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The Evil Within 2 im Test

Im Oktober 2014 lehrte uns Shinji Mikami mit The Evil Within die Tiefen der menschlichen Psyche zu fürchten. Trotz interessanter Geschichte, starker Atmosphäre und einem – für das Genre – komplexen Helden konnte The Evil Within nicht ganz über graphische wie spielerische Mängel hinwegtäuschen. The Evil Within 2 übernimmt manche dieser Fehler. Dennoch ist es über weite Teile eines der intensivsten und beängstigendsten Spiele die ich seit langem spielen durfte.

Die Story – Eine Suche nach der Wahrheit

Fortsetzungen sind nicht nur im Film gefürchtet. Auch bei Computerspielen stellen sie die Entwickler vor große Herausforderungen! Wurde mit einem Ersttitel wie The Evil Within ein brauchbares Fundament gelegt, gilt es dieses für einen Nachfolger sinnvoll auszubauen. Auch sollten genug Voraussetzungen gegeben sein um eine Story zu schaffen, die den Spieler motiviert wieder gerne in die geschaffene Welt abzutauchen. Diesbezüglich ist Shinji Mikami damals mit The Evil Within eine kleine Meisterleistung gelungen. The Evil Within erzählte die Geschichte des Polizisten Sebastian Castellanos, welcher in die Beacon Nervenanstalt geschickt wurde, um dort die Hintergründe eines Massakers aufzudecken, was sich daraus ersponn war wunderbar verwirrend und äußerst interpretierfreudig. Erst die DLC´s lieferten befriedigende Antworten auf die größten Fragen. Und doch deutete Mikami einen Handlungsstrang in Bezug auf Castellanos Ehefrau und den Feuertod seiner Tochter an, blieb uns aber Details und Antworten schuldig. Bis jetzt. Wie sich nun zeigt, baute Mikami schon damals den erzählerischen Bogen zu The Evil Within 2 auf, denn im Fokus der Erzählung steht das Schicksal der Familie Castellanos und die Frage wie eine wunderschöne Kleinstadt namens Union zur Hölle auf Erden werden konnte.

Da die Story voller Wendungen ist, will ich nicht zu viel verraten. Doch gebe ich euch den Tipp zuvor den ersten Teil zu spielen oder euch eine Zusammenfassung der Geschichte anzusehen. The Evil Within 2 baut auf die Ereignisse des Vorgängers auf und knüpft an diese an. Auch erklärt The Evil Within 2 die Gesetze seiner Welt nicht mehr. Ohne nötiges Vorwissen könnte die Geschichte daher schwer nachvollziehbar sein. Qualitativ bewegt sich die Geschichte auf hohem Niveau. Sie punktet mit einem tollen Spannungsbogen, vielen kreativen Ideen, sowie mit einigen – für das Horrorgenre – komplexen Figuren.

Die Open World – Willkommen in Union

Eine der größten Veränderungen im Vergleich zu Teil Eins ist die Tatsache, dass sich die Ereignisse von The Evil Within 2 in einer Kleinstadt namens Union abspielen. Diese ist als Open World angelegt, fällt jedoch weniger drastisch aus als man meinen würde. Die Gebiete sind abwechslungs- und detailreich gestaltet. So findet man verfallene Familienhäuser, Bars oder ein Theater. Nicht alle Gebäude verbergen Geheimnisse oder lassen sich betreten. Trotzdem gibt es viel zu entdecken zum Beispiel Aktennotizen und Erinnerungsfetzen verstorbener Personen, welche einen kleinen Einblick in die Vorgeschichte der Kleinstadt gewähren. Besonders gut versteckt sind alte Diafotos. Diese sind deswegen interessant, weil sie Sebastians Vergangenheit beleuchten und der Figur dadurch mehr Tiefe verleihen. Ein Schnellreisesystem oder dergleichen gibt es nicht. Wurde aber von mir nicht vermisst. Die Gebiete sind recht überschaubar. Daher fallen etwaige Fußmärsche nicht zu ausufernd aus-

Das Gameplay – Nichts für schwache Nerven

Wie man aus einigen meiner Test vielleicht schon herauslesen konnte, habe ich eine etwas morbide Freude an der Angst. Während Titel wie Outlast 2 oder Perception in diesem Bereich etwas enttäuschten, liefert The Evil Within 2 wohl einige der besten Horror-Momente des Jahres. Das liegt an der großartigen Inszenierung, dem Sound und dem abgefahrenen Kreaturendesign. Viele der Monster wirken wie eine Mischung aus der Kreatur welche in Andy Muschiettis Mama sein Unwesen trieb und der bösartigen Samara aus The Ring. Eine Kombination die sich für mich als wunder Punkt herausgestellt hatte. Denn meine erste Begegnung mit einer singenden Frau sorgte dafür, dass ich laut aufschrie und The Evil Within 2 für ein bis zwei Stunden zur Seite legen musste. Herrlich! Genau so etwas erwarte ich mir von einem Horrorgame. Im Allgemeinen läuft The Evil Within 2 dann richtig zur Hochform auf wenn es einen zwingt vor dem Gegner zu fliehen oder um ihn herum zu schleichen. Die Intensität dieser Momente sucht ihresgleichen. Schon lange hat es ein Spiel nicht mehr geschafft, mich so in das Geschehen hineinzuziehen. Ärgerlich ist ein wenig, dass die Deckungsmechanik nicht immer funktioniert. Gerade beim Wechsel gibt es oft Probleme, so dass man von einer Kreatur entdeckt und getötet wird. Dies führt zu häufigen und manchmal etwas frustigen Wiederholungen. Schade, denn das Ärgern über das Scheitern überschattet dann leider manchmal die Angst, welche die jeweilige Situation verdienen würde.

