherheit eines der umfangreichsten und besten Rennspiele dieser Generation, wenn nicht aller Zeiten. Technik und Gameplay sind hervorragend und der Umfang so umwerfend, dass so manche Feinheit selbst in diesem, nicht gerade kurzen Artikel, keinen Platz gefunden hat. Unterm Strich kann ich den vierten Teil der Horizon-Serie also nur wirklich jedem wärmstens ans Herz legen, der mit Autos etwas anfangen kann … und wenn er dann auch noch etwas für Großbritannien und seine Autokultur überhat, erst recht.

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Was ist Forza Horizon 4? Ein Arcade/Open World-Rennspiel angesiedelt in Großbritannien mit über 450 Autos.
Plattformen: Xbox One & PC (Play anywhere)
Getestet: PC & Xbox One
Entwickler / Publisher: Playground Games/Microsoft
Release: 02. Oktober 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 10.0

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10

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