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Marvel vs. Capcom Infinite im Test

Auf der Kinoleinwand ist Marvel seinem direkten Konkurrenten DC-Comics haushoch überlegen. Mit einem Einspielergebnis von bislang über 12,5 Milliarden Dollar wirken die Einnahmen von Superman, Batman & Co dagegen wie Peanuts. In der Welt der Videogames sieht das, dank Spielen wie der Arkham-Reihe oder Injustice, aber wieder ganz anders aus. Vor allem letzteres bekommt jetzt  mit Marvel vs. Capcom: Infinite sogar direkte Konkurrenz. Leider keine ernsthafte, nicht einmal für eingefleischte Marvel-Fans.

Alles begann vor mehr als 20 Jahren in der Spielhalle, als sich dort auf einem Aracde-Automaten die X-Men im Spiel Children of the Atom mit ihren Widersachern prügelten. Im Laufe der kommenden Jahre kamen dann andere Marvel Helden, wie Iron Man, Hulk oder Captain America und später auch Kämpfer der Street Fighter Reihe hinzu, bevor dann 1998 das erste Spiel der Marvel vs. Capcom Reihe unter dem Namen Marvel vs. Capcom: Clash of Super Heroes erschien.

Aber genug der Lektion in Videospiel-Geschichte, das neue Spiel Marvel vs. Capcom: Infinite ist nun quasi der vierte Teil des Crossover-Franchises und richtet sich eher an Fans der zahlreichen Kinofilme, als an Freunde anspruchsvoller Beat’em Ups. Das beginnt schon bei der Story. Der Antagonist ist die Verschmelzung zweier Widersacher aus den beiden Welten: Der von Tony Stark künstlich erschaffene Intelligenz Ultron und dem Commander Sigma aus Mega Man X. Dieser nennt sich nun Ultron Sigma und ist in den Besitz von zwei Infinity Steinen gelangt, mit denen man unter anderem auch die Realität verändern kann, was die Verschmelzung der beiden Universen zur Folge hatte. Dieses Mal heißt es aber „Avengers und Capcom Assemble!“, denn nur gemeinsam kann man sich der Bedrohung entgegen stellen und das gelingt nur durch das Einsammeln der restlichen Steine.

Aufbaukämpfe mit Story

Kenner des Marvel Cinematic Universe werden sich in der Story recht schnell zurechtfinden, aber auch komplette Neulinge werden damit nicht überfordert. Das ist aber auch nicht schwer, denn die Inszenierung besteht hauptsächlich aus einfältigen Onelinern und zusammengewürfelten Dialogen, die meist schon nach wenigen Sekunden sehr abrupt von den Kämpfen unterbrochen werden. Die Handlung beginnt nach einem sehr schwachen Anfang etwas besser zu werden, driftet danach aber gleich wieder ins Lächerliche ab – selbst für eine surreale Vorlage wie Marvel vs. Capcom. So etwas wie Spannung oder Dramatik kommt zu keiner Zeit auf. Aber nicht nur in Sachen Story rund um die Infinity Steinen nähert man sich dem MCU an, nein, auch mit dem Kader der spielbaren Charaktere tut man das. Der ist nun auf rund 30 Kämpfer geschrumpft und beschränkt sich in den Reihen der Marvel-Helden ausschließlich auf Figuren aus dem Film-Universum. Damit wurden etwa Fan-Lieblinge wie etwa Wolverine oder Deadpool gestrichen, hinzugekommen sind dafür Ultron, Gamora oder Captain Marvel. Auf Seiten der Capcom Figuren haben es zumindest Mega Man X sowie Jedah Dohma aus Darkstalkers in das Spiel geschafft und diese werde neben den Aushängeschildern wie Ryu oder Chris Redfield mit so skurrilen Gestalten wie Arthur aus Ghosts ’n Goblins oder dem Dead Rising Protagonisten Frank West ergänzt.

