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South Park: Der Stab der Wahrheit

Im Fernsehen hui, am Computer pfui! So in etwa lässt sich die spielerische Vergangenheit der TV-Serie South Park beschreiben. Nach mehreren Lizenzgurken hat sich nun der Rollenspiel-Spezialist Obsidian Entertainment den vier Grundschülern angenommen und gleich die beiden Serienschöpfer Matt Stone und Trey Parker ins Boot geholt, um endlich eine würdige Umsetzung der Zeichentrick-Vorlage auf den Bildschirm zu bringen. Mit “Der Stab der Wahrheit” ist ihnen das auch durchwegs gelungen – zumindest wenn man mit dem politisch inkorrekten, bitterbösen und meist auch gesellschaftskritischen Humor der Serie etwas anfangen kann.

Griff in die Geschichte

Alles begann 1992 mit dem Videoclip “The Spirit of Christmas”. Das kleine Filmchen rund um den Kampf Jesus vs. Santa Claus war aber erst der Startschuss, dem bis dato 17 TV-Staffeln und ein Spielfilm nachfolgten. Nicht ganz so erfolgreich waren dagegen die Ausflüge der vier Jungs in die Computer- und Videospielbranche. Egal ob als 3D-Shooter, als Minispielsammlung in Chef’s Luv Shack oder als Super Mario Kart Klon, alle Spiele hatten etwas gemeinsam: Sie waren grottenschlecht und konnten den Charme und die Faszination der Zeichentrick-Vorlage in keinster Weise auf PC oder Konsole transportieren. Genau dieses Manko wollte Obsidian Entertainment beheben und begann 2009 ein Spiel-Konzept zu entwickeln, mit dem Ziel sich sowohl inhaltlich als auch optisch möglichst nahe an der Fernsehsendung zu orientieren.

Ende 2011 kündigte Publisher THQ das neue South Park Spiel erstmals offiziell an. Nach dessen Insolvenz  gingen die Vermarktungsrechte an den französischen Publisher Ubisoft, der das Releasedatum für 2013 plakatierte. Nach weiteren zahlreichen Verschiebungen war es Anfang März 2014 soweit, das Spiel fand seinen Weg in die Händlerregale. Aber nur sehr kurz, denn einen Tag vor dem offiziellen Release bemerkte Ubisoft, dass man versehentlich eine Version mit verfassungswidrigen Symbolen an deutsche und österreichische Händler ausgeliefert hatte. Diese wurden zurückgerufen und auch die Steam-Version wurde vorerst wieder aus dem Online-Katalog genommen. Während Spieler auf der ganzen Welt South Park seit 6. März unsicher machen durften, mussten heimische Zocker somit noch 3 Wochen länger warten….

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Du hast 0 Freunde

Der Stab der Wahrheit erzählt zwar eine eigenständige neue Geschichte, knüpft aber dabei sehr lose an die Folgen “The Return of the Fellowship of the Ring to the Two Towers”, sowie der Black Friday-Trilogie aus der aktuellen 17. Staffel an. Wie in diesen TV-Episoden verbringen auch im Spiel die Kinder ihre Zeit mit Live Action Role Playing, bei denen sich zwei verfeindete Fraktionen gegenüberstehen. Auf der einen Seite die Menschen unter der Führung des Zauberers Cartman und seiner “Prinzessin” Kenny, auf der Anderen das Elfenvolk befehligt vom Judenelf Kyle und seinem Adjutanten dem Krieger Stan.

Das Zentrum der Auseinandersetzung ist dabei “der Stab der Wahrheit”, ein mächtiges Artefakt der seinem Träger die Kontrolle über das Universum verleiht. Zwischen diesen zwei Fronten steht der Spieler, das neue Kind in der Stadt, den Cartman ganz einfach nur Saftsack nennt. Die größte Herausforderung dabei: Neue Freunde finden und damit die Anhängerschaft in Facebook & Co zu vergrößern.  Um jeglichen Spoiler vorzubeugen wird an dieser Stelle nichts mehr weiter von der Story erzählt. Aber die Handschrift von  Matt Stone und Trey Parker ist dabei unverkennbar. Politisch inkorrekt, kontroverse Inhalte, Fäkalhumor bis zum abwinken – die Geschichte des Spiels enthält alle Elemente einer typischen South Park Folge.