Für Menschen die eine Pause von den Schrecken in Union brauchen gibt es sogenannte „Save Rooms“. Diese Räume sind Unterschlüpfe diverser NPCs und erinnern in ihrer Funktion an die Speicherräume aus Resident Evil. So kann man dort seinen Spielstand speichern und seine Waffen mit gefundenen Waffenteilen aufrüsten. Über ein Dialogsystem können Gespräche mit den NPCs geführt werden. Diese sind aber meist sehr linear gehalten und gehen selten in die Tiefe. Manchmal führen sie zu kleineren Nebenquests, welche einem nach erfolgreichen Abschluss zusätzliche Ausrüstungsgegenstände bescheren. Oft findet man in diesen Save Rooms einen Spiegel. Mit diesem kann Sebastian in ein Büro reisen. Dort kann er dann gefundene Diafotos betrachten oder grünen Schleim in seine Fähigkeiten investieren.

Sollte man sich wieder aus den Save Room heraus wagen ist man nicht auf seine Schleichkünste oder den Faustkampf beschränkt. The Evil Within 2 bietet eine große Auswahl an Waffen und die Tatsache, dass man die Umgebung in den Kampf miteinbeziehen kann, lädt zum Experimentieren ein. Leider büßt The Evil Within 2 dadurch viel von der Horrorintensität ein. Es gibt sehr viele Actionsequenzen und auch die Bossgegner verkommen leider zu oft zur simplen Ballerorgie. Da hätte ich mir mehr Kreativität gewünscht. Gerade die Bosskämpfe fühlen sich oft wie ein Fremdkörper im Spiel an. Dazu kommt noch, dass man meistens – durch das Crafting – über zu viel Munition verfügt. Obwohl ich (trotz eingeschalteter Zielhilfe) nicht über die beste Treffsicherheit verfüge, war ich nie gezwungen mir meine Munition einzuteilen. Chronischer Munitionsmangel hätte sicherlich auch abseits des Horrors für Spannung gesorgt.

Die Technik – Mehr als nur solide

Als Vorbereitung auf The Evil Within 2 habe ich mir nochmal den ersten Teil zu Gemüte geführt. Bei diesem zweiten Durchgang wurde mir klar, dass Liebe blind macht. Ich war damals von The Evil Within so angetan, dass mir nicht aufgefallen ist wie absolut hässlich die Grafik des Spiels war. Diesbezüglich hat The Evil Within 2 einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Die Charaktermodelle sind detailreich gestaltet und glaubhaft animiert. Auch in der Inszenierung der Umgebung gibt sich The Evil Within 2 keine Blöße. Die verschiedenen Gebiete und Gebäude zeigen viel Liebe zum Detail. Tolle Licht- und Schatteneffekte sorgen in Kombination mit Nebel oder Staubpartikeln für eine plastische und schaurig-schöne Atmosphäre.

The Evil Within 2 bietet mehrere Steuerungsoptionen. Alle erfüllen ihren Zweck, fühlen sich aber beim Schießen, oder schleichen manchmal etwas unpräzise an.

Der Sound ist, wie bei diesem Genre üblich, der heimliche Star von The Evil Within 2. Ich durfte The Evil Within 2 über eine 5.1 Soundanalage genießen und habe es nicht bereut. Das Geräuschespektrum der Monster lässt keine Wünsche offen. Mehr als nur einmal hat mich ein schnelles Hecheln, oder der Klang eines schleifenden Ganges in Panik versetzt. Im Allgemeinen wirkt der Klangteppich sehr bedrohlich und intensiv. Musik wird relativ selten eingesetzt, doch wenn dann sehr passend und beunruhigend.

FAZIT

Schon der erste Teil hatte es mir angetan. Die Story im Geiste eines Inception oder The Cell hatte bei mir einen Nerv getroffen. Umso mehr hat es mich gefreut festzustellen, dass The Evil Within 2 in diesem Bereich an alte Stärken anschließen kann. Neueinsteigern empfehle ich aber dringend zuvor den ersten Teil zu spielen oder sich eine Zusammenfassung der Story anzusehen. Die Geschichte der beiden Teile ist sehr stark verwoben und da The Evil Within 2 keinen Wert darauf legt seine Welt neu zu erklären, können viele Elemente des Spiels verwirrend wirken. Bezüglich des Horrors bewegt sich The Evil Within 2 auf sehr hohem Niveau und gehört zum besten was ich seit langen in diesem Bereich spielen durfte. Schade allerdings, dass es so viele Schusssequenzen gibt. Diese fühlen sich gerade bei den Bosskämpfen wie Fremdkörper im Spiel an. Weniger wäre hier sicherlich mehr gewesen. Doch abseits dieser relativ kleinen Mängel hat The Evil Within 2 viele Qualitäten die in mir den Hunger nach mehr wecken.

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 6 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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