Mit Mandragora: Whispers of the Witch Tree ist ein umfangreiches neues Metroidvania erschienen. Die ungarischen Entwickler von Primal Games Studio haben mehrere Jahre ihres Lebens damit verbracht, die dunkle Welt von Faelduum zum Leben zu erwecken und ein düsteres Fantasy-Epos mit angeblich 40 Stunden Spielzeit zu erschaffen.
Die Welt wird korrumpiert von einer seltsamen Seuche, grauenvolle Monster durchstreifen die Gegend, die meisten Menschen verlassen die (noch) sicheren Städte nicht mehr. Nachdem ich schon vor einigen Wochen die Vorabversion von Mandragora: Whispers of the Witch Tree angespielt habe, war ich überaus gespannt auf die finale Fassung. Und die ist nun erschienen – wird sie mir genauso gut gefallen wie die Preview-Version? Ihr spielt einen Inquisitor im Dienste des Königspriesters. Zu Beginn könnt ihr zwischen sechs verschiedenen Spezialisierungen (Klassen) wählen. Wollt ihr einen Frontkämpfer, Flammenweber, Zauberbändiger, Nachtschatten, Wyldhüter oder einen Himmelshüter spielen? Ihr könnt auch zwischen einem männlichen oder weiblichen Charakter wählen sowie optisch eine ganze Menge an Details an eure Wünsche anpassen. Frisur, Haarfarbe, Hautfarbe, Stimme und Tätowierungen. Außerdem müsst ihr eurem Charakter einen Namen verpassen. Danach geht es auch schon los – ihr spielt einen Inquisitor, einen Krieger mit besonderen Fähigkeiten, der bereits als Kind von seiner Mutter getrennt wurde um dem Königspriester zu dienen. Der führt ein strenges Regime in der Hauptstadt Crimson City – während außerhalb die von der Seuche korrumpierten Monster ihr Unwesen treiben und das Land Faelduum durchstreifen.

The King-Priest
Zu Beginn wohnt ihr einer Zeremonie bei. Eine (unter beträchtlichen Verlusten) eingefangene Hexe wurde in die Kirche geschleppt, und wird dort vom allmächtigen Königspriester erbärmlich gequält. Ihr könnt ihre Schreie nicht ertragen, und erlöst die Hexe von ihrem Leid. Dabei passiert etwas… es schaut aus, als ob der Geist der gequälten, sterbenden Hexe in eurem Körper Zuflucht nimmt. Jedenfalls hört ihr von nun an ihre verführerische Stimme in eurem Kopf – ganz ohne dafür Drogen nehmen zu müssen. Der Königspriester ist jedenfalls nicht erfreut über euren Akt der Gnade, stellt sich jedoch hinter euch, um nicht sein Gesicht vor dem versammelten Pöbel zu verlieren. Unter vier Augen ist er aber ziemlich angepisst und gibt euch den Auftrag, euch an der Suche nach einer zweiten, in der Nähe der Stadt gesichteten Hexe zu beteiligen. Ihr sollt dafür sorgen, diese Hexe lebend zu ihm zu bringen. Ihr schließt euch mit euren Kollegen kurz und bekommt den Auftrag, die Hexe in den Sümpfen zu suchen. Und schon geht es raus aus der sicheren Stadt, wo ihr schon nach wenigen Metern dem ersten streunenden Wolf begegnet (und zu Hackfleisch verarbeitet).
In 2D geht es dann weiter, wo ihr Ulfar kennenlernt – einen fahrenden Händler, bei dem ihr in Zukunft Waffen, Nahrung, Tränke, Kleidung usw. kaufen und verkaufen könnt. Hier könnt ihr auch ein paar Dinge basteln lassen, wenn ihr genügend Ressourcen für Ulfar dabei habt. Vorher müsst ihr aber sein von den Wölfen verjagtes Zugtier zurück bringen, wozu ihr ein paar Wölfe (und den riesigen Leitwolf) tötet. Danach geht es weiter in eine Stadt, die aber von Ghoulen und Banditen überrannt und weitgehend zerstört wurde.
Ihr bewegt euch durch die 2D Welt, bekämpft Gegner und sammelt unterschiedliche Ressourcen ein. Ressourcen könnt ihr entweder verkaufen oder zum Herstellen von neuen Gegenständen verwenden, wenn ihr die entsprechenden Blaupausen gefunden habt und eurer Dienstleister auf dem dafür notwendigen Level ist. Ihr müsst nicht nur euren eigenen Charakter verbessern, sondern auch Ressourcen in die Verbesserung eures Dienstleisters investieren. Der Schmied braucht halt einfach einen größeren Amboss… Bald habt ihr jedoch mehr als nur einen NPC, den ihr aufleveln müsst – was dazu führt, dass ihr durch die Welt läuft, Ressourcen sammelt, und diese dann in das Aufleveln der ganzen Shops steckt. So kann man die Spielzeit auch erhöhen. Es gibt eine ganze Menge an unterschiedlichen Materialien, die ihr verarbeiten lassen könnt.