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Spiel und Spaß mit Waffen

South Park: Der Stab der Wahrheit spielt sich zunächst einmal wie ein klassisches Adventure: Man erkundet das kleine US-amerikanische Bergstädtchen, sammelt dabei mehr oder weniger nützliches Zeugs, unterhält sich diversen Charakteren und erledigt für diese Aufträge. Klingt jetzt nicht besonders aufregend, ist aber vor allem für eingefleischte South Park Fans ein Fest, denn an allen Ecken und Enden findet man zahlreiche Anspielungen auf die vergangenen 247 TV-Episoden der Serie. In Cartmans Schrank hängt etwa das Kostüm vom Coon (S13E02), Al Gore sucht noch immer nach dem Mannbärschwein (S10E06) und das City Wok-Restaurant wurde von Mongolen okkupiert (S06E11). Als Fan der Serie entwickelt man sofort ein “Mittendrin-Gefühl” und verbringt die ersten Stunden damit, jedes einzelne Gebäude in South Park auf den Kopf zu stellen. Aber auch wenn sich das Spiel zunächst wie ein Adventures anfühlt, im Kern ist “Der Stab der Wahrheit” ein Rollenspiel. Das beginnt schon bei der Charaktererstellung sowie der Klassenauswahl, in der man sich zwischen Kämpfer, Magier, Dieb und Jude entscheiden muss.

Die verschiedenen Heldentypen unterscheiden sich jedoch hauptsächlich durch ihre Fähigkeiten und Spezialangriffe, Charakterwerte wie Stärke, Ausdauer oder Intelligenz existieren nicht. Das bedeutet aber auch, dass bei jedem Level-Aufstieg lediglich die Spezialattacken verbessert werden können, nicht aber der Charakter selbst. Dieses Rollenspiel-light-Prinzip zieht sich leider durch das gesamte Game hindurch, denn auch in anhand der Ausrüstung und Items kann man sich nur sehr dürftig spezialisieren. Es hat zwar einen gewissen Charme wenn eine Auto-Antenne als Zauberstab aufgrund seiner “Blitzmagie” mehr Schaden verursacht als ein einfacher Zweig, da es aber meist ausreicht sich mit dem kräftigsten Prügel zu bestücken oder die stärkste Schutzkleidung anzuziehen, bleibt der spielerische Tiefgang trotz unzähliger Kombinationsmöglichkeiten leider aus.

Jetzt gibt’s was auf die Ohren!

Ganz Rollenspiel-typisch erreicht man Levelaufstiege durch das Erledigen von Aufgaben oder das Absolvieren von Kämpfen. Letzteres läuft dabei rundenbasiert ganz im Stile eines Final Fantasy ab. In jedem Gefecht steht ein treuer Kumpel zur Seite, den man, genauso wie die Spielfigur selbst, befehligen darf. Dieser kann sogar beliebig ausgewechselt werden, muss dann aber eine Runde aussetzen. Jeder Kämpfer verfügt dabei über bestimmte Lebensenergie, Macht- und in späterer Folge auch Magiepunkte. Ist ein Charakter am Zug, darf er zunächst entweder mit diversen Tränken und Speisen seine eigenen Werte wieder auffrischen, oder mittels spezieller Items, wie beispielsweise selbst erzeugten Kothaufen, den Gegner schwächen. Danach kann man sich für eine der verschiedenen Angriffs-Optionen entscheiden.

