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The Dungeon Of Naheulbeuk: The Amulet Of Chaos im Test

Ein humorvolles Fantasy Rollenspiel mit einem unaussprechlichen Namen, das in Frankreich aufgrund eines Radiohörspieles schon lange Kultstatus hat, bei uns jedoch kein Mensch kennt. Für mich ist es plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht, und aus meinem kurzen ersten Blick wurde gleich eine zehnstündige Spielesession bis tief in die Nacht hinein: Das ist The Dungeon Of Naheulbeuk: The Amulet Of Chaos.

Rollenspiel-Parodie

Eine Gruppe von sieben Glücksrittern betritt die dunklen Gänge des Kerkers von Naheulbeuk, um möglichst viel Gold zu erbeuten. Da wäre auch noch eine Statuette zu finden und eine alte Prophezeiung zu erfüllen, aber das scheint den meisten, nicht sonderlich intelligenten oder erfahrenen, Mitgliedern der Gruppe relativ egal zu sein. The Dungeon Of Naheulbeuk ist eine humorvolle Rollenspiel-Parodie voller seltsamer Begegnungen und absurder Überraschungen, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Die Umgebung wird in Echtzeit und in gut gemachter isometrischer Perspektive, von allen Seiten betrachtbar und zoombar, erkundet. Kämpfe laufen hingegen rundenbasiert ab. Der mehrstöckige Kerker enthält alles, was man als Rollenspieler so erwartet, wie fiese Fallen, steinige Wände, interaktive Hotspots, einen Shop, eine gut besuchte Taverne, eine ganze Reihe wirklich witziger NPCs, sowie natürlich Unmengen verschiedener Feinde.

Eine chaotische Abenteurergruppe

Das eine Highlight des Spieles ist sicherlich die Abenteurergruppe. Sie ist vorherbestimmt, man kann zu Beginn des Abenteuers niemanden erschaffen oder verändern. Die Party besteht aus einer klischeehaften Auswahl der häufigsten Rollenspielfiguren: ein sich manchmal geringfügig überschätzender Ranger (der mehr oder weniger die Führung der Gruppe übernommen hat), eine knapp bekleidete Elfin (Bogenschütze, die gelegentlich auch die eigenen Leute trifft), ein goldgieriger, dämlicher Zwerg, ein noch dämlicherer Barbar, ein immer hungriger aber hochsensibler Oger, ein ungeschickter, feiger Dieb und eine sexy Zauberin – sofern man Rothaarige sexy findet (so wie ich). Die Zauberin ist wahrscheinlich das vernünftigste und intelligenteste Mitglied der ganzen Gruppe. Die Partymitglieder reden ständig miteinander und kommentieren den Fortschritt des Abenteuers, was ziemlich lustig ist. Oder sie tauschen untereinander Nettigkeiten aus, ich habe seit Baldur’s Gate nicht mehr so viele Interaktionen innerhalb der Gruppe erlebt. Auch ein Erzähler gibt immer wieder Kommentare ab und durchbricht dabei oft die vierte Wand. An bestimmten Schlüsselstellen der Geschichte handeln manche Figuren selbstständig (und mit vorhersehbaren negativen Konsequenzen) – hier verdammt einen das Spiel zum hilflosen Zusehen, was nun als nächstes passiert. Die Geschichte ist generell klar vorgegeben und die Entscheidungsfreiheit des Spielers diesbezüglich eingeschränkt. Andernfalls würde der Dwarf wahrscheinlich bei den meisten Spielern schon nach einer Stunde permanent aus der Party fliegen.

Die Helden können (fast alle) eine Haupt- und Nebenwaffe, Rüstung, Schuhe, Helm, Ringe, und Halskette tragen. Ein paar Dinge kann man auch an den Gürtel hängen. Trotz vieler Beutestücke und daher bald sehr umfangreichen Besitztümern ist die Inventarverwaltung recht übersichtlich gestaltet. Einerseits hat jeder Charakter seine eigene Ausrüstung, und den Rest trägt der starke Oger in seinem großen Rucksack für alle anderen. Der Oger mag unmenschlich stark sein, aber auch er kann nicht unendlich viel tragen. Neben Waffen und Rüstungen findet man im Dungeon Heilmittel, Quest-Gegenstände, Bücher, oder sonstiges Zeug sein… wirklich eine ganze Menge. Manche Gegenstände können rollenspieltypisch nicht von jedem Helden benutzt werden. Nur der Oger setzt sich beispielsweise die Bratpfanne als modischen Helm auf den Kopf, die er bei Bedarf aber auch gleich zum Kochen von Goblins benutzt. Während der Oger das Tragtier für die Gruppe ist, schreibt die Zauberin das Tagebuch (mit den ganzen noch unerledigten Aufgaben) und zeichnet automatisch eine Karte der Umgebung mit. Sehr praktisch! Jeder Charakter verfügt über eine ganze Menge an Werten. Sie sind in die Hauptattribute Beweglichkeit, Stärke, Konstitution, Intelligenz, Mut und Charisma und in 14 sekundäre Attribute und einen Fähigkeitsbaum unterteilt. Die Hauptattribute können erhöht werden, wenn ein Charakter aufsteigt, nachdem er genügend Erfahrung im Kampf gesammelt hat. Das Aufsteigen ermöglicht auch das Erlernen neuer Fähigkeiten aus einer langen Liste von aktiven und passiven Fähigkeiten, die für jeden Charakter individuell sind. Erfahrungspunkte werden den Gruppenmitgliedern je nach ihrer Performance im Kampf zugeteilt.