Doublette statt Dreifach-Schlagkombination

Die Geschichte rund um die Infinity Steine dient aber vornehmlich als Mittel zum Zweck und soll dem Spieler das neue Gameplay-Konzept näher bringen. Anders als im Vorgänger schlagen sich in Marvel vs. Capcom: Infinite nicht mehr 3 vs 3., sondern nur mehr Zweier-Gruppen. Grundsätzlich kann zwischen den beiden gewählten Charakteren jederzeit gewechselt werden, wobei sich die Gesundheit der pausierenden Figur sehr langsam wieder erholt. Der fehlende Kämpfer wurde durch einen Infinity Stein ersetzt, den man vor jedem Duell auswählen kann. So kann ich mich je nach Wahl etwa hinter meinen Gegner teleportieren, meinen Schaden erhöhen oder die Gesundheit schneller regenerieren. Ein cooles neues Feature, welches nun auch eine kleine taktische Note in das Spiel bringt. Auf der anderen Seite ist dafür auch die ganze Kampf-Mechanik deutlich zugänglicher geworden. Schon nach wenigen Minuten, und ohne das Button-Layout zu kennen, habe ich schon einige schöne Combos vollbracht. Das war im Vorgänger noch um einiges schwieriger und erforderte viel mehr Einarbeitungszeit. Als Neuerung wurde zusätzlich ein Switch Counter eingeführt, also eine Aktion mit der man eine gegnerische Combo jederzeit unterbrechen kann, sofern man noch genügend Burst-Energie dafür hat. Insgesamt richtet sich die Steuerung eher an Neulinge als an Beat’em Up-Profis. Das hat zwar den Vorteil, dass auch bei unerfahrenen Spielern relativ bald eine schöne flüssige Kampf-Dynamik entsteht, aber auch den Nachteil, dass sich Experten schnell unterfordert fühlen werden.

Technisches K.O.

Einen weiteren Punkt den Genre-Kenner bemängeln werden, ist die nicht immer sehr exakte Kollisionsabfrage. Manchmal war ich mir keinesfalls sicher, ob ein Treffer auch wirklich im Ziel gelandet ist oder doch sein Ziel, zumindest um ein paar Millimeter, verfehlt hat. Aber das kann durchaus eine subjektive Erfahrung sein und fällt angesichts der vereinfachten Steuerung sowieso nicht ganz so schwer ins Gewicht. Auch die restliche technische Umsetzung ist nicht immer optimal. Neben ein paar optisch netten Grafikeffekten sowie soliden Charaktermodellen und Animationen, sind es vor allem die wenig abwechslungsreichen, leblosen Arenen und die teils misslungenen Gesichtsanimationen so mancher menschlicher Heldenfiguren während der CGI-Zwischensequenzen, die Anlass zur Kritik geben. Zumindest wurde das Kampfgeschehen mit ihren Super- und Hyper-Kombos  ordentlich in Szene gesetzt. Sprachausgabe gibt es nur im englischen Original mit deutschen Untertitel. Alles in allem wirkt die Präsentation nicht wirklich einheitlich und aus einem Guss, gerade hier fehlt der Feinschliff, der andere Spiele des Genres auszeichnet.

Wirklich enttäuschend sind auch die verfügbaren Spielmodi. Neben der Story-Kampagne gibt es lediglich die obligatorische Arcade-Variante, die das Spielhallenfeeling zurückbringen soll. Dann gibt es noch Mission und Training, die aber nicht viel mehr als ein umfangreicheres Tutorial sind. Und natürlich verfügt  Marvel vs. Capcom: Infinite ebenso über Vs. Duelle gegen andere Spieler oder einen KI-Gegner. Auch der Online-Modus beschränkt sich lediglich auf  das Wesentliche und hat als einziges Highlight eine Beginners Liga für all jene, die eine bestimmte Stufe noch nicht überschritten haben. Dafür sind alle Charaktere ziemlich gut ausbalanciert und während meinen Matches konnte ich keine Lags oder Verbindungsprobleme bemerken.

FAZIT

Marvel vs. Capcom: Infinite muss im Kampf gegen seinen direkten Konkurrenten eine herbe Niederlage einstecken – um im Fachjargon zu bleiben: Capcoms Beat’em Up kann keine einzige Runde für sich entscheiden. Egal ob es die uninspirierte, lieblose Kampagne ist, der geringe Umfang, das vereinfachte Kampfsystem oder die mittelmäßige Technik – Injustice 2 mit seinen DC-Charakteren hat in allen Belangen seine Nase vorne und schickt seinen Gegner bereits in der ersten Runde K.O. Das bedeutet aber nicht, dass das Spiel grundsätzlich schlecht ist. Nein ganz im Gegenteil, aber es halt ist einfach so, dass die Konkurrenz im direkten Vergleich als Sieger aus dem Ring steigen würde. Für sich alleine betrachtet ist Marvel vs. Capcom: Infinite ist ein überdurchschnittlicher Genre-Titel, mit verschenktem Potential und vergeudeter Lizenz. Marvel und Capcom Fans können zugreifen, müssen aber nicht.

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8

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