Kämpfen, Ressourcen Sammeln, Upgraden
Die Kämpfe erfordern Taktik und Geduld. Ausweichen, parieren, ducken und geplant zuschlagen – Button-Mashing führt definitiv (ich habs probiert) nicht zum Erfolg. Wenn ihr nicht auf eure Ausdauer achtet, wachelt ihr mit eurem Schwert bald wie mit einer Fliegenklatsche harmlos in der Luft herum und verursacht bei euren Gegnern keinen nennenswerten Schaden. Zum Glück regeneriert sich die Ausdauer recht zügig – ein wenig Zurückhaltung, und schon kann wieder mit voller Kraft zugeschlagen werden. Besonders bei den mehrphasigen Bosskämpfen ist es notwendig, die Verhaltensmuster jedes Gegners zu lernen und eure Angriffe und Zaubersprüche aufeinander abzustimmen, um effizienter zu sein. Im Kern läuft es aber bei den Standardgegnern darauf hinaus, einen Treffer zu landen, den Gegenangriffen durch Rollen auszuweichen, wieder selbst einen Treffer zu landen, abrollen wenn der Gegner zuschlägt… und zwischendurch noch den einen oder anderen Feuerball (ich spiele einen Flammenweber) abfeuern, um ein klein wenig zusätzlichen Schaden zu verursachen. Oder schnell noch einen Heiltrank oder Manatrank runterschlucken, falls es doch nicht so optimal läuft.
Getötete Gegner geben euch Essenz. Damit könnt ihr an einem Hexenstein einerseits euer Level erhöhen, oder ihr benutzt sie um bei Händlern Dinge zu kaufen. Wenn ihr euer Leben verliert, wacht ihr am letzten aktivierten Hexenstein wieder auf. Die seit dem letzten Speichern angesammelte Essenz liegt am Ort eures Todes und kann dort eingesammelt werden – außer ihr verliert vorher wieder ein Leben. Verbrauchsgüter gehen beim Tod nicht verloren. Beim Levelaufstieg bekommt ihr Talentpunkte, die ihr bei einem Hexenstein in euren Talentbaum investieren könnt. an Die sechs verschiedenen Fertigkeitenbäume sind recht umfangreich, aber im Kern vor allem Verbesserungen eurer Werte. Es macht Sinn, sich auf einen Waffentyp und einen Talentbaum zu konzentrieren, da manche Fertigkeiten bei anderen Waffen nichts bringen. Wenn ihr einen hybriden Stil spielen wollt, solltet ihr euch auf zwei benachbarte Fertigkeitenbäume beschränken, um das Beste aus beiden Welten zu bekommen. Hexensteine sind sehr vielseitig – sie dienen auch als Schnellreiseportale.
Backtracking
So wie üblich werdet ihr immer wieder vor an bestimmten Stellen nicht weiterkommen. Ihr seht eine leuchtende Truhe – allerdings in unerreichbarer Höhe. Ihr steht vor einem Abgrund, der einfach viel zu weit ist, um darüber zu springen. Ihr steht vor einem anderen Hindernis, das ihr einfach nicht zerstören könnt. So wie ihr für verschlossene Türen einen Schlüssel (oder einen Satz Dietriche) braucht, so können andere Hindernisse erst überwunden werden, wenn ihr die entsprechenden Fähigkeiten oder Hilfsmittel zur Verfügung habt. Und die bekommt ihr oftmals erst deutlich später, als ihr vor dem Hindernis steht. Ihr müsst euch also merken, dass an dieser oder jener Stelle noch Wege versperrt sind oder Ressourcen nicht erreichbar sind. Sobald ihr dann später die Möglichkeit habt, hier weiterzukommen, kehrt ihr dorthin zurück. Metroidvania-übliches Backtracking eben. Eine automatisch mit gezeichnete Übersichtskarte hilft euch dabei, nicht die Orientierung zu verlieren. Nachdem die Spielmechaniken nicht immer ganz selbsterklärend sind, ist das Glossar überaus hilfreich. Hier werden sowohl die Mechaniken als auch die verschiedenen Eigenschaften eures Charakters im Detail erklärt.
Die Texte von Mandragora: Whispers of the Witch Tree sind deutsch übersetzt, die Sprachausgabe bleibt aber englisch. Kaufen könnt ihr es für den PC auf Steam oder im Epic Games Store, oder für die PlayStation 5, Xbox X|S und Nintendo Switch.
Zusammenfassung
FAZIT
Mandragora: Whispers of the Witch Tree bringt keine richtungsweisenden Innovationen für das Genre – aber das muss es ja auch nicht. Es orientiert sich an den in den letzten Jahren etablierten Mechaniken, die von einem Metroidvania erwartet werden. Und es setzt diese hervorragend um. Jeder einzelne Teil des Spieles ist liebevoll gemacht und funktioniert ausgezeichnet. Die einzelnen Teile greifen reibungslos ineinander und machen Mandragora: Whispers of the Witch Tree zu einem Gesamtkunstwerk, bei dem einfach fast alles passt. Grafisches Design, Story, Vertonung, Erfahrungsbaum, Leveldesign, Sprungmechaniken und natürlich vor allem die Kämpfe mit den Gegnern – all das fügt sich passgenau zu einem der besseren Metroidvanias der letzten Monate zusammen. Für mich ist Mandragora: Whispers of the Witch Tree ganz klar der bis jetzt beste Vertreter seines Genres in diesem Jahr.