Anspruchsvolle Kämpfe

Die rundenbasierten Kämpfe sind das zweite Highlight des Spieles. Vor jedem Kampf wählt man die Startpositionen für alle Partymitglieder aus, während man die Feinde bereits sehen kann (manchmal erscheinen weitere Feinde während des Kampfes). Dann beginnt der rundenbasierte Kampf. Jeder Charakter hat zwei Aktionspunkte – um sich zu bewegen und um zu kämpfen oder etwas Anderes zu tun, z.B. eine spezielle Fertigkeit einzusetzen oder einen Zauber zu sprechen. Deckung auszunützen ist überlebenswichtig, von der Flanke oder gar von hinten zuschlagen bringt einen Bonus, die Umgebung kreativ einzusetzen kann sehr hilfreich sein… es bestehen unzählige taktische Möglichkeiten, ich liebe es. Die Kämpfe in diesem Rollenspiel müssen sich vor spezialisierten taktischen Rollenspielen absolut nicht verstecken! Charaktere können Wunden erleiden, die bestimmte Fähigkeiten (abhängig von der Wunde) einschränken und müssen geheilt werden (mit einem Verband, Erste-Hilfe-Kasten oder was auch immer), sonst könnten sie sich (in drei Stufen) verschlimmern. Das Spiel mag überaus humorvoll sein, aber die Kämpfe sind alles andere als einfach. Ohne planmäßiges Vorgehen und der Berücksichtigung der jeweiligen Stärken, Schwächen und Fähigkeiten der Partymitglieder, Teamwork sowie der Umgebung kommt man nicht weit, nicht einmal im niedrigsten der vier Schwierigkeitsgrade.

Bugs?

The Dungeon Of Naheulbeuk ist weitestgehend vertont und vollkommen ins Deutsche übersetzt. Jeder der sieben Helden, der Erzähler und die wichtigeren NPCs haben hervorragende Sprecher erhalten. Sie alle reden recht viel. Technisch funktioniert das Spiel gut, auch wenn bei Release, wie heutzutage ja üblich, noch ein paar Fehler aufgetreten sind. Der eine oder andere Satz in Französisch, ein paar nur durch Laden eines Spielstandes (Laden/Speichern ist überall möglich) zu umgehende Fehler, wobei jedoch der Großteil bereits in der ersten Woche nach Release durch drei Patches behoben wurde. Das Rollenspiel ist komplett mit dem Gamepad spielbar, selbst die komplexeren Handlungen wie die Auswahl des gewünschten Zauberspruches und das Auswählen des Zieles für den Zaubersprich funktionieren perfekt (nach etwas Training). Ultrawidescreen (21:9) wird unterstützt.

FAZIT

The Dungeon Of Naheulbeuk: The Amulet Of Chaos ist ein fantastisches Rollenspiel mit Haupt-Quest und einer ganzen Reihe von Neben-Quests. Der Fortschritt der Geschichte ist allerdings eindeutig vorgegeben, die Entscheidungsfreiheit des Spielers ist dabei eingeschränkt. Open World ist etwas anderes. Der Humor mag nicht jedermanns Sache sein, ich habe mich jedenfalls vor Lachen mehrmals beim Cola trinken verschluckt. Mein Fazit ist klar, wer ein witziges Fantasy Rollenspiel sucht, das sich selbst nicht allzu ernst nimmt, aber verdammt herausfordernde rundenbasierte Kämpfe bietet, wird bei The Dungeon Of Naheulbeuk: The Amulet Of Chaos fündig.

Was ist The Dungeon Of Naheulbeuk: The Amulet Of Chaos? Humorvolles Rollenspiel mit herausfordernden rundenbasierten Kämpfen.
Plattformen: PC, Mac
Getestet: Releaseversion, auf PC i7-3770, 24 GB RAM, GeForce GTX 1070, 3440×1440 Auflösung, Win 10
Entwickler / Publisher: Artefacts Studio / Dear Villagers
Release: 17. September 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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