Nah- sowie Distanzangriffe kann man grundsätzlich immer ausführen, der verursachte Schaden ist dabei abhängig von der Ausrüstung der Spielfigur. Beim Einsatz von Magie- und Spezialattacken werden dagegen entsprechende Punkte verbraucht. Diese sind somit nur begrenzt einsetzbar, können aber ebenso wie die Lebensenergie mittels Tränken bis zu einem bestimmten Grad wieder regeneriert werden. Die Angriffe selbst laufen nicht automatisiert ab, sondern in Form von simplen Reaktionstests. Jede Attacke verlangt nach einen bestimmten Tastatur- oder Maustasten-Kombination, stimmt das Timing ist der angerichtete Schaden umso größer, drückt man zu spät oder zu früh verfehlt man das Ziel. Dieses Kampfsystem ist zwar zunächst ganz witzig und fordernd, mit zunehmender Spieldauer wird es aber immer ermüdender bis nervig.

Um den taktischen Tiefgang etwas zu erhöhen konnen bestimmte Angriffe sogar kombiniert werden. Verursacht man in einer Runde beispielsweise Verletzungen mittels Feuer der über längere Dauer anhält, so kann beim nächsten Zug dank dem magischen Furzangriff, genannt “Dragonshout”, der Schaden um ein Vielfaches erhöht werden. Für das Absolvieren diverser Nebenquests können dazu noch Helfer herbeigerufen werden. So spült der Weihnachskot Mr. Hanky mit einem Shitstorm eure Gegner einfach von Schlachtfeld oder Mr. Sklave lässt die Kontrahenten auf sein ganz spezielle Art einfach verschwinden. Trotz aller taktischen Möglichkeiten bleibt der Schwierigkeitsgrad der Kämpfe überschaubar. Mit genügend Heiltränke stellen nicht einmal die kniffeligen Boss-Fights eine besondere Herausforderung da.

Größer, digitaler und ungeschnitten!

Obwohl der Look der Serie den Eindruck vermittelt, sich eher an ein jüngeres Publikum zu richten, hat South Park: Der Stab der Wahrheit lediglich eine USK-Freigabe ab 18 erhalten – und das aufgrund des Inhaltes zu Recht! Für etwas Unverständnis sorgte dagegen die Entscheidung von Ubisoft einige Szenen der europäischen Konsolenversion freiwillig zu zensurieren. Insgesamt sieben, jeweils knapp 20-sekündige, Spielszenen wurden entfernt, in denen an Spielfiguren Abtreibungen durchgeführt oder Analsonden verwendet werden. Anstatt dieser Sequenzen bekommt der europäische Konsolenspieler Platzhalter angezeigt, während Parker und Stone das Geschehen kommentieren und sich dabei über die europäischen Spieler lustig machen. Die PC-Version ist davon jedoch nicht betroffen.

Deutschsprachige Spieler müssen dazu noch auf eine lokalisierte Sprachausgabe verzichten. Dafür gibt es die englischen Originalstimmen von Cartman & Co zu hören, begleitet von deutschen Untertiteln. Für eingefleischte Fans sicherlich ein großer Pluspunkt, denn trotz der bemühten deutschen Synchronisation der TV-Serie lässt sich der Humor nur schwer bis gar nicht übersetzen. Auch in Sachen Optik hat man sich sehr eng an die Vorlage gehalten und es perfekt gschafft den Scherenschnitt-Look der Zeichentrickserie auf den Computer und Konsolen zu portieren. Ein grafischen Feuerwerk darf man dabei selbstverständlich nicht erwarten, dafür glänzt die Spielewelt mit zahlreichen liebevollen Details und alles wirkt aus einem Guss. Besser kann man eine Lizenz nicht umsetzen!

Fazit

Um es mit Cartmans Worten zu sagen: South Park: Stab der Wahrheit find‘ ich toll, das ist echt lässig. Für Fans der Serie hat sich trotz aller Widrigkeiten das lange Warten wahrlich gelohnt, auch wenn spielerisch nur magere Schonkost geboten wird. Wer ein anspruchsvolles Rollenspiel sucht, der sollte sich besser anderswo umschauen, wer dagegen ein perfekt inszeniertes, interaktives South Park-Abenteuer erleben will, der liegt mit diesem Spiel goldrichtig.

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 6 | Spieldesign: 10 | Motivation: 